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Markus Söder Interview: "Kann sich Bevölkerung nicht aussuchen"

Interview

Markus Söder: "Bevölkerung muss sich einen Flug nach Mallorca leisten können"

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    Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder wollte Kanzlerkandidat werden - und musste Armin Laschet das Feld überlassen.
    Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder wollte Kanzlerkandidat werden - und musste Armin Laschet das Feld überlassen. Foto: Ulrich Wagner

    Herr Söder, niedergelassene Ärzte dürfen inzwischen selbst entscheiden, wen sie gegen Corona impfen. Wie geht es in den Impfzentren weiter, wenn nun auch dort die Priorisierung fällt?

    Markus Söder: Es ist sinnvoll, den Hausärzten mehr Freiheiten beim Impfen zu geben. Sie entscheiden schnell, ethisch fundiert und unbürokratisch – und wissen am besten, welche Patienten am dringendsten Schutz brauchen. Damit haben wir das Tempo deutlich erhöht. Die Impfzentren werden wir trotzdem weiterhin brauchen: erstens, um die versprochenen Zweitimpfungen zu gewährleisten. Und zweitens werden die Impfzentren auf der langen Zielgeraden der Pandemie noch wichtig, um strategisch zu impfen.

    Welche Strategie verfolgen Sie da?

    Söder: Mobile Teams können über Betriebsärzte ganze Unternehmen durchimpfen. Dann sollen im Juni in Schulen die Abschlussklassen geimpft werden und vielleicht noch vor den Sommerferien Schülerinnen und Schüler ab zwölf Jahren, sobald die Impfstoffe zugelassen sind. Zudem sollten auch Menschen in sozial schwierigen Verhältnissen beispielsweise über die Tafeln erreicht werden. Schließlich sollen auch gezielt in Stadtteilen Impfangebote gemacht werden, in denen viele Menschen mit Migrationshintergrund leben und es noch Vorbehalte gegen die Impfung gibt.

    Wie wollen Sie diese Vorbehalte ausräumen?

    Söder: Indem wir uns in der Community vor Ort Partner suchen. Wir müssen auch unkonventionelle Wege gehen. Warum bieten wir nicht auch mal einen Impftag im Umfeld einer Moschee oder eines Kulturvereins an?

    Schon im September haben Sie vor einer zweiten Welle gewarnt, inzwischen stecken wir in der dritten. Warum konnte das nicht verhindert werden?

    Söder: Solange es keinen Impfstoff oder zu geringe Mengen an Impfstoff gab, hatten wir keine Alternative zu Vorsicht und Distanzhalten. Wir wissen von den allermeisten Infizierten bis heute nicht genau, wo und wie sie sich angesteckt haben. Das nennt man diffuses Infektionsgeschehen. Wir dürfen nicht vergessen: Wir hatten die zweite Welle bereits im Griff, ehe das mutierte britische Virus die Zahlen wieder nach oben getrieben hat. Deshalb haben auch die besten Hygienekonzepte und Teststrategien allein nicht geholfen, eine dritte Welle zu verhindern. Klar ist deshalb: Wir werden weiter impfen und auch verschiedene Impfstoffe bestellen müssen. Zum einen, um den Grundschutz auszubauen. Zum anderen, um auf mögliche Mutationen reagieren zu können.

    Inzwischen ist mehr als ein Drittel der Bayern geimpft. Bringt der digitale Impfpass mehr Sicherheit?

    Söder: Der digitale Impfpass ist von zentraler Bedeutung. Er hilft, den Geimpften wieder Freiheiten zurückzugeben. Grundrechte sind kein Zuckerguss, sondern geborene Rechte im Verhältnis zwischen Bürgern und Staat. Und es gibt keinen Grund, sie länger vorzuenthalten, wenn jemand weder selbst in Gefahr ist noch eine Gefahr für andere darstellt. Aber dafür muss es einen verlässlichen Nachweis geben.

    Der bisherige Impfpass ist das nicht?

    Söder: Der ist leicht zu fälschen. Deshalb brauchen wir den digitalen Ausweis. Leider mussten wir im letzten Jahr feststellen, wie schwierig in Deutschland die Alltagsdigitalisierung läuft. Bestes Beispiel dafür ist die Corona-Warn-App, die bis heute ein zahnloser Tiger geblieben ist. Es wurden Grundrechte ausgesetzt, aber beim Datenschutz hat sich nichts bewegt.

