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Krim-Krise: Europa zündet die nächste Sanktions-Stufe

Krim-Krise

Europa zündet die nächste Sanktions-Stufe

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    Einig: Angela Merkel mit Donald Tusk in Warschau.
    Einig: Angela Merkel mit Donald Tusk in Warschau. Foto: Janek Skarzynski, afp

    Die 28 EU-Staaten sind fest entschlossen, spätestens am Montag nach dem Referendum auf der Krim verschärfte Sanktionen gegen Russland in Kraft zu setzen. In Brüssel stellten die Unterhändler der Regierungen und der Kommission am Mittwoch die Liste der Strafmaßnahmen fertig.

    Das siebenseitige Dokument listete detailliert Art und Umfang der Kontensperrungen sowie der Reiseverbote auf. Demnach sollen neben Guthaben bei Banken auch weitere wirtschaftliche Ressourcen der Betroffenen eingefroren werden. Neben der Einreise in die EU wollen die Regierungen auch die Durchreise untersagen.

    Sanktionen: Putin bleibt verschont

    Noch ist allerdings unklar, gegen wen sich die Sanktionen richten. Im Gespräch sind 19 Spitzenfunktionäre aus Politik und Militär. Dabei handelt es sich dem Vernehmen nach um Verantwortliche für den massiven Druck Moskaus auf die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim.

    Präsident Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow werden allerdings ausgenommen, um die weiteren diplomatischen Bemühungen nicht zu erschweren. Das Vorgehen entspricht dem Drei-Phasen-Plan, den die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Sondertreffen in der vergangene Woche abgesegnet haben.

    Auch Barroso meldet sich zu Wort

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in Warschau auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, wenn es auf der russischen Seite „keine Änderungen“ gebe, wovon derzeit „leider“ auszugehen sei, müsse die „Stufe zwei“ der Sanktionen umgesetzt werden. Tusk kündigte an, der erste Teil des Assoziierungsabkommens der Europäischen Union mit der Ukraine solle bereits kommende Woche unterzeichnet werden.

    Hintergrund: Machtkampf in der Ukraine

    In der Ukraine stehen sich im Grunde zwei Lager gegenüber. Das Land ist gespalten in einen Teil, der sich eine stärkere Annäherung an die Europäische Union wünscht und einen Teil, der sich eher an Russland orientieren möchte.

    Ein EU-Beitritt würde sehr wahrscheinlich eine Demokratisierung der Ukraine bedeuten. Die EU würde gerne eine Freihandelszone zwischen ihr und der Ukraine errichten. Gleichzeitig arbeitet die Ukraine eng mit Russland und anderen östlichen Staaten zusammen - sie ist wirtschaftlich von Russland abhängig. Ein Abkommen mit der EU hätte negative Folgen für diese Zusammenarbeit.

    Die russland-treue Gruppe wird angeführt von der Regierung um Viktor Janukowitsch. Janukowitsch ist seit 2010 Präsident der Ukraine. Er war bereits von 2002 bis 2005 und 2006 bis 2007 ukrainischer Ministerpräsident. 2004 entzündete sich an seiner Person und seiner autokratischen Amtsführung bereits die Orangene Revolution. In deren Folge kam Janukowitsch zu Fall, bis ihm 2010 die Rückkehr an die Macht gelang.

    Gegen Präsident Janukowitsch und seine Regierung kämpfen vor allem drei Oppositionsparteien. Nicht alle Demonstranten fühlen sich allerdings von der Opposition vertreten. Ihre Führer ständen dem Etablishment schon zu nahe, so die Kritik. Gleichzeitig sind die Oppositionsgruppen untereinander uneinig und die Demonstranten zunehmend radikalisiert. Zu den Kernforderungen der Opposition gehören eine Beschneidung der Macht des Präsidenten sowie Neuwahlen.

    Zum einen ist da die pro-europäische Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen (Udar). Sie wird von Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko angeführt. "Udar" bedeutet auch "Faustschlag". Klitschko hat angekündigt, Präsident werden zu wollen. Auf dem Maidan ist er jedoch nur eine von vielen Führungsfiguren.

