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Interview: Buschmann wünscht sich Mut von der GroKo zur Einführung von E-Voting

Interview

Buschmann wünscht sich Mut von der GroKo zur Einführung von E-Voting

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    Marco Buschmann findet es wichtig, dass der Bundestag in Zukunft digitaler arbeitet.
    Marco Buschmann findet es wichtig, dass der Bundestag in Zukunft digitaler arbeitet. Foto: Christophe Gateau, dpa

    Herr Buschmann, ist E-Voting mit Blick auf die Coronakrise wieder Thema im Bundestag?

    Marco Buschmann: In Bezug auf Wahlcomputer im Wahllokal hat sich nichts geändert. Denn hier hat das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung getroffen, die diesen Weg versperrt. Das Problem ist, dass aus Sicht des Gerichts bei Wahlcomputern die Wahlergebnisse nicht zweifelsfrei nachgezählt werden können. Wir brauchen aber Wahlverfahren, die alle Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts erfüllen. Anders ist es bei Abstimmungen in der parlamentarischen Arbeit: Es gibt eine Arbeitsgruppe, die sich mit elektronischen Abstimmungsverfahren beschäftigt. Für die Teilnahme von Parlamentariern in Quarantäne aus der Ferne müsste man aber vermutlich das Grundgesetz ändern. Denn viele Verfassungsrechtler sagen, dass das Präsenzprinzip für Abstimmungen im Parlament gilt. Man muss also im Saal sein.

    Wie könnte ein Weg hin zu elektronischen Wahlen aussehen?

    Buschmann: Für Wahlcomputer gelten strenge Regelungen. Man müsste sich trauen, eine neue Rechtsgrundlage zu schaffen, die notfalls ausreichend früh durch das Bundesverfassungsgericht geprüft werden könnte. Das wird frühestens in der nächsten Legislaturperiode gelingen. Eine solche Wahlrechtsreform braucht Zeit und Mut, den ich bei der Großen Koalition nicht sehe.

    Wer macht sich für das Thema stark? Wer bremst eher?

    Buschmann: Wir machen uns für elektronische Abstimmungen im Parlament stark. Leider gibt es viel Skepsis. Dabei gibt es zum Beispiel in Frankreich solche Abstimmungen. Im Plenarsaal des Parlaments findet eine Echtzeitmessung der Stimmen statt. Das wäre im Bundestag leider nicht mehrheitsfähig. Da werden Sicherheitsbedenken angemeldet, die ich für falsch halte. Man könnte ein solches System über eine reine Intranetlösung einführen, die von außen kaum manipulierbar wäre. Wir bleiben am Thema elektronische Abstimmungen im Bundestag jedenfalls dran. Das hat einfach mit effizienter Arbeitsweise zu tun. Wir könnten uns etwa die extrem zeitaufwändigen Hammelsprünge sparen.

    Inwiefern ist der Hammelsprung so wichtig?

    Buschmann: Das Hammelsprungverfahren findet statt, wenn im Präsidium Zweifel über die Mehrheiten im Saal bei einer Abstimmung bestehen. Dann wird der ganze Saal geräumt.Die Abgeordneten betreten danach einzeln den Plenarsaal. Es gibt je eine Tür für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Die Abgeordneten bringen mit der Wahl ihres Eingangs ihr Votum zum Ausdruck und werden einzeln gezählt. Das dauert in etwa 45 Minuten. Das Verfahren wäre überflüssig, wenn es elektronische Abstimmungen gäbe. Die Regierungsfraktionen wollen das aber nicht. Denn sie haben immer mal wieder keine Mehrheit im Plenum, weil zu wenige ihrer Abgeordneten anwesend sind und mit abgestimmt haben. Der Hammelsprung bietet ihnen die Gelegenheit, ihre Mitglieder zusammenzutrommeln, damit die dann auch noch abstimmenund so eine andere Mehrheit zustande kommt.

    Warum kann Deutschland es Estland nicht so einfach gleichtun?

    Buschmann: Wir in der FDP-Fraktion sind große Fans von Estland. Die haben unfassbar tolle E-Government-Systeme. Davon muss sich Deutschland eine Scheibe abschneiden. Auch das Wahlrecht ist digitaler. Aber wir können als Partei in einem Rechtsstaat keine Politik gegen das Bundesverfassungsgericht machen. Elektronische Parlamentswahlen für die Bürger bleiben daher Zukunftsmusik.

    E-Voting: Sechs interessante Fakten

    E-Voting meint die elektronische Stimmabgabe am Wahlcomputer, per Smartphone oder am heimischen Computer via Internet.

    In Deutschland sind elektronische Wahlen bisher nicht möglich. Estland hingegen hat ein flächendeckendes E-Voting System etabliert. Weitere Länder führen Wahlen teilweise elektronisch durch, darunter: Frankreich, Norwegen, Schweiz, Australien, USA.

    2009 verbot das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil den Einsatz von Wahlcomputern in Deutschland. Die Begründung: Der Wahlvorgang sei nicht nachvollziehbar und damit die Öffentlichkeit der Wahl nicht gegeben.

    Ein Hauptproblem in der technischen Umsetzung ist die sichere Übermittlung und Speicherung der einzelnen Stimmen.

    Der Einsatz der Blockchain-Technologie für die Gestaltung elektronischer Wahlsysteme wird diskutiert. Eine Blockchain ist eine Reihung von Datensätzen, die fortgeschrieben wird. Man könnte Blockchains als eine Art schwarzes Brett benutzen. Wählerinnen und Wähler könnten selbst einsehen, ob ihre Stimme gezählt wurde.

    Die Sozialwahlen werden in Deutschland ab 2023 via Internet stattfinden. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik betreut die technische Umsetzung.

    Warum ist es so wichtig, dass der Bundestag digitaler wird?

    Buschmann: : Ich halte das für absolut notwendig. Das Parlament darf kein Museum werden. Moderne Arbeitsweisen sind doppelt wichtig. Zum einen bieten sie viele Effizienzvorteile. Zum anderen sind das die Arbeitsweisen, die die vielen Menschen in modernen Dienstleistungsjobs auch nutzen. Steinzeitmethoden im Parlament untergraben das Ansehen des Bundestages. Moderne Technik hilft ebenso dabei, transparenter zu werden. Es ist vorteilhaft, wie schnell man Experten über eine Video-Konferenz erreicht. Sie müssen nicht mehr umständlich anreisen, sondern werden mal eben zugeschaltet.

    Die Ausweitung von Partizipationskanälen wäre wichtig. Der Petitionsausschuss beispielsweise arbeitet noch wie früher. Eine App wäre hilfreich, die den Petenten darüber Auskunft gibt, was mit ihrer Petition gerade los ist. Auch Gesetzgebungsverfahren können transparenter werden. Vorstellbar wären etwa Wikis, um Bürgern zu ermöglichen, Verbesserungsvorschläge und Ideen einzubringen und direkt in einen Gesetzentwurf als Änderungsvorschlag hineinzuschreiben oder gezielt einzelne Passagen zu kommentieren. Die Ersteller könnten dann erkennen, wo die meisten Probleme liegen und die Kreativität und das in der Gesellschaft verstreute Wissen nutzen. Wir müssen Wege finden, die Weisheit der Vielen zu nutzen.

    Zur Person: Marco Buschmann ist Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag. Er studierte Rechtswissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn und promovierte zum Dr. jur. an der Universität zu Köln. 1994 trat er in die FDP ein.

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