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Influenza: Kritik an Minister Spahn wegen Mangel an Grippe-Impfstoff wächst

Influenza

Kritik an Minister Spahn wegen Mangel an Grippe-Impfstoff wächst

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    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn - hier bei der Grippeimpfung 2019 - steht wegen des Grippe-Impfstoff-Mangels in der Kritik.
    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn - hier bei der Grippeimpfung 2019 - steht wegen des Grippe-Impfstoff-Mangels in der Kritik. Foto: Christoph Soeder, dpa (Archiv)

    Die Hoffnung auf eine entscheidende Waffe gegen das Coronavirus wächst: Der Pharmariese Pfizer will nach vielversprechenden Studienergebnissen schon nächste Woche die Zulassung für einen Impfstoff beantragen. Die Nachricht platzte mitten in die Vorbereitungen der nationalen Impfstrategie: Der Deutsche Ethikrat, die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina und die am Robert Koch-Institut angesiedelte Ständige Impfkommission legten nun dafür ein Konzept vor, mit der Deutschland ein Impfchaos vermeiden will, wie es derzeit vielerorts bei der Grippeimpfung herrscht.

    Sollte einer der derzeit vielfach entwickelten Corona-Impfstoffe in Deutschland zugelassen sein, sollen zunächst Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen sowie Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen bevorzugt geimpft werden. Ebenso sollen Menschen in wichtigen Funktionen die anfangs wohl knappen Dosen zuerst bekommen: So etwa Mitarbeiter von Gesundheitsämtern und Sicherheitsbehörden, Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und Erzieher. Bei den Risikogruppen dürften vor allem Bewohner von Senioren- und Altenheimen so früh wie möglich geimpft werden, weil hier mehrere Risikofaktoren wie Alter, Vorerkrankungen, aber auch Kontakte zu Personal und Mitbewohnern zusammenkommen.

    Impfzentren sollen gegen Versorgungsprobleme helfen

    Ein wesentlicher Punkt der Impfstrategie wird möglicherweise, die Impfungen für die breite Bevölkerung nicht über Hausärzte und Apotheken laufen zu lassen, sondern über spezielle Impfzentren. Wie wichtig eine bundesweit koordinierte Impfung sein könnte, zeigt sich derzeit bei der Grippeimpfung: Angesichts des Mangels an Impfdosen in vielen Gegenden Deutschland wächst die Kritik an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

    „Dass derzeit der Impfstoff in einigen Regionen Mangelware ist, wirft kein gutes Licht auf die Bundesregierung“ sagt die FDP-Gesundheitsexpertin Aschenberg-Dugnus. „Es kann nicht sein, dass manche Orte mehr als genug Impfstoffe vorrätig haben, während andere Orte nicht genügend vorfinden“, kritisiert sie. „Die Impfstoffengpässe in manchen Bundesgebieten sind äußerst bedauerlich.“ Die FDP-Politikerin wirft CDU-Minister Spahn mangelnde Weitsicht bei der Organisation vor. „Das Gesundheitsministerium hätte zu Beginn der Grippesaison ein solches Problem erkennen und mit einer Informationsstrategie entgegenwirken müssen“, sagt Aschenberg-Dugnus.

    Stiftung Patientenschutz kritisiert Spahns Strategie

    Auch die Stiftung Patientenschutz kritisiert den Gesundheitsminister: „Jahrzehntelang war klar, dass sich zunächst die Menschen der Risikogruppe oder mit speziellen Berufen impfen lassen sollten, doch Jens Spahn und viele Gesundheitsminister der Länder propagierten schon im Sommer die Grippeimpfung für jedermann“, sagt Vorstand Eugen Brysch. „Diese Strategie war ein schwerer Fehler“, betont er. „Jetzt steckt Deutschland in der Sackgasse, denn der Impfstoff ist knapp.“ Brysch warnt davor, dass der Impfstoff ausgerechnet dann ausgehen könnte, wenn der Höhepunkt der Grippewelle erreicht wird: „Ob tatsächlich noch im Januar oder Februar geimpft werden kann, ist mehr als fraglich, denn es kann kein Serum mehr nachgeordert werden.“