    Eine weitere Oppositionspartei ist die Vaterlandspartei. Zur ihr gehört unter anderem die inhaftierte Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. Angeführt wird die Partei vom ehemaligen Wirtschafts- und Außenminister Arseni Jazenjuk.

    Zur Opposition zählt weiter die rechtsnationale Swoboda-Partei von Oleg Tiagnibok. Der Chirurg bezeichnet seine Anhänger und sich oft als "Sondereinheit fürs Grobe". Er ist auch schon durch antisemitische Äußerungen aufgefallen.

    Zentraler Protestpalast der ukrainischen Demonstranten ist der Maidan. Auf dem Unabhängigkeitsplatz in der Hauptstadt Kiew campieren seit Monaten Regierungsgegner. Hier kam es zuletzt zu schweren Ausschreitungen zwischen Regierung und Opposition mit zahlreichen Toten und Verletzten. Der Maidan gibt den Protesten auch ihren Namen: Euromaidan.

    Die Proteste entzündeten sich, als Präsident Janukowitsch am 21. November 2013 ein Assoziierungsabkommen mit der EU überraschend auf Eis legte. Pro-westlich gestimmte Ukrainer sahen darin eine Abkehr von der EU und eine neue Hinwendung hin zu Russland. In der Folge sicherte Russlands Präsident Putin Janukowitsch einen Milliarden-Kredit zu.

    Anfang Dezember 2013 forderten Hunderttausende erstmals den Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch sowie Neuwahlen.

    Am 19. Januar 2014 versuchten Hunderte Demonstranten, das Parlamentsgebäude zu stürmen. 200 Menschen wurden verletzt. Klitschko warnte vor einem Bürgerkrieg. Drei Tage später starben bei Zusammenstößen mindestens drei Demonstranten. Die Proteste weiteten sich auf die Regionen aus.

    Ende Januar 2014 einigten sich Opposition und Regierung auf die Abschaffung umstrittener Gesetze und eine Amnestie für Demonstranten. Regierungschef Asarow trat zurück. Putin legte den zugesagten Kredit auf Eis.

    Am 18. Februar 2014 und in den Tagen danach eskalierte die Lage auf dem Maidan. Es kam zu neuen Straßenschlachten mit Toten und Verletzten. Auf den Dächern standen Scharfschützen. EU-Politiker versuchten, zu vermitteln.

    Am 21. Februar 2014 verkündete Präsident Janukowitsch, die für 2015 geplanten Präsidentschaftswahlen vorziehen zu wollen. Ein Datum nannte er allerdings nicht. Außerdem wolle er eine "Regierung der nationalen Einheit" bilden.

    Am 22. Februar 2014 erklärte das ukrainische Parlament Janukowitsch für abgesetzt und legte den 25. Mai als Termin für Neuwahlen fest. Zudem wurde Ex-Regierungschefin Timoschenko freigelassen. Am 23. Februar 2014 wählte das Parlament Parlamentspräsident Alexander Turtschinow zum Übergangspräsidenten. Er gilt als Vertrauter von Timoschenko.

    Nach seiner Absetzung wurde am 24. Februar 2014 gegen Janukowitsch Haftbefehl wegen Massenmords erlassen. Der Ex-Präsident tauchte unter. Bürger durchstöberten derweil sein Anwesen und fanden allerhand Absonderliches, beispielsweise einen Privatzoo.

    Kommissionschef José Manuel Barroso stockte parallel dazu das Hilfsangebot der EU für die Ukraine auf. Nur einen Tag, nachdem man Kiew Zollerleichterungen für Unternehmen in Höhe von 500 Millionen Euro schon ab Juni in Aussicht gestellt hatte, legte Barroso vor dem Europäischen Parlament nach.

    „Ich kann mitteilen, dass die Kommission nächste Woche am 19. März vorschlagen wird, eine weitere Milliarde Euro als makroökonomische Unterstützung bereitzustellen.“ Diese Summe ist eine konkrete Solidaritätszusage, der Ukraine bei ihren kurzfristigen Problemen zu helfen.

    Angst vor Folgen des Krim-Referendums

    Gleichzeitig erneute er das Gesprächsangebot an den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er müsse das für Sonntag geplante Referendum über eine Abtrennung der Krim von der Ukraine stoppen. „Jede weitere Verschlechterung der Situation könnte zu weitreichenden Konsequenzen führen, was hoffentlich vermieden werden kann.“

    Streitthemen zwischen Russland und dem Westen

    Verletzung von Menschenrechten, demokratische Defizite: Der Konflikt in der Ukraine ist nicht der einzige Zankapfel zwischen Russland und dem Westen.

    SYRIEN: Präsident Wladimir Putin dringt auf eine Politik ohne Einmischung in fremde Belange. Diese Haltung führt zu Streit zwischen Russland und dem Westen im Syrien-Konflikt. Putin lehnt eine einseitige Unterstützung der Opposition ab. Aber der Westen ist auf Moskau angewiesen, um Druck auf den syrischen Machthaber Baschar al-Assad auszuüben.

    RAKETENABWEHR: Der Streit über die geplante Nato-Raketenabwehr in Europa schwelt seit vielen Jahren. Russland ist dagegen, weil es eine Gefahr für die eigenen strategischen Atomwaffen sieht.

    Ende 2013 hatte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen gesagt, das System richte sich «in keiner Weise gegen Russland». Er reagierte auf eine Drohung, in der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad im Baltikum Raketen zu stationieren. Moskau fordert aber schriftliche Garantien.

    SNOWDEN: Wegen des russischen Asyls für den früheren amerikanischen Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden gerieten US-Präsident Barack Obama und Kremlchef Wladimir Putin aneinander. Obama hatte deshalb vor dem G20-Gipfel in St. Petersburg im September 2013 ein Treffen mit Putin abgesagt. Die USA wollen Snowden wegen Geheimnisverrats vor Gericht stellen. Er hatte die weitreichenden Abhöraktionen des US-Geheimdienstes NSA enthüllt.

    GEFANGENE: Michail Chodorkowski oder die Frauen von Pussy Riot - diese kürzlich freigelassenen Gefangenen hatte Amnesty International als politisch Verfolgte anerkannt. Doch Moskau weist den Vorwurf von sich, dass Menschen wegen ihrer politischen Überzeugungen inhaftiert werden und verweist seinerseits auf das umstrittene Lager Guantánamo.

    HOMOSEXUELLE: Wer gegen das Verbot von «Homosexuellen-Propaganda» verstößt und im Beisein von Minderjährigen positiv über Homo-, Bi- oder Transsexualität spricht, muss mit saftigen Geldstrafen rechnen. Kritik und Empörung kommt von vielen Seiten, unter anderem von US-Präsident Barack Obama und der Bundesrepublik. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warnte bei den Olympischen Winterspielen vor Homophobie.

    MENSCHENRECHTE: Auch auf anderen Feldern beklagen Bürgerrechtler und westliche Politiker die Verletzung von Menschenrechten. So sind Morde an Bürgerrechtlern nicht aufgeklärt. Auch die Arbeit als kritischer Journalist kann lebensgefährlich sein - Anna Politkowskaja etwa wurde 2006 in Moskau erschossen. Sie hatte über Kriegsverbrechen in Tschetschenien berichtet.

    MENSCHENRECHTE: Im vergangenen Jahr sorgten Razzien gegen Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen für Empörung. Im Streit über Menschenrechte verweist Moskau oft darauf, dass Russland etwa die Todesstrafe nicht vollstrecke, im Unterschied zu anderen Staaten.

    Das Europäische Parlament stellte sich am Mittwoch hinter die Mitgliedstaaten und die EU-Spitze. Nahezu einstimmig lehnten die Parlamentarier das geplante Referendum als nicht legitim ab. Rebecca Harms, Chefin der Grünen-Fraktion, warnte Russland davor, sich selbst zu isolieren.

    US-Präsident Barack Obama hat dem ukrainischen Regierungschef Arseni Jazenjuk bei einem Empfang im Weißen Haus seine Unterstützung in der Krim-Krise zugesichert. Der russische Militäreinsatz auf der ukrainischen Halbinsel verletze internationales Recht und werde seinen „Preis“ haben, warnte Obama am Mittwoch in Washington. Zugleich drückte er die Hoffnung aus, dass die diplomatischen Bemühungen Moskau dazu bewegen, das geplante Referendum auf der Krim zu „überdenken“. (mit dpa)

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