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Neues Meldesystem: ADAC-Mitarbeiter sollen sich gegenseitig bespitzeln

Neues Meldesystem

ADAC-Mitarbeiter sollen sich gegenseitig bespitzeln

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    Der Automobilclub ADAC führt eine neue Meldeplattform ein. Hier können sich Mitarbeiter bei Fehlern gegenseitig anzeigen. Die Gefahr von Denunzierung ist groß.
    Der Automobilclub ADAC führt eine neue Meldeplattform ein. Hier können sich Mitarbeiter bei Fehlern gegenseitig anzeigen. Die Gefahr von Denunzierung ist groß. Foto: Andreas Gebert,dpa

    Mitarbeiter des ADAC können künftig mithilfe einer speziellen Internetseite anonym auf interne Verfehlungen hinweisen. Der Autoklub startete das Online-Portal am Wochenende parallel zu seiner Hauptversammlung in Saarbrücken. Damit sollen kriminelle Handlungen wie Betrug, Diebstahl, Untreue und Korruption sowie die Verletzung von Vereinsrichtlinien aufgedeckt werden. Die britische Wirtschaftskanzlei Fresh- fields, die einen Sitz in München hat, sichtet die Hinweise und soll auch die Fälle bearbeiten.

    Der ADAC steht wegen einer ganzen Reihe von Skandalen schwer in der Kritik. Es geht unter anderem um Manipulationen beim Autopreis „Gelber Engel“, um zweifelhafte Dienstreisen und die Organisation der Pannenhilfe. Mit dem „Hinweisgeber-System“ sollen „Missstände in der gesamten ADAC-Organisation identifiziert und im Bedarfsfall entsprechend geahndet und abgestellt werden können“, sagte Interimspräsident August Markl.

    Ostdeutsche Regionalklubs befürchten DDR-Methoden

    Bei der Hauptversammlung kritisierten vor allem Vertreter aus ostdeutschen Regionalklubs die neue Plattform. Sie verwiesen auf Erfahrungen im DDR-Unrechtsregime. Die Gefahr, dass das System Denunzianten Tür und Tor öffnen könnte, sehen Delegierte aus unserer Region nicht. Die Vorteile überwiegen, sagte Andreas Dinzinger aus Türkheim im Unterallgäu. E

    ntscheidend sei, dass die Hinweise bei einer Anwaltskanzlei einlaufen. Josef Kaspar aus Markt Rettenbach (ebenfalls Unterallgäu) zeigte sich „verwundert“ über das schlechte Arbeitsklima in einzelnen Abteilungen der Münchner ADAC-Zentrale, das ein weiterer Grund für die Einrichtung der Internetseite gewesen ist.

    ADAC will Vertrauen zurückgewinnen

    Der Klub will sich einem umfangreichen Reformprozess unterziehen, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Ein konkreter Fahrplan soll bis Ende des Jahres erarbeitet werden. Die Delegierten stellten sich einmütig hinter die Pläne der Klubführung.

    Interimspräsident Markl betonte, dass man auf wirtschaftliche Interessen auch künftig nicht verzichten wolle. Der Vereinsstatus soll aber erhalten bleiben. Diesen überprüft derzeit das Münchner Registergericht. Markl zufolge müsse man zugeben, dass an Berichten, die den ADAC als eine Organisation darstellt, „die alles unter das Primat des Geldverdienens“ stellt, „viel Wahres dran“ sei. Auch wolle man sich künftig nicht mehr „aktiv in politische Diskussionen einmischen“.

    Die ADAC-Affäre

    13. Januar 2014: Der ADAC gibt bekannt, dass die Leser der Mitgliederzeitschrift «Motorwelt» den VW Golf zum «Lieblingsauto der Deutschen» gewählt haben.

    14. Januar: Die «Süddeutsche Zeitung» berichtet über Manipulationen. Es soll nur 3409 Stimmen für den Gewinner gegeben haben, einem ADAC-Papier zufolge waren es 34 299. Der Club weist den Vorwurf zurück, nennt aber keine Zahlen.

    16. Januar: Bei der Feier zur Auszeichnung des VW Golf mit dem «Gelben Engel» spricht Geschäftsführer Karl Obermair von «Unterstellungen und Unwahrheiten» und prangert eine «Schande für den Journalismus» an.

    17. Januar: ADAC-Kommunikationschef Michael Ramstetter gesteht laut Obermair die Fälschungen, der Verein geht damit aber zunächst nicht an die Öffentlichkeit. Ramstetter übernimmt die alleinige Verantwortung und legt sein Amt nieder.

    19. Januar: Nach einem Bericht der «Bild am Sonntag» räumt der ADAC Manipulationen ein und bestätigt Ramstetters Abgang. Laut Club wussten Präsidium und Geschäftsführung nichts von Unregelmäßigkeiten.

    20. Januar: Ramstetter schönte auch die Jahre zuvor bei der Umfrage zum «Lieblingsauto» die Zahlen, sagt Obermair.

    21. Januar: ADAC-Präsident Peter Meyer lehnt einen Rücktritt ab. Die Staatsanwaltschaft München untersucht in einer «Vorprüfung», ob Straftatbestände berührt sein könnten.

    23. Januar: Das Münchner Amtsgericht prüft, ob der Club mit seinen 19 Millionen Mitgliedern den Vereinsstatus behalten darf.

    24. Januar: Nach Informationen des «Stern» reiste Meyer mit Hubschraubern der ADAC-Luftrettung zu Veranstaltungen. Die Statuten erlauben das in Ausnahmefällen, sagt ein Sprecher. Es habe binnen zehn Jahren rund 30 solcher Flüge von Präsidiumsmitgliedern zu offiziellen ADAC-Terminen gegeben.

    27. Januar: Die «Bild»-Zeitung berichtet über das Haus eines ADAC-Managers in Bad Homburg. Laut Verein wohnt der Regional- Geschäftsführer Hessen-Thüringen dort zur Miete - für 3230 Euro kalt im Monat. Die Immobilie in gehobener Wohngegend diene dem ADAC als Geldanlage.

    28. Januar: Die «Westdeutsche Allgemeine Zeitung» berichtet, Meyer sei mit einem ADAC-Hubschrauber auch von einem Geschäftstermin nach Hause geflogen. Laut ADAC wurde der Flug 2003 nicht extra für ihn organisiert. Der Helikopter auf dem Rückweg nach Bonn habe Meyer unterwegs in Essen abgesetzt.

    29. Januar: Ein ADAC-Hubschrauber föhnte 2006 in Braunschweig mit dem Wind der Rotorblätter einen unter Wasser stehenden Fußballplatz trocken. Der ADAC-Regionalchef für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt hatte den Einsatz vor der Zweitliga-Partie Braunschweig-Dresden angefordert.

    30. Januar: Der ADAC prüft Bestechungsvorwürfe im Zusammenhang mit einer Badegewässeruntersuchung in den 1990er Jahren. Nach einem Medienbericht sollen Informationen zur Wasserqualität an bestimmten Badestränden aus den betroffenen Zielgebieten finanziert und beeinflusst worden sein.

    31. Januar: Nach Recherchen der «Süddeutschen Zeitung» und des NDR-Magazins «Panorama» drängt der Autoclub seine Pannenhelfer, eigens für den ADAC von der Firma Varta gefertigte Auto-Batterien zu verkaufen. Dafür gebe es eine Prämie.

    1. Februar: Der ADAC räumt einen 200 000 Euro umfassenden Werbe-Deal seines Regionalverbands Nordrhein mit der Firma eines ranghohen ADAC-Funktionärs ein. Dabei sei aber «alles klar geregelt» gewesen, versichert eine Sprecherin des Clubs.

    Wie vor der Versammlung angekündigt, wurde die Wahl einer neuen Führungsspitze verschoben. Erst sollen die Reformen auf den Weg gebracht werden. Markl sagte auch, bisher habe man keinen Kandidaten finden können. Er selbst steht nicht zur Verfügung.

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