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Politik: Regierungsbildung in Italien: Beppe Grillo ist der Guru im Hintergrund

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Regierungsbildung in Italien: Beppe Grillo ist der Guru im Hintergrund

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    Beppe Grillo – wird der ehemalige Komiker zum Königsmacher für Mario Draghi?
    Beppe Grillo – wird der ehemalige Komiker zum Königsmacher für Mario Draghi? Foto: Angelo Carconi, dpa

    Wenn man italienische Politiker als Clowns bezeichnet, dann macht man bei Beppe Grillo keinen Fehler. Der 72-jährige Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung ist ein Komiker, der im Laufe seiner Karriere immer politischer wurde und nun die entscheidende Figur bei der Bildung einer neuen italienischen Regierung unter Mario Draghi ist. Der Gründervater der Sterne ließ die angesetzte Mitgliederbefragung über eine Regierungsbeteiligung noch einmal verschieben, am Donnerstag sollten nun die 120.000 Mitglieder online abstimmen. Grillo hat sich für die Unterstützung Draghis ausgesprochen – folgt ihm die Mehrheit der Sterne-Mitglieder, ist der Weg für den Ex-EZB-Chef an die Spitze der italienischen Politik frei.

    Politiker Beppe Grillo startete Komiker-Karriere in den 80er-Jahren im italienischen TV

    Seine Karriere als Komiker begann Grillo beim italienischen Staatsfernsehen in den 1980er Jahren. „Wenn die Chinesen alle Sozialisten sind, wen bestehlen sie dann?“, provozierte der gebürtige Genovese 1987 den damaligen sozialistischen und der Korruption beschuldigten Ministerpräsidenten Bettino Craxi. Seine satirischen Proteste mündeten 2009 in die Gründung der Fünf-Sterne-Bewegung, die sich fünf Themen verschrieb: Wasser, Umwelt, Transport, Netz und Entwicklung. Vielen Italienern sprach Grillo mit seiner Kritik aus der Seele. Ebenso legendär wie ordinär waren seine V-Days („Vaffanculo“ für „Leck mich am Arsch“), auf denen Tausende gegen korrupte und vorbestrafte Politiker protestierten.

    Seit 2018 sind die „Grillini“ stärkste Partei im Parlament. Der Gründervater selbst bekleidete jedoch nie ein Amt. Grillo ist vorbestraft und darf den Statuten seiner Bewegung zufolge damit nicht für politische Ämter kandidieren. 1981 verschuldete er fahrlässig einen Unfall, bei dem drei Menschen ums Leben kamen. Für ihn wurde deshalb die Rolle des „Garanten“ der Bewegung geschaffen, eine Art Übervater und Koordinator im Hintergrund. Jetzt, da der ehemalige EZB-Chef Mario Draghi an der Bildung einer Regierung arbeitet, ist Grillo als Guru im Hintergrund besonders gefragt. Er ist so etwas wie der letzte gemeinsame Nenner in der zerstrittenen Bewegung. Und vielen Mitgliedern sind der Ex-Bankier Draghi und andere Koalitionäre in spe nicht einfach zu vermitteln.

    Fünf-Sterne-Bewegung noch immer auf der Suche nach der eigenen Identität

    Zweimal ist Grillo nach Rom zu den Sondierungsgesprächen mit Draghi gereist. Der 72-Jährige aus Genua begleitete den Interimsvorsitzenden der Sterne, Vito Crimi, sowie die Fraktionschefs. Die Verschleißerscheinungen bei den Sternen sind nach drei Jahren in der Regierung deutlich, nach Umfragen kämen sie heute auf weniger als die Hälfte der Stimmen von 2018. Die Partei ist nach der Regierungserfahrung zuerst mit der rechten Lega und anschließend mit den Sozialdemokraten in einem Linksbündnis weiter auf der Identitätssuche. Während die Führungsriege um Grillo den Eintritt in die Koalition unter Draghi befürwortet, gibt es auch kritische Stimmen. Der Partei droht der Bruch.

    „Ich habe den Bankier Gottes erwartet, aber er ist ein Grillino und will Mitglied werden“, scherzte Grillo über die Sondierungen mit Draghi, der im linken Flügel der Bewegung als Ausdruck des Großkapitals regelrecht verachtet wird. Am Mittwoch wurde bekannt, dass Draghi offenbar die Idee der Fünf Sterne eines Superministeriums zur ökologischen Wende aufnehmen will. „Ich habe mit ihm gesprochen und er hat immer genickt“, sagte Grillo, der auf die Regierungsbeteiligung drängt, um mit den EU-Hilfsgeldern die grüne Wende für Italien einzuleiten und damit endlich eine seiner Ur-Ideen zu verwirklichen.

    Die Lage der Grillini ist aus einem weiteren Grund nicht einfach. Vor allem Silvio Berlusconi galt ihnen als Inbegriff einer verkommenen Politiker-Kaste, Grillo bezeichnete ihn jahrelang als „Psychozwerg“. Wenn die Mitglieder also nun in die Regierung einwilligen, gehen die einst systemkritischen Sterne nun auch mit ihm, der Lega und den Sozialdemokraten in eine Koalition. Wohlwissend, dass die Zentrifugalkräfte stärker werden, wurde Grillo aktiv, um die Spaltung seiner vor zwölf Jahren gegründeten Bewegung zu verhindern – und sie auf ein neues Abenteuer einzuschwören.

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