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Maskenaffäre: Fühlt sich Jens Spahn in der Maskenaffäre von Georg Nüßlein getäuscht?

Maskenaffäre

Fühlt sich Jens Spahn in der Maskenaffäre von Georg Nüßlein getäuscht?

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    Als Gesundheitsexperte der Unionsfraktion hatte Georg Nüßlein (rechts) einen direkten Draht ins Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn (links). Schlug der Abgeordnete daraus persönlich Kapital?
    Als Gesundheitsexperte der Unionsfraktion hatte Georg Nüßlein (rechts) einen direkten Draht ins Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn (links). Schlug der Abgeordnete daraus persönlich Kapital? Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archiv)

    Jens Spahn hat weiß Gott angenehmere Zeiten erlebt. Der Bundesgesundheitsminister steht seit Monaten heftig unter Beschuss. Gerade erst hat der Bundesrechnungshof chaotische Zustände bei der Beschaffung von Corona-Masken gerügt. Angesichts all dieser Kritik dürfte Spahn ein eigentlich heikler Termin relativ leicht gefallen sein: seine Vernehmung als Zeuge in der Maskenaffäre um die beiden schwäbischen Abgeordneten Georg Nüßlein und Alfred Sauter.

    Die Generalstaatsanwaltschaft schickt Ermittler zu Jens Spahn nach Berlin

    Anfang Juni bekam Spahn in Berlin Besuch von Ermittlern der Generalstaatsanwaltschaft München und des Bayerischen Landeskriminalamts. Da auch sein Ministerium Millionen von Nüßlein vermittelter Masken gekauft hat, wurde er als Zeuge in dem Ermittlungsverfahren befragt. Was er genau gesagt hat, haben die Ermittler minutiös protokolliert. Es ist allerdings nicht öffentlich bekannt und lässt sich nur bruchstückhaft rekonstruieren. Sinngemäß sagte Spahn wohl, ihm sei nicht klar gewesen, dass Nüßlein an dem Maskenauftrag mitverdient und er fühle sich im Nachhinein getäuscht.

    Am Freitagvormittag antwortete Spahn auf die Frage während einer Pressekonferenz, ob er gewusst habe, dass Nüßlein Provision kassierte, so schlicht und kurz wie möglich: „Nein.“ Ähnlich sollen sich auch die frühere bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml und Mitarbeiter aus den Ministerien und Behörden, die Masken der hessischen Firma Lomotex gekauft hatten, in ihren Zeugenvernehmungen geäußert haben.

    Einem Medienbericht zufolge soll Spahn mit seiner Aussage den früheren Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein schwer belastet haben. Doch so einfach ist es wohl nicht. Denn zur Kernfrage der strafrechtlichen Vorwürfe, nämlich „Handelte Nüßlein in dem Maskendeal in Wahrnehmung seines Mandats?“ kann Jens Spahn gar nichts gesagt haben. Denn wie soll er das beurteilen?

    Die Lebenserfahrung sagt zwar, dass der gesundheitspolitische Sprecher einer Fraktion, der bei einem Parteifreund im Ministerium anruft, eher als Abgeordneter dort aufschlägt, aber wahrscheinlich wurde gar nicht über so etwas gesprochen. Das ist ja die Problematik an diesen Doppelfunktionen als Abgeordneter und Anwalt oder Geschäftsmann. Kann ein Politiker, der sich in aktuelle Krisenbewältigung einmischt, überhaupt nicht als Abgeordneter handeln?

    Georg Nüßlein und Alfred Sauter bekamen dicke Provisionen – war das Abgeordnetenbestechung?

    Die Generalstaatsanwaltschaft München verdächtigt Nüßlein und Sauter, ihre Position als Abgeordnete ausgenutzt zu haben, um abzukassieren. Alfred Sauter hat 1,2 Millionen Euro über eine Treuhandfirma erhalten. An Nüßlein flossen 660.000 Euro, zu denen weitere 540.000 Euro hinzukommen sollten. Die Ermittler werfen den Politikern vor, sie hätten sich bestechen lassen, um lukrative Maskendeals aufs Gleis zu setzen. Die insgesamt fünf Beschuldigten bestreiten diese Vorwürfe. Zusammengerechnet hatten die Maskengeschäfte der Firma Lomotex ein Volumen von mehr als 60 Millionen Euro. Fast 20 Millionen Euro davon sind für Provisionen und sonstige Aufwendungen geflossen. Gegen Verantwortliche von Lomotex wird nicht ermittelt.

    Haben Nüßlein und Sauter also als Abgeordnete oder als Geschäftsmann beziehungsweise Anwalt gehandelt? Dass darüber diskutiert werden muss, liegt am Paragrafen 108e des Strafgesetzbuchs. Er regelt die Mandatsträgerbestechung – und ist relativ neu. Jedenfalls wurde er bisher nie angewendet, was die Maskenaffäre zum Musterverfahren macht. Es ist absehbar, dass der Fall beim Bundesgerichtshof landen wird. Denn ausgerechnet zur Frage, wann ein Politiker denn nun in Wahrnehmung seines Mandats tätig ist, bleibt das Gesetz vage.

    Das ist inzwischen auch der Politik aufgefallen, und so setzte schnell eine Diskussion um die Verschärfung des Paragrafen ein. Der Augsburger Strafrechtsprofessor Michael Kubiciel hat das Gesetzgebungsverfahren als Sachverständiger begleitet. Schon sehr bald wird eine Änderung in Kraft treten. Die Bestechung von Mandatsträgern wird dann zum Verbrechenstatbestand hochgestuft. Das bedeutet: mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe.

    Zudem ist die Einstellung des Verfahrens nicht mehr möglich, es kommt in jedem Fall zu einem öffentlichen Prozess, was für Politiker oft das Ende der Karriere bedeutet. „Diese Verschärfung wird große präventive Wirkung entfalten“, sagt Strafrechtsexperte Kubiciel. Die nachhaltigsten Auswirkungen habe die Maskenaffäre aber auf das Abgeordnetenrecht. Der Bundestag hat beschlossen, dass Nebeneinkünfte künftig auf den Cent genau veröffentlicht werden müssen. Die entgeltliche Interessenvertretung gegenüber dem Bund oder der Regierung ist fortan ebenso verboten wie direkte Geldspenden an Abgeordnete oder bezahlte Vorträge im Zusammenhang mit dem Mandat, erklärt Kubiciel.

    Müssen die beiden Politiker mit einer Anklage rechnen?

    Nur: Auf frühere Fälle (wie Nüßlein und Sauter) kann die neue Vorschrift nicht angewandt werden. Zudem wurde das Gesetz bezüglich der Frage, wann denn nun konkret ein Abgeordneter, der Geld kassiert, bestechlich ist, nicht geändert. Diese Lücke bleibt durch die schwammige Formulierung bestehen. Das macht die Maskenaffäre aus rechtlicher Sicht so spannend. Und das ist auch ein Grund, weshalb Nüßlein und Sauter tatsächlich mit einer Anklage wegen Bestechlichkeit rechnen müssen. Zum einen kann die Generalstaatsanwaltschaft nach ihrem massiven Vorgehen kaum anders, als Anklage zu erheben. Zum anderen gibt es ein großes Interesse, die Problematik mit dem Gesetz zur Mandatsträgerbestechung höchstrichterlich klären zu lassen.

    Für Nüßlein und Sauter geht es nur noch darum, strafrechtlich heil aus der Sache herauszukommen. Ihre politischen Karrieren dürfen so oder so erledigt sein. Nüßlein ist aus der CSU ausgetreten und kandidiert nicht mehr für den Bundestag. Sauter hat seine Parteiämter niedergelegt und ist aus der CSU-Landtagsfraktion ausgetreten.

    Alfred Sauter steht im Mittelpunkt eines fragwürdigen Maskengeschäfts.
    Alfred Sauter steht im Mittelpunkt eines fragwürdigen Maskengeschäfts. Foto: Bernhard Weizenegger (Archiv)

    Die Verteidiger der beiden sind zumindest sehr zuversichtlich, dass ihre Mandanten freigesprochen werden. Nüßleins Anwalt Gero Himmelsbach erklärt auf Anfrage unserer Redaktion: „Herr Dr. Nüßlein hat sich nicht strafbar gemacht.“ Spahns Aussage ändere daran nichts, sollte sie tatsächlich so gefallen sein. Sie liege ihm aber nicht vor. Das Bundesgesundheitsministerium habe das Angebot zum Maskenkauf „ohne Berücksichtigung von Einsatz oder Person von Herrn Dr. Nüßlein, also unabhängig und objektiv beurteilt und deshalb auch beauftragt“, erklärt Himmelsbach.

    Nüßlein habe darauf keinen Einfluss genommen. Das Angebot sei „absolut seriös“ gewesen und habe weit unter dem damaligen Marktpreis gelegen. Zudem sei schnell und zuverlässig geliefert worden. Himmelsbach folgert: „Der Einsatz von Herrn Dr. Nüßlein erfüllt nicht den hier immer wieder zur Adelung einer öffentlichen Missbilligung ins Feld geführten Tatbestand der Bestechlichkeit eines Abgeordneten.“ Ob die Richter das auch so beurteilen, könnte sich noch in diesem Jahr zeigen.

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