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Kommentar: Was uns die Corona-Krise für die Klimapolitik lehren kann

Kommentar

Was uns die Corona-Krise für die Klimapolitik lehren kann

Margit Hufnagel
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    Das Ziel ist klar: Nach den Plänen der Bundesregierung soll Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden. Noch unklar ist, wie das Ziel erreicht werden soll.
    Das Ziel ist klar: Nach den Plänen der Bundesregierung soll Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden. Noch unklar ist, wie das Ziel erreicht werden soll. Foto: Patrick Pleul, dpa (Symbolbild)

    Die Hektik ist deutlich zu spüren in diesen Tagen. Plötzlich soll alles, was über Jahre liegen geblieben ist, nachgeholt werden. Hehre Umweltziele, entschiedene CO2-Reduzierung, Klimaneutralität. Möglich macht das allerdings weniger die Erkenntnis, dass die Klimapolitik der Bundesregierung in den vergangenen Jahren eher halbherzig war, sondern vielmehr der Druck aus den Umfragen. Die Grünen ziehen an der Union vorbei und geben der sonst so selbstbewussten Machtpartei eine Ahnung davon, dass sie die nächsten Jahre auf der Oppositionsbank verbringen könnte. Das treibt an.

    Die Strategie, die hinter den Versprechen von Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Markus Söder steckt, ist freilich leicht zu durchschauen: Besser selbst das Thema besetzen, damit die Wähler gar keinen Grund haben, für die Grünen zu stimmen. Ob dies aufgeht, wird sich zeigen. Denn der Union fehlt auf diesem Feld vor allem eines: Glaubwürdigkeit.

    Die Corona-Pandemie hat die Welt zu einer Vollbremsung gezwungen

    Nur durch das Coronavirus, das die Welt zu einer regelrechten Vollbremsung gezwungen hat, ist es Deutschland überhaupt gelungen, die eigenen Klimaziele im Jahr 2020 doch noch knapp zu erreichen. Wenn die Wirtschaft aber wieder anzieht und womöglich sogar Nachholeffekte entstehen, braucht es konkrete Schritte – und Mut. Doch auch den könnte ausgerechnet die Corona-Krise stärken. Denn in den vergangenen Monaten hat sich mehr als eindringlich gezeigt, wie fatal es ist, wenn die Politik Problemen hinterherrennt, anstatt vorauszuschauen. Als der damalige Innenminister Thomas de Maizière vor einigen Jahren empfahl, sich auf nationale Krisen vorzubereiten, erntete er Gelächter und wurde als Angstmacher beschimpft. Ähnlich ging es lange es jenen, die vor den massiven Folgen des Klimawandels warnen und doch ein „weiter so“ beobachten mussten.

    Chronologie der Corona-Pandemie in Deutschland

    Im Januar 2020 ist die erste Corona-Infektion in Deutschland bekannt geworden. Ein Rückblick:

    27. Januar: Erste bestätigte Infektion in Deutschland. Zwei Wochen später ist der Mann aus Bayern wieder gesund.

    25./26. Februar: Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen melden erste nachgewiesene Fälle. Weitere Bundesländer folgen, am 10. März hat Sachsen-Anhalt als letztes Land seinen ersten Fall.

    9. März: In NRW gibt es die ersten Todesfälle innerhalb Deutschlands. Die Zahl der Infektionen steigt bundesweit auf mehr als 1000.

    12./13. März: Immer mehr Theater und Konzerthäuser stellen den Spielbetrieb ein. Die Fußball-Bundesliga pausiert.

    16. März: An den Grenzen zu Frankreich, Österreich, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz gibt es Kontrollen und Einreiseverbote. In den meisten Bundesländern sind Schulen und Kitas geschlossen.

    17. März: Mehrere Konzerne kündigen an, ihre Fabriken vorübergehend zu schließen.

    22. März: Verbot von Ansammlungen von mehr als zwei Menschen. Ausgenommen sind Angehörige, die im eigenen Haushalt leben. Cafés, Kneipen, Restaurants, aber auch Friseure zum Beispiel schließen.

    15. April: Auf eine schrittweise Aufnahme des Schulbetriebs ab 4. Mai verständigen sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchefs.

    20. April: Geschäfte unter 800 Quadratmetern Fläche dürfen wieder öffnen. Als erstes Bundesland führt Sachsen die Maskenpflicht für ÖPNV und Einzelhandel ein. Alle anderen ziehen nach.

    22. April: Für Firmen, Arbeitnehmer und Gastronomie werden milliardenschwere Hilfen beschlossen.

    6. Mai: Die Länder bekommen weitgehende Verantwortung für die Lockerung von Beschränkungen - etwa für Hotels, Gastronomie, Fahrschulen, Schwimmbäder und Fitnessstudios.

    16. Mai: Sachsen-Anhalt registriert als erstes Bundesland seit Ausbruch der Pandemie keine Neuinfektionen im Vergleich zum Vortag. Die Fußball-Bundesliga legt wieder los - ohne Fans in den Stadien.

