Der frühere österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat zwei Tage nach dem Wahldebakel der FPÖ seine politische Karriere beendet. Zudem lässt er seine Parteimitgliedschaft bei den Rechtspopulisten ruhen. Er strebe nicht zuletzt zum Schutz seiner Familie keine politischen Funktionen mehr an, sagte der 50-Jährige am Dienstag in Wien. Auch wolle er weiteren Schaden von der FPÖ abwenden und "eine Zerreißprobe und Spaltung" der Partei verhindern. Es sei wichtig, dass die Partei ein bedeutender Faktor in der Politik bleibe. Er habe den Großteil seines Leben der FPÖ gewidmet, um eine "Erneuerung der Republik" zu erreichen.
Strache war seit Sonntag teils sehr deutlich eine große Mitschuld am desaströsen Wahlergebnis der Rechtspopulisten gegeben worden. Mit dem Ibiza-Video und zuletzt einer Spesenaffäre hatte er seine Partei in größte Schwierigkeiten gebracht.
Ibiza-Video von Strache löste Regierungskrise aus
Die Veröffentlichung des Ibiza-Videos, das Strache anfällig für Korruption erscheinen lässt, hatte im Mai zu einer Regierungskrise und dem Bruch der ÖVP-FPÖ-Koalition geführt. Eine Woche vor der Wahl geriet die Partei zudem in eine Spesenaffäre. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen Strache, weil er Spesen möglicherweise falsch abgerechnet und sich so Parteigelder in die eigene Tasche gesteckt hat. Strache bestreitet die Vorwürfe gegen ihn bisher vehement.
Das Ibiza-Video und die Spesenaffäre dürften viele Wähler aber davon abgehalten haben, ihr Kreuz bei der FPÖ zu machen. Die Rechtspopulisten sind am Sonntag auf 16,2 Prozent der Stimmen abgestürzt - ein Minus von fast 10 Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl 2017. Die FPÖ-Spitzen deuteten am Wahlabend an, dass sie die Partei künftig auf der Oppositionsbank sehen.
Strache und die FPÖ-Spitze hatten sich seit der Ibiza-Affäre immer weiter voneinander entfernt. Zuletzt durfte der 50-Jährige etwa nicht mehr ohne Prüfung Beiträge auf seinem Facebook-Account verbreiten, weil das Konto der FPÖ gehört. Sein erstes TV-Interview seit der Veröffentlichung des Ibiza-Videos gab er dem Sender RT (früher Russia Today) - ohne Absprache mit der Partei.
Im Zuge der Spesenaffäre und nach dem schlechten Wahlergebnis hatten einige FPÖ-Politiker klar gemacht, dass Strache in der Partei nicht mehr erwünscht ist. Der Schritt des 50-Jährigen kam, bevor die FPÖ-Spitzengremien auch über einen möglichen Ausschluss beraten wollten.
In seiner Stellungnahme hielt sich Strache mit Kritik an der FPÖ aber überraschend zurück. "In jedem Moment der letzten 15 Jahre konnte sich meine freiheitliche Familie auf mich verlassen, wie umgekehrt ich mich auf sie verlassen konnte", sagte Strache. Der Zusammenhalt in dieser Zeit habe die Partei stark gemacht. Er sei lediglich ein bisschen enttäuscht, dass die Parteispitze nicht zu einem Gespräch mit ihm bereit gewesen sei, obwohl er diesen Kontakt gesucht habe. Der neue Parteichef Norbert Hofer kommentierte Straches Rückzug aus der Politik wenig später denkbar knapp: "Ich nehme diesen Schritt zur Kenntnis."
Jörg Haider war der Ziehvater von Heinz-Christian Strache
Seine politische Karriere begonnen hatte Strache mit 21 Jahren als Bezirksrat in Wien. Straches politischer Ziehvater war der Rechtspopulist Jörg Haider (1950-2008), mit dem er sich bei weitem nicht immer einig war. Als Haider 2005 die FPÖ verließ, war der Weg für Strache frei und er übernahm den Vorsitz der Partei.
Der gelernte Zahntechniker führte die Partei aus einstelligen Umfragewerten bis auf 26 Prozent bei der Nationalratswahl 2017, 2016 wäre sein Nachfolger als Parteichef, Norbert Hofer, sogar beinahe Bundespräsident geworden. Durch seine Erfolge wurde Strache zu einem der bekanntesten Rechtspopulisten Europas. Sowohl bei der Europawahl im Mai als auch bei der Nationalratswahl am Sonntag war die 20-Prozent-Marke für die FPÖ aber nun unerreichbar.
Die Konzentration gelte nun nicht mehr der Politik, sondern seiner Familie, erklärte Strache. "Was meine Frau in den letzten Wochen ertragen musste, kann kein Ehemann, kein Vater zulassen." Er hoffe aber, dass seine Frau Philippa ihr mögliches Mandat für den Nationalrat annehme. Die 32-Jährige hatte auf dem dritten Platz der Wiener Landesliste kandidiert. Bisher war sie lediglich als Tierschutzbeauftrage der Partei politisch in Erscheinung getreten.
Auslöser für die vorzeitige Wahl in Österreich war das von Spiegel und Süddeutscher Zeitung veröffentliche Ibiza-Video von 2017, das Strache anfällig für Korruption erscheinen lässt. Es hatte eine Kettenreaktion zur Folge: Nach dem Rücktritt Straches von allen Ämtern kündigte Kurz auch die ÖVP-FPÖ-Koalition auf. Wenige Tage später folgte ein Misstrauensvotum, mit dem Kurz als Kanzler vom Nationalrat gestürzt wurde. Seitdem regiert ein Expertenkabinett unter Kanzlerin Brigitte Bierlein das Land. (dpa)
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