    Eine Lehre aus der Krise und der Maskenaffäre ist, dass der Staat auf eine solche Situation schlecht vorbereitet war. Haben Sie da Konsequenzen gezogen?

    Söder: Ja, natürlich. Zum einen haben wir die Zahl der Intensivbetten um 50 Prozent erhöht. Deshalb waren wir in der dritten Welle bei der Bettenversorgung besser aufgestellt. Zum anderen haben wir ein großes Materiallager angelegt, das mehrere Millionen Masken und Tests umfasst. Da sind wir gut vorbereitet.

    In der Pandemie setzte sich Markus Söder als Anführer von "Team Vorsicht" in Szene.
    In der Pandemie setzte sich Markus Söder als Anführer von "Team Vorsicht" in Szene. Foto: Ulrich Wagner

    Das war zu Beginn der Pandemie anders …

    Söder: Am Anfang war da Wildwest. Da wurden bestellte Lieferungen in China einfach an andere verkauft, weil die mehr Geld boten. Es gab damals zwei Statistiken, die mich jeden Tag aufgewühlt haben: Das war die Morgenstatistik mit der Zahl der Toten und am Abend die Meldung, wie leer das Lager mit medizinischem Schutzmaterial ist. Da gab es Momente, in denen nur noch eine einzige Charge mit Masken und Schutzmaterial vorhanden war. Beides möchte ich nicht mehr erleben.

    Die Pandemie hat auch offenbart, wie abhängig wir von Medikamenten-Lieferungen etwa aus Indien sind. Wie lässt sich das ändern?

    Söder: Das Stichwort ist Souveränität. Es fehlt in Deutschland an Grundkapazitäten in der Pharmazie. Wir waren einmal die Apotheke der Welt – das ist aber lange her. Ich habe daher den Vorschlag gemacht, eine eigene Impfstoffproduktion aufzubauen. Die Amerikaner machen das – vor allem, wenn es ernst wird. Eine Art Notfallwirtschaft also. Das ist uns leider nicht gelungen. Wir hätten uns damit vieles ersparen können, denn wir werden auch in Zukunft sehr viel Impfstoff brauchen. Die Kritik an der Produktion des russischen Impfstoffs Sputnik V in Illertissen und der Reservierung Bayerns ist daher verfehlt. Warum sollte ein zugelassener Impfstoff, der in Bayern produziert wird, nicht auch in Bayern verimpft werden? Wir können jede einzelne Dosis brauchen. Und wenn wir eines Tages wirklich zu viel Impfstoff haben sollten, können wir ihn immer noch an Partnerländer abgeben.

    Nach eineinhalb Jahren Pandemie sehnen sich viele Menschen nach Erholung, nach Ablenkung. Haben wir eine Chance auf einen halbwegs normalen Sommerurlaub?

    Söder: Ich denke schon. Die Kombination aus Impfnachweis und Test bei der Einreise bietet eine hohe Sicherheit.

    Viele Urlaubsflüge finden innerhalb Europas statt. Die Kanzlerkandidatin der Grünen will Kurzstreckenflüge teurer machen oder sogar verbieten. Was halten Sie davon?

    Söder: Das Verbot von Kurzstreckenflügen wäre Unsinn und auch wirtschaftlich ein Problem für unser Land. Teurer sind solche Flüge ohnehin bereits geworden – und das war auch ein richtiges klimatologisches Signal. Aber das Ganze hat auch eine soziale Komponente: Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass sich auch noch die breite Bevölkerung einen Flug nach Mallorca leisten können muss. Abgesehen davon ist es richtig, dass wir davon wegkommen, kurze Strecken ohne Not zu fliegen. Das sollte aber nicht über Verbote laufen, sondern wir müssen den Bahnverkehr attraktiver machen. Wenn wir da aber beim Bau neuer Strecken, was oft von Grünen torpediert wird, nicht schneller vorankommen, werden wir die Klimaschutzziele niemals erreichen.

    Wie wollen Sie Bahnfahren attraktiv machen?

    Söder: Wir müssen die Schiene billiger, bequemer und schneller machen. Wir brauchen mehr und wieder reaktivierte Strecken auch im ländlichen Raum. Ein weiteres wichtiges Instrument ist das 365-Euro-Ticket im Nahverkehr – wir sollten dieses bayernweit bis 2030 einführen.

    Das alles kostet aber auch Geld.

    Söder: Natürlich wird der Staat hier mehr investieren müssen.

    Das Thema Klimaschutz will Bayerns Ministerpräsident nicht nur den Grünen überlassen.
    Das Thema Klimaschutz will Bayerns Ministerpräsident nicht nur den Grünen überlassen. Foto: Ulrich Wagner

    Was den Klimaschutz angeht, scheint die CSU ambitionierter zu sein als die große Schwesterpartei CDU. Ein Problem im Bundestagswahlkampf?

    Söder: Klimaschutz ist kein lästiges Übel, sondern eine Generationenaufgabe. Das hat oberste Priorität und kann nicht allein ein Thema der Grünen sein. Wir sind da auch gerne der Antreiber innerhalb der Union. Die Herausforderungen kommen ohnehin, und ich bin fest davon überzeugt, dass es besser ist, sie schnell anzugehen und nicht defensiv zu verschleppen. Es muss unsere Kompetenz sein, Klimaschutz und Wohlstand zusammen zu organisieren.

    Sie klingen jetzt wie ein Kanzlerkandidat, mussten aber nach einem tagelangen Machtkampf Armin Laschet das Feld überlassen. Ihnen blieb nur der Titel "Kandidat der Herzen", wie CSU-Generalsekretär Markus Blume Sie nannte. Fühlen Sie sich so?

    Söder: Ich war überrascht und gerührt, auf welche Resonanz mein Angebot gestoßen ist – weit über Bayern hinaus. Wenn sich Berliner, Bremer und Hamburger Abgeordnete für einen CSU-Chef engagieren, ist das nicht selbstverständlich. Dass sich der CDU-Vorstand anders entschieden hat, akzeptiere ich dennoch ohne Groll. Wir arbeiten jetzt alle gemeinsam zusammen.

    Viele Wähler scheinen da schon mehr Groll zu verspüren. Die Union ist nach der Benennung des Kanzlerkandidaten abgestürzt. Wer ist denn jetzt schuld an diesem Umfragetief?

    Söder: Die Union wird ihr Bestes geben, damit die Zahlen am Wahltag wieder besser aussehen. Ich bin überzeugt, dass uns das gelingen wird.

    Also trägt Armin Laschet die Schuld?

    Söder: Am Ende kommt es bei der Wahl generell vor allem auf den Kanzlerkandidaten an. Die Personen ziehen die Parteien und nicht umgekehrt. Aber ich bin sicher, bis zur Wahl wird sich noch viel verbessern.

    Und was wollen Sie damit sagen?

    Söder: Dass es eine große Herausforderung wird.

    Zeitweise schienen Sie etwas berauscht von dem großen Zuspruch für Ihre Kandidatur. Jedenfalls haben Sie bis heute nicht aufgehört, gegen die CDU zu sticheln …

    Söder: Außer ein paar Journalisten sagt das niemand. Die bayerische Bevölkerung sieht es jedenfalls nicht so, und auch die Basis von CDU und CSU in der Breite nicht. Ich habe in dem ganzen Prozess nie eine Forderung gestellt, sondern nur ein Angebot gemacht. Die CSU hat niemanden angegriffen, sondern immer positiv argumentiert. Und wir haben das Ergebnis akzeptiert und unterstützen Armin Laschet mit voller Kraft.

    Sie haben auf Ihre guten Umfragewerte verwiesen, die CDU hielt dagegen, man dürfe sich nicht nur von der Stimmung in der Bevölkerung leiten lassen.

    Söder: Losgekoppelt von der Bevölkerung Politik zu machen, ist ein paar Monate vor einer Wahl zumindest ein mutiges Konzept. Man kann sich die Bevölkerung nicht aussuchen, für die man regieren will, sondern muss es mit der Bevölkerung zusammen machen.

    Bereuen Sie, dass Sie den CDU-Vorstand als "Hinterzimmer" bezeichnet haben?

    Söder: Das war nicht auf die offiziell gewählten Gremien bezogen. Ich bin selbst ein Kind der repräsentativen Demokratie und respektiere sie in hohem Maße. Aber wie gesagt: Die Würfel sind gefallen und wir schauen optimistisch nach vorne.

    Sie sprechen davon, dass Sie ein Angebot gemacht haben. Was wäre denn, wenn die CDU im Juni doch noch auf Sie zukommen würde und Ihnen …

    Söder: Das wird sicher nicht passieren. Armin Laschet ist der Kanzlerkandidat.

    Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat kritisiert, Ihr Vorgehen zerstöre die Parteiendemokratie. Sind Sie an Schäuble gescheitert?

    Söder: Es gab den Umfragen zufolge eine Mehrheit in der Bevölkerung, in CDU-Landesverbänden und in der Bundestagsfraktion. Aber ohne einen CDU-Bundesvorstand macht das Ganze keinen Sinn. Das haben wir natürlich respektiert. Das Argument mit der repräsentativen Demokratie haben wir jedoch nicht verstanden. Denn Demokratie entwickelt sich weiter. Wir sind heute in einer transparenten Mediendemokratie. Man darf dem Zeitgeist nicht hinterherlaufen – man muss ihn prägen. Unser Hinweis darauf wurde von Wolfgang Schäuble anders gewichtet. Das ist in Ordnung. Das muss jeder selbst entscheiden.

    Hadern Sie deshalb so sehr mit der Entscheidung?

    Söder: Wie kommen Sie darauf? Für mich wäre das Ganze mit einer extremen Belastung verbunden gewesen. Zum einen persönlich-familiär, ich habe ja noch relativ junge Kinder. Zum anderen wäre es auch für die CSU zumindest Neuland gewesen. Aber es ging immer um Verantwortung für unser Land. Ich habe das Projekt während der ganzen Zeit hinterfragt und abgewogen: Ist es der richtige Weg oder überfordert das nicht Bayern und die CSU? Umgekehrt hätte ich – und auch die CSU – mir vorgeworfen, wenn ich gekniffen hätte, einen Beitrag zu leisten, unser Land zu modernisieren.

    Wie modern ist denn die Union?

    Söder: Ich bin im Frühjahr 2018 Ministerpräsident geworden und sehr schnell mit der Realität konfrontiert worden. Es gab plötzlich über das Internet organisierte Großdemos gegen das Polizeiaufgabengesetz, die wir vorher nicht einmal erahnt haben. Wir hatten zudem eine Fehleinschätzung, was die AfD betrifft und wie sich umgekehrt die Gesellschaft in Bayern weiter entwickelt hat. Wir haben uns als CSU vorher zu lange mit uns selbst und weniger mit Land und Leuten beschäftigt. Deswegen spreche ich immer von einer politischen Nahtoderfahrung. Wir hatten zu Beginn ein Programm vorgelegt, das war CSU pur. Dann mussten wir aber erkennen, dass die Erwartungen der Bevölkerung andere sind und es nicht ausreicht, nur das Stammpublikum zu bedienen. Eine offene Gesellschaft mit viel Zuzug erwartet sich etwas anderes in einem modernen Bayern. Das haben wir verstanden und uns dann weiterentwickelt. Bayern ist eben ein bodenständiges, aber auch modernes Land.

    Und das alles muss die CDU erst noch lernen?

    Söder: Die Gesellschaft hat sich fundamental weiterentwickelt. Heute ist ein ökologischer Lebensstil doch selbstverständlich. Nachhaltige Lebensführung ist Teil der bayerischen Alltagskultur. In einer Kabinettssitzung essen heute mehr Kollegen lieber aus dem Wok als von einer Schlachtplatte – wobei ich beides mag (lacht). Und wenn wir über Zukunft reden, meinen wir Digitalisierung, Raumfahrt und Clean-Tech. Denn das ist die Zukunft.

    Sie wollen damit sagen, die CSU sei eine moderne Partei, die CDU nicht, oder?

    Söder: Wir sind auch noch in diesem Prozess, aber ein gutes Stück vorangekommen. Bayern hat es auch leichter – wir sind nur ein Bundesland. Die CDU hat es schwerer, zwischen Aachen und Aue gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Aber die Grundformel gilt überall: Die Union steht für einen starken Staat und eine moderne Gesellschaft in einer gesunden Welt.

    Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet, CSU-Chef Markus Söder: wenig Schonung zu erwarten?
    Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet, CSU-Chef Markus Söder: wenig Schonung zu erwarten? Foto: Gambarini, dpa

    Es muss doch für jemanden, der unbedingt gestalten will, unfassbar reizvoll sein, Kanzler zu werden. Wie tief hat Sie die Absage persönlich getroffen?

    Söder: Es war beides – Erleichterung und etwas Enttäuschung. Erleichterung darüber, dass es entschieden ist und man persönlich sicher freier ist. Ich habe die Risiken und Probleme von Anfang an gesehen. Aber das ist Schnee von gestern. Ich unterstütze Armin Laschet und werde mich als CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident weiter einbringen.

    Sie könnten doch in vier Jahren noch einmal antreten …

    Söder: So eine Situation ergibt sich historisch nur einmal. Ich bin Ministerpräsident und bleibe es, solange es die Menschen in Bayern wollen. Das ist zweifelsohne der schönere Job (lacht).

    Stichwort moderner: Kann es sein, dass Sie inzwischen nicht mehr ganz so viel Inspiration durch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz empfinden?

    Söder: Es ist wichtig, mit einem Nachbarn gut auszukommen. Ich habe ihn aber nie als Inspiration, sondern als Partner in der Zusammenarbeit betrachtet. Sie können aber Österreich nicht mit uns vergleichen. Es gibt viele Gemeinsamkeiten, aber auch große Unterschiede.

    Aber die Herangehensweise von Kurz, eine konservative Partei zu entstauben und eine politische Bewegung zu starten, die liegt Ihnen doch auch.

    Söder: Tony Blair hat damals "New Labour" als Motto ausgegeben und war erfolgreich. Dann hat Gerhard Schröder die SPD komplett verändert. Vorher hat Bill Clinton die angestaubten Demokraten reformiert. Immer wieder entwickeln sich Parteien und die Demokratie weiter. Wahlen gewinnt man nicht nur mit einem guten Programm, sondern wenn Parteien und Personen dem Trend der Zeit entsprechen. Das hat Sebastian Kurz auch verstanden. Ich kenne das Argument einiger, die sagen, man dürfe dem Mode- und Zeitgeist nicht hinterherrennen …

    …teilen Sie das nicht?

    Söder: Doch, natürlich. Wer hinterherläuft, ist bereits zu spät dran. Man muss das Gefühl der Zeit repräsentieren. Man muss in der Zeit sein oder ihr sogar voraus. Eine Partei wie die Union, die führen und die Nummer eins sein will, muss in und modern sein. Man darf auch nicht versuchen, die Menschen zu belehren, oder sich beklagen, wie schlimm die Zeiten sind. Die Bürger wollen Zuversicht und Optimismus. Ich bin ein sehr wissbegieriger und neugieriger Mensch und begeistere mich für die Zukunft und hadere nie mit dem Gestern. Am nächsten Tag kann alles besser werden. Gerade junge Menschen erwarten sich das. So versuchen wir auch, Bayern mit Optimismus auf das Morgen einzustellen. Wir sind ein Land der Zukunft.

    Wie sieht dieses Morgen aus?

    Söder: Einfacher wird die Welt nicht. Aber es gibt so viele Chancen. Wir entwickeln Bayern zu einem Kalifornien Deutschlands. Moderne Technik und Arbeitsplätze, eine gute Work-Life-Balance, Natur und Artenvielfalt sowie Tradition und Werte. Veränderung ist gut und manchmal sogar zwingend notwendig – auch in der CSU. Was gab es für eine Skepsis, als ich gesagt habe, die CSU muss jünger und weiblicher werden. Hat es in Augsburg mit Eva Weber und in Nürnberg mit Marcus König nicht gut funktioniert? Alles ist ein Prozess. Das war es immer. Nur stehen zu bleiben, bedeutet zurückzufallen. Das wusste schon Franz Josef Strauß: Konservativ sein heißt, an der Spitze des Fortschritts zu stehen. Auf diesem Weg wollen wir alle mitnehmen.

    Was würden Sie Armin Laschet raten, um die Stimmung zu drehen?

    Söder: Armin Laschet wird seine Vorschläge machen, wie er die CDU führen und die Kanzlerkandidatur angehen will – und wir werden ein gemeinsames Regierungsprogramm vorlegen. Die CSU wird das dann mit ein paar bayerischen Schmankerln und Besonderheiten ergänzen.

    Wird das dann wieder so eine Art "Bayernplan" wie bei der letzten Wahl?

    Söder: Natürlich gibt es spezielle Punkte, die der CSU besonders wichtig sind: die Förderung der Luft- und Raumfahrt, die innere Sicherheit, der Erhalt der bayerischen Landwirtschaft oder der Schutz des Alpenraums, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und wir werden uns besonders stark in der Familienpolitik einbringen.

    Wie muss man sich das dann vorstellen, sind Laschet und Sie dann gemeinsam auf den Wahlplakaten zu sehen?

    Söder: Das werden wir sehen. Aber am Ende kommt es natürlich auf den Kanzlerkandidaten an. Er wird für die Union die Wahl gewinnen. Wir werden ihn dabei zu 100 Prozent unterstützen.

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