Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Nordrhein-Westfalen: Zeche statt Schloss: Kanzlerin Merkel zu Besuch in NRW

Nordrhein-Westfalen

Zeche statt Schloss: Kanzlerin Merkel zu Besuch in NRW

    • |
    Klarer Kontrast: Präsentierte der bayerische Ministerpräsident der Kanzlerin noch Schloss und Spiegelsaal, so führte der Bergarbeitersohn Armin Laschet Angela Merkel zum Industriedenkmal Zeche Zollverein in Essen.
    Klarer Kontrast: Präsentierte der bayerische Ministerpräsident der Kanzlerin noch Schloss und Spiegelsaal, so führte der Bergarbeitersohn Armin Laschet Angela Merkel zum Industriedenkmal Zeche Zollverein in Essen. Foto: Oliver Berg, dpa

    Die Bilder hätten unterschiedlicher nicht sein können, die Armin Laschet und Markus Söder bei einem Besuch der Kanzlerin erzeugen wollten. Markus der Märchenkönig setzte auf Spiegelsaal im Schloss auf dem See, Armin der Bergarbeitersohn auf eine ehemalige Zeche im Ruhrgebiet.

    Beide Männer mischen mit im Spiel um die Nachfolge Angela Merkels, das derzeit in der Union ausgetragen wird. Merkel will sich nicht einmischen und vermeidet es, sich direkt für einen der Aspiranten auszusprechen. Und doch verteilt die Kanzlerin Lob auf Umwegen und mit der ihr eigenen, etwas verschwurbelten Sprechweise.

    Laschet inszeniert sich bei Merkel-Besuch als Gegenentwurf zu Söder

    Für Armin Laschet hat sich der Besuch Merkels am Dienstag in Düsseldorf und Essen in dieser Hinsicht gelohnt. Der in den Umfragen wegen seiner Corona-Politik gebeutelte Ministerpräsident bekam von der Kanzlerin verbal Balsam verabreicht. Sie relativierte die schwere Kritik an der Krisen-Politik ihres Parteifreundes, der seinen Ruf mit überstürzten Lockerungen angekratzt hatte. Nordrhein-Westfalen mit seiner dichten Besiedlung stehe eben vor größeren Herausforderungen als das dünn besiedelte Mecklenburg-Vorpommern, erklärte die Kanzlerin bei der ersten Station ihres Besuchs.

    In Düsseldorf hatte sie an einer Sitzung des Landeskabinetts im Ständehaus teilgenommen. Der wuchtige Bau aus dem späten 19. Jahrhundert diente dem Rheinischen Provinziallandtag als Sitzungsort, als das Rheinland zu Preußen gehörte. Weiß getünchte Wände, einige auf historisch gemachte Säulen und wenig Pomp. Das Gegenprogramm zum Schloss Herrenchiemsee entspricht viel stärker dem Naturell Merkels, die wenig auf den Glanz der Macht gibt.

    Merkel attestierte Laschet bei ihrem Besuch Kanzlerformat

    Sie beließ es nicht bei der Verteidigung von Laschets umstrittenem Corona-Kurs, sondern dankte ihm für seine Unterstützung ihrer europäischen Politik, die – wie Kritiker vermuten – in die Transferunion führen könnte. Für den 59-Jährigen am wichtigsten: Merkel attestierte ihm Kanzlerformat: „Wenn sie das größte Land der Bundesrepublik Deutschlands regieren in einer Koalition CDU-FDP, die effizient arbeitet, (…) dann ist das zumindest ein Rüstzeug, das durchaus Gewicht hat.“

    Anders als seine Rivalen um Merkels Erbe hat Laschet der Kanzlerin auch in ihrer schwersten Zeit die Treue gehalten – als sie sich entschied, Hunderttausende Flüchtlinge in das Land zu lassen. Zeitweise verlor der Staat die Kontrolle über die Situation, in den eigenen Reihen brodelte es, die Union von CDU und CSU stand auf der Kippe. Das unterscheidet den NRW-Ministerpräsidenten von seinem jetzigen bayerischen Amtskollegen, der erst nach einer schweren Schlappe bei der Landtagswahl umschwenkte.

    Armin Laschet kann auf die Sympathie der Kanzlerin zählen

    Für Laschet spricht aus Merkels Sicht noch etwas anderes. War er lange bei der Bekämpfung der Epidemie der erste Lockerer, gibt er nun, da seine Politik gescheitert ist, den strengen Landesvater. In Schulen gilt zum Beispiel schon ab Klasse 5 eine umfassende Maskenpflicht. Durch diese Wende steht Laschet nun fest an der Seite der Kanzlerin, die zur Vorsicht mahnt. Weitere Lockerungen der Schutzmaßnahmen lehnt sie ab.

    Anders als seine beiden innerparteilichen Rivalen Friedrich Merz und Norbert Röttgen kann Laschet in den nächsten Monaten auf die Sympathie der Kanzlerin zählen. Ihr Verhältnis zu Merz ist auf dem Nullpunkt, Röttgen warf sie einst als Umweltminister eiskalt aus dem Kabinett. Der Ministerpräsident aus dem Westen hat ihren Kurs der Mitte immer für den erfolgversprechendsten gehalten und hält nichts von einem Rechtsruck der CDU, für den Merz steht. Er wäre der Nachfolger, der Merkels Grundausrichtung beibehalten würde. In die Parade fahren könnte ihm Markus Söder, der derzeit aber ebenfalls kein Blatt zwischen sich und Merkel kommen lassen will. Ohne die Zustimmung des CSU-Chefs, kann keiner der drei in den Bundestagswahlkampf ziehen.

    Aber zuvor müssen es die CDU-Granden unter sich ausmachen, wer neuer Parteichef wird. Laschet erwartet nicht, dass sich vor dem Parteitag Anfang Dezember eine einvernehmliche Lösung finden lässt, zum Beispiel dadurch, dass sich Röttgen und Merz mit Aussicht auf gute Posten in eine Mannschaft eingliedern lassen. Jens Spahn hatte sich auf diese Weise von Laschet ködern lassen. „Aber im Moment gibt es keinen Anlass zu glauben, dass sich das Team noch vergrößern könnte“, meinte Laschet am Ende von Station 1 des Merkel-Besuchs. Danach machten sie sich gemeinsam zur Zeche Zollverein nach Essen auf. Die einst größte Steinkohlegrube der Welt ist heute Weltkulturerbe und ein Museum.

    Lesen Sie dazu auch:

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden