Die Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU) werden zur immer größeren Belastung für die Union. Beide Politiker kassierten sechsstellige Provisionen dafür, dass sie Masken-Herstellern zu staatlichen Aufträgen verhalfen. Trotz des massiven Ärgers darüber – auch in den eigenen Reihen – wollen sie ihre Mandate allerdings erst einmal behalten. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth forderte sie auf, sofort zurückzutreten. Auch CSU-Chef Markus Söder erhöhte den Druck. Vergeblich.
Parteifreunde aus CDU und CSU forderten Konsequenzen von Nüßlein und Löbel
Nüßlein hatte am Freitag nach langem Zögern zwar seinen Posten als Fraktionsvize der Union niedergelegt und den Verzicht auf eine weitere Kandidatur bei der Bundestagswahl im September erklärt. Abgeordneter will er aber bis zum Sommer bleiben. Genauso wie sein Mannheimer CDU-Kollege Löbel. Die Parteifreunde, die endlich einen konsequenten Schlussstrich fordern, wurden am Wochenende allerdings nicht nur immer mehr, sondern auch immer hochrangiger.
Schon früh hatte sich der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke positioniert. „Es gibt keinen sachlichen Grund, warum die beiden auch nur einen Tag länger im Amt bleiben sollten“, sagte er unserer Redaktion. Später forderte auch Ex-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer Nüßlein und Löbel auf, ihre Mandate „umgehend“ niederzulegen. Ihr Nachfolger Armin Laschet schloss sich erst mit ein bisschen Verspätung an. Und auch in der CSU brauchte man mit einem klaren Bekenntnis etwas länger.
CSU-Vorsitzender Markus Söder spricht am Sonntag ein Machtwort
Am Sonntagnachmittag twitterte der Parteivorsitzende dann eine Art Machtwort. „Es ist nicht zu tolerieren, wenn Volksvertreter die Krise zum Geschäft machen“, stellte Markus Söder klar und fügte hinzu: „Alle Betroffenen sollten umgehend reinen Tisch machen und grundlegende Konsequenzen ziehen.“
Am Sonntagabend zog Nüßlein dann tatsächlich weitere Konsequenzen. Ob damit die öffentliche Debatte erledigt ist, darf allerdings bezweifelt werden. Über seinen Anwalt ließ er seinen sofortigen Austritt aus der Unionsfraktion mitteilen. An einen Rückzug aus dem Bundestag denkt er jedoch weiterhin nicht. "Gleichwohl werde ich das Mandat, das mir die Wähler 2017 übertragen haben, bis zum Ende dieser Wahlperiode mit bestmöglichen Einsatz ausüben", heißt es in der Erklärung. Seine Entscheidung, die Fraktion von CDU und CSU zu verlassen, begründete Nüßlein mit einer "öffentlichen Vorverurteilung" seiner Person. Diese habe "ein Maß erreicht, das für mich, aber vor allem auch für meine Partei unerträglich ist".
Weder Kritiker noch Parteifreunde dürfte dieser Schritt überzeugen. Der schwäbische CSU-Vorsitzende Markus Ferber kommentierte Nüßleins Rückzug auf Raten am Abend im Gespräch mit unserer Redaktion so: "Ich halte es für geboten, dass Herr Nüßlein sich so schnell wie möglich aus der Politik zurückzieht und sein Mandat niederlegt."
Bundestagsvizepräsidentin Roth hatte die CSU-Spitze, und speziell Parteichef Söder, im Gespräch mit unserer Redaktion für ihr Schweigen kritisiert. „Das zeigt, wie tief verwoben die Partei mit schwarzem Filz noch immer ist“, sagte die Grüne. Jenseits aller Parteitaktik fürchtet sie durch die Masken-Affäre einen „dramatischen Vertrauensverlust in Politikerinnen und Politiker – ausgerechnet in Zeiten, in denen Vertrauen so enorm wichtig ist“.
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth fordert sofortigen Rücktritt
Die undurchsichtigen Geschäfte stürzen die Union, die ohnehin mit sinkenden Umfragewerten kämpft, zum Auftakt des Superwahljahres in eine Glaubwürdigkeitskrise. Am kommenden Sonntag wird in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gewählt, dementsprechend groß ist die Nervosität. Angesichts der Debatte um die Verstrickung von Unions-Leuten in fragwürdige Lobbygeschäfte, erfolgte die Aufstellung der CDU-Bundestagskandidaten in Mecklenburg-Vorpommern zum denkbar unglücklichsten Zeitpunkt. Ganz oben auf der Landesliste steht der Name eines Abgeordneten, der bereits im Sommer wegen fragwürdiger Geschäfte in die Schlagzeilen geraten war: Philipp Amthor.
Bundestagsvizepräsidentin Roth sprach sich dafür aus, genauer zu prüfen, welche Nebentätigkeiten Abgeordnete ausüben dürfen. „Politiker, die privat Geschäfte machen, nutzen doch auch dafür ihre Netzwerke, die sie als Abgeordnete geknüpft haben“, sagte die Grünen-Politikerin.
CDU-Mann Radtke warnte zwar vor einer „grundsätzlichen Kriminalisierung, wenn jemand neben seinem Mandat noch einen Beruf ausübt“. Im Bezug auf Nüßlein und Löbel stellte er aber klar: „Es gibt Dinge, die mögen vielleicht sogar legal sein, sind aber trotzdem nicht vertretbar.“
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