    16. Juni: Im Kampf gegen das Virus geht eine staatliche Warn-App an den Start. Sie soll dabei helfen, Infektionen nachzuverfolgen. 

    29. August: Etwa 40.000 Menschen protestieren in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen. Demonstranten durchbrechen die Absperrung vor dem Reichstag und stürmen auf die Treppe.

    30. September: Angesichts wieder steigender Infektionszahlen fordert die Kanzlerin zum Durchhalten auf. "Wir riskieren gerade alles, was wir in den letzten Monaten erreicht haben", sagt Merkel im Bundestag.

    7./8. Oktober: Die Bundesländer beschließen ein Beherbergungsverbot für Urlauber aus inländischen Risikogebieten. 

    22. Oktober: Die Zahl der Neuinfektionen binnen eines Tages hat erstmals den Wert von 10.000 überschritten. Das Robert Koch-Institut (RKI) macht vor allem private Treffen dafür verantwortlich.

    2. November: Ein Teil-Lockdown mit Einschränkungen bei Kontakten und Freizeitaktivitäten soll die zweite Infektionswelle brechen.

    9. November: Als erste westliche Hersteller veröffentlichen Biontech und der US-Pharmakonzern Pfizer vielversprechende Ergebnisse einer für die Zulassung ihres Corona-Impfstoffs entscheidenden Studie.

    18. November: Unter dem Protest Tausender in Berlin machen Bundestag und Bundesrat den Weg für Änderungen im Infektionsschutzgesetz frei.

    25. November: Die Beschränkungen für persönliche Kontakte werden für weitere Wochen verschärft. Darauf verständigen sich Bund und Länder.

    27. November: Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen in Deutschland hat nach RKI-Daten die Millionenmarke überschritten. 

    2. Dezember: Als erstes Land der Welt erteilt Großbritannien dem Impfstoff von Biontech und Pfizer eine Notfallzulassung und startet seine Impfkampagne wenige Tage später. 

    16. Dezember: Der seit November geltende Teil-Lockdown reicht nicht aus. Der Einzelhandel muss mit wenigen Ausnahmen schließen.

    18. Dezember: Die Zahl der binnen eines Tages gemeldeten Infektionen in Deutschland ist erstmals auf mehr als 30.000 gestiegen.

    21. Dezember: Zum Schutz vor einer infektiöseren Virus-Variante dürfen keine Passagierflugzeuge aus Großbritannien mehr in Deutschland landen. Der Corona-Impfstoff von Biontech erhält von Brüssel die bedingte Marktzulassung. Somit können die Impfungen in der EU beginnen. Am 6. Januar wird auch der von Moderna zugelassen.

    24. Dezember: Heiligabend im Zeichen der Pandemie. Familienfeiern sollen klein bleiben, Christmetten wenn überhaupt nur auf Abstand stattfinden. Zudem wird die in Großbritannien aufgetretene Variante des Coronavirus erstmals auch in Deutschland nachgewiesen.

    26. Dezember: Einen Tag vor dem offiziellen Impfstart werden in einem Seniorenzentrum in Sachsen-Anhalt eine 101 Jahre alte Frau und etwa 40 weitere Bewohner geimpft. 

    27. Dezember: In allen Bundesländern beginnen die Impfungen. Zuerst sollen Menschen über 80, Pflegeheimbewohner sowie Pflegekräfte und besonders gefährdetes Krankenhauspersonal immunisiert werden.

    1. Januar 2021: Deutschland kommt vergleichsweise ruhig ins neue Jahr. Der Verkauf von Silvesterfeuerwerk war verboten. 

    14. Januar: Das Statistische Bundesamt schätzt, dass die deutsche Wirtschaftsleistung 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 5,0 Prozent eingebrochen ist.

    15. Januar: Mehr als zwei Millionen Corona-Fälle sind hierzulande bekannt geworden, knapp 45.000 Menschen sind an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Sars-CoV-2-Infektion gestorben.

    19. Januar: Bund und Länder verlängern den Lockdown bis Mitte Februar. Zudem werden die besser schützenden FFP2-Masken oder OP-Masken in Bus und Bahn sowie beim Einkaufen obligatorisch.

    21. Januar: Mehr als 1,3 Millionen Menschen haben in Deutschland bereits ihre erste Corona-Impfung erhalten, etwa 77.000 auch schon die zweite. (dpa)

    Die Pole verlaufen dabei keineswegs nur zwischen Umweltschutz und Wirtschaft. Es wird ganz stark darauf ankommen, aus der Klimafrage kein soziales Desaster erwachsen zu lassen. Denn alleine technische Errungenschaften werden den Klimawandeln nicht aufhalten können. Umso wichtiger ist es, die Lasten so zu verteilen, dass nicht am Ende die Schwächsten abgehängt werden. Jene, die sich kein E