Mit den Diskussionen über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Rundfunkbeitrag ist es wie mit dem Wasser-Topf auf dem Induktionsherd. Wenn man die Taste mit der Schnellkochfunktion drückt, brodelt es binnen Sekunden.
Am Mittwoch hat das Bundesverfassungsgericht auf diese Taste gedrückt. Es hat den Rundfunkbeitrag prinzipiell für verfassungsgemäß erklärt. Ein Skandal für dessen Gegner, die in ihm eine „Zwangsabgabe“ und „Abzocke“ sehen. Manche von ihnen hatten erwartet, dass das höchste deutsche Gericht den Beitrag kippt. Eine Erwartung, die enttäuscht werden musste, blickt man auf vorangegangene Urteile von Bundesverwaltungsgericht und Verwaltungsgerichten. Die Debatte über den Beitrag geht also in eine neue Runde.
Zuschauer und Zuhörer müssen einen klaren Nutzen für sich erkennen können
Dabei wäre es nach diesem höchstrichterlichen Urteil nun wichtiger, sich weniger über die Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio zu streiten – sondern ernsthaft über deren Aufgaben und gesetzlichen Auftrag zu diskutieren. Was sollen sie wie leisten? Auf wie vielen Kanälen? Erst davon ausgehend dann: Wie hoch muss eine „funktionsgerechte Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, so das Juristen-Deutsch, sein? Welchen öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht Deutschland überhaupt?
Gewiss keinen, der den Privatsendern zum Verwechseln ähnelt, trotz seiner Beitrags-Milliarden hohe Werbeeinnahmen erzielt, für Sportrechte Unsummen hinblättert oder in Spartenkanälen die Erfolgsserien vergangener Jahrzehnte versendet. Es gibt viel zu diskutieren, und das breit und öffentlich. Denn nur wenn Zuschauer und Zuhörer einen klaren Nutzen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für sich erkennen, hat er eine Zukunft.
ARD und ZDF müssen immer wieder beweisen, dass sie 17,50 Euro im Monat wert sind
Bisherige Urteile zum Rundfunkbeitrag
Der Rundfunkbeitrag hat die Gerichte schon oft beschäftigt. Er wird seit 2013 pro Wohnung und nicht mehr nach Art und Zahl der Geräte erhoben. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts sowie von Landesverfassungsgerichten:
Private Haushalte: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied im März 2016, der Rundfunkbeitrag für private Haushalte sei nicht zu beanstanden. Die Kläger hielten es für ungerecht und verfassungswidrig, dass sie den Beitrag zahlen müssen, obwohl sie gar kein Rundfunkgerät oder nur ein Radio besitzen.
Hotelzimmer: Anders als bei Privatwohnungen darf der Rundfunkbeitrag für Hotel- und Gästezimmer sowie Ferienwohnungen nur erhoben werden, wenn darin auch eine Empfangsmöglichkeit vorhanden ist. Das entschieden die obersten Verwaltungsrichter im September 2017. Geklagt hatte die Betreiberin eines Hostels in Neu-Ulm, die den allgemeinen Beitrag für Betriebsstätten zahlt und auch noch für jedes ihrer Gästezimmer einen Drittel-Beitrag zahlen sollte.
Unternehmen: Im Dezember 2016 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit des Rundfunkbeitrags für Unternehmen. Sie wies damit Klagen des Autovermieters Sixt und des Discounters Netto zurück. Diese hatten sich dagegen gewandt, dass der Beitrag nach der Anzahl von Betriebsstätten, Beschäftigten und Firmenfahrzeugen bemessen wird. Unternehmen mit vielen Filialen würden klar benachteiligt.
Bereits im Mai 2014 waren Unternehmen mit entsprechenden Klagen vor dem Bayerische Verfassungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz gescheitert.
Noch wird seine Existenz nicht grundsätzlich infrage gestellt. Bei aller heftigen, teils überaus berechtigten Kritik erreicht er in Umfragen hohe Akzeptanzwerte. Er gilt als sehr vertrauenswürdig – wie übrigens die Tageszeitungen auch. Zuletzt ergab etwa eine Studie, dass besonders die Infokanäle der ARD-Radiosender ihre Reichweiten steigern konnten. Was nahelegt, dass sie in Zeiten grassierender Fake News im Internet als seriöse Nachrichtenquellen von großer Bedeutung sind. Sie erfüllen eine wichtige Funktion für die Demokratie. ARD, ZDF und Deutschlandradio sind, alles in allem, akzeptiert. Ganz im Gegensatz zum Rundfunkbeitrag und seinem Vorläufer, der Rundfunkgebühr.
Die Gebühreneinzugszentrale GEZ hatte das Image einer Drückerkolonne. Nach der Umstellung 2013 auf den Rundfunkbeitrag wurde das Finanzierungsmodell noch massiver kritisiert: Es könne doch nicht sein, dass jeder Haushalt zahlen muss; selbst einer, in dem es kein Empfangsgerät gibt. Das Bundesverfassungsgericht sieht das anders: Jeder habe schließlich – potenziell – einen Nutzen vom Programmangebot. Er bekomme eine öffentliche Gegenleistung, die „allein über den freien Markt nicht gewährleistet werden“ könne.
Die Öffentlich-Rechtlichen müssen genau das Tag für Tag unter Beweis stellen. Sie müssen ihre Nutzer davon überzeugen, dass sie 17,50 Euro pro Monat wert sind. Das Bundesverfassungsgericht hat sie gestärkt. Gleichwohl erinnerte es sie unmissverständlich an ihre Kernaufgabe – „durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken“. Das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl. Das Finanzierungsmodell mag nicht zu beanstanden sein – was ARD und ZDF mit einem Teil ihrer Milliarden machen, dagegen sehr wohl.
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