    Die Grünen-Infektionsschutzexpertin Kordula Schulz-Asche hofft, dass die 26 Millionen Impfdosen ausreichen: „Es ist erst einmal sehr erfreulich, dass die Impfbereitschaft in der Bevölkerung so hoch ist, dass sehr viel mehr Impfstoffdosen als in den vergangenen Jahren verimpft werden konnten“, sagt die Bundestagsabgeordnete. „Wir erleben derzeit aber eher ein Verteilungsproblem als einen finalen Lieferengpass, denn laut Paul-Ehrlich-Institut sind immer noch mehr als drei Millionen Impfstoffdosen verfügbar, die jedoch erst nach und nach in den Praxen ankommen werden.“

    Ärzte werden von Nachfrage nach Grippeimpfung überrollt

    Allerdings wurden die Ärzte vielerorts von der starken Nachfrage überrollt: „Viele Hausärztinnen und Hausärzte berichten uns in diesem Herbst von einer sehr frühen und hohen Nachfrage seitens der Patientinnen und Patienten“, sagt der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt unserer Redaktion. „Die Versorgungslage mit Grippeimpfstoffen ist regional sehr unterschiedlich“, betont er. „Einige Praxen, bei denen es im Oktober, also bereits zu Beginn der Impfsaison, zu ersten Engpässen kam, haben mittlerweile die nächste Charge erhalten. Es gibt aber auch Praxen, die händeringend auf Nachschub warten.“

    Die hohe Nachfrage sei eine klare Folge der Corona-Pandemie und auch der öffentlichen Impfaufrufe, wie von Gesundheitsminister Spahn: „Wenn laut zum Impfen aufgerufen wird, dann darf es nicht zu langen Wartezeiten auf die nächste Charge kommen“, betont der Hausärzte-Präsident. „Das führt verständlicherweise zu großer Verunsicherung und Frustration bei den Patientinnen und Patienten, die sich teilweise in den Praxen ablädt.“

    Der Hausärztechef fordert deshalb Konsequenzen für die Zukunft: „Es braucht künftig genügend Impfstoffdosen wie auch eine funktionierende Logistik“, betont er. Zudem dürfe das finanzielle Risiko bei der Mengenbestellung an Impfstoff nicht auf die Ärzte abgewälzt werden: „Es kann doch nicht sein, dass die Kolleginnen und Kollegen möglichst viel bestellen sollen und am Ende fürchten müssen, auf den Kosten sitzen zu bleiben!“ Grundsätzlich sei der Ansturm auf die Grippeimpfung aber positiv: „Das ist eine erfreuliche Tendenz – eine möglichst breite Impfung gegen Influenza sollte im Interesse aller sein“, sagt Weigeldt.

    Apotheken fordern Staatsreserve an Impfdosen

    Auch die Apotheken fordern Konsequenzen. „Um die akut auftretenden Engpässe in Zukunft besser vermeiden zu können, wäre es wünschenswert, auch für die nächste Impfsaison wieder eine Staatsreserve anzulegen“, sagt Reiner Kern, Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

    Wichtig sei es, dass Ärzte ohne finanzielle Konsequenzen ihren Bedarf offensiver einschätzen könnten. „Das wirtschaftliche Risiko für nicht verbrauchte Dosen sollte nicht bei Ärzten und Apotheken, sondern bei den Krankenkassen liegen.“

    Auch die Apotheken verzeichnen vielerorts eine angespannte Lage: „Es gibt keinen bundesweiten Versorgungsengpass, aber es gibt doch im Moment häufig lokale Lieferengpässe“, erklärt Apothekenverbandssprecher Kern. Allerdings kämen im Laufe der aktuellen Grippesaison noch mehrere Millionen Impfdosen auf den Markt. „Der Impfstoff ist nicht alle“, betont Kern. „Das Paul-Ehrlich-Institut prüft jede Woche etwa ein bis zwei Millionen Impfdosen und gibt sie frei – erst danach können sie vom Hersteller über den Großhandel zu den Apotheken, Ärzten und Patienten gelangen.“

    Die Industrie brauche bei konventionellen Verfahren etwa sechs Monate, um die gemeldete Impfstoffmenge herzustellen, deswegen könne im Sommer oder Herbst nicht einfach nachbestellt und nachproduziert werden. „Deshalb sollten auch innovative Herstellungsmethoden mit kürzerer Produktionszeit für Impfstoffe gefördert werden“, sagt der Apothekenverbandssprecher. „Wenn in dieser Impfsaison tatsächlich 26 Millionen Menschen gegen Grippe geimpft werden, wäre das ein riesiger Erfolg und neuer Rekord“, betont Kern. „Zum Vergleich: Im Vorjahr wurden nur etwa 14 Millionen gesetzlich versicherte Menschen geimpft.“

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