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Politiker und neue Medien: Die Macht der Gerüchte

Politiker und neue Medien

Die Macht der Gerüchte

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    Von Christian Wulff bis Rainer Brüderle: Medien decken Politiker-Skandale auf oder machen sie erst zu solchen. In einem Buch gehen Studenten der Frage nach, wer im Internetzeitalter die Regeln für Politik macht.
    Von Christian Wulff bis Rainer Brüderle: Medien decken Politiker-Skandale auf oder machen sie erst zu solchen. In einem Buch gehen Studenten der Frage nach, wer im Internetzeitalter die Regeln für Politik macht. Foto: dpa

    Wie schnell lässt sich die Karriere eines Politikers zerstören? Binnen weniger Tage, glaubt man Christian von Boetticher. In einen „Abgrund an journalistischer Meinungsmache, an Persönlichkeitszerstörung“ habe er geblickt, sagt der ehemalige CDU-Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein. Er war im Sommer 2011 von seinem Amt zurückgetreten, nachdem seine Beziehung zu einem damals 16-jährigen Mädchen öffentlich geworden war.

    Spielball im Kampf um die Leser

    In einem Interview mit zwei Tübinger Studentinnen spricht von Boetticher über die Umstände seines Rücktritts. Es geht um die Macht der Gerüchte, der Brutalität seiner Parteifreunde und eine Hetzjagd des Boulevards. „Ich selbst wurde zum Spielball im Kampf um die Leser“, sagt er. „Die Medien gestalten ganz bewusst die Politik und das macht mir zunehmend Sorgen.“

    Zu lesen ist das Boetticher-Interview in dem Buch „Die gehetzte Politik. Die neue Macht der Medien und Märkte“. Unter Anleitung von Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft, haben 23 Studenten mit Politikern, Intellektuellen, Unternehmern und Netzaktivisten gesprochen.

     Die Liste der Interviewten liest sich genauso bunt wie hochkarätig: Zu Wort kommen unter anderem Finanzminister Wolfgang Schäuble, Alt-Kommunarde Rainer Langhans, Unternehmer Carsten Maschmeyer oder Skandalautor Thilo Sarrazin.

    Wer macht die Spielregeln für die Politik im Internet-Zeitalter?

    In den Gesprächen geht es im Kern immer um die gleichen Fragen: Wie funktioniert Politik zwischen Twitter, Facebook und einem Journalismus, der im Minutentakt nach neuen Skandalen sucht? Wer macht die Spielregeln in der Politik? Wie viel Einfluss hat ein Politiker und wie viel wird von außen bestimmt?

    Christian Wulffs Kredit-Affäre und der legendäre Anruf: Bundespräsident Wulff gerät wegen eines verheimlichten Privatkredits Ende 2011 in die Schlagzeilen. Anfang 2012 wird bekannt, dass Wulff mehrere Reportern mit "Krieg" gedroht habe, sollten sie über die Affäre berichten. Sein wütender Anruf bei Bild-Chaf Kai Diekmann wurde nicht nur zum Politikum, sondern auch zum Ziel von Häme und Spott.
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    Fragen, die vor allem durch die Fälle Karl-Theodor zu Guttenberg und Christian Wulff aufgekommen sind. Die Antworten fallen unterschiedlich aus. „Die meisten Menschen, die sich über die Medien beschweren, beschweren sich eigentlich über sich selbst“, sagt etwa der streitbare FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. Vielen fehle einfach die Souveränität im Umgang mit Journalisten. Für den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ist der Umgang mit den Medien „immer eine Frage der Grenzziehung“. Und Wolfgang Schäuble verfolgt erst gar nicht, was im Internet über ihn geschrieben wird.

    Es soll kein Buch der fertigen Antworten sein

    Muss man also abgebrüht sein, um in der Politik bestehen zu können? „Schon ziemlich“, sagt Kubicki. „Wenn Sie mit Intrigen nicht umgehen können, sind Sie im Politikbetrieb falsch.“ Für Nikolaus Blome, als Leiter des Bild-Hauptstadtbüros auf der anderen Seite, gestaltet sich die Sache ganz ähnlich: „Politiker, die vor Medien Angst haben, sind im falschen Beruf.“

    Auch wenn sich die Frage nach der Manipulation der Politik wie ein roter Faden durch die Gespräche zieht, bleibt jedes Interview doch ein in sich geschlossener Komplex. Die Studenten entlocken ihren Gesprächspartnern oft Persönliches, manchmal auch Witziges oder Trauriges. Die anfangs gestellten Fragen beantwortet das Buch nicht. Es soll aber auch kein „Buch der fertigen Antworten sein“, schreiben Bernhard Pörksen und Co-Autor Wolfgang Krischke im Vorwort, „sondern eher eines der dialogischen Erkundungen und Streifzüge“. Das ist in jedem Fall gelungen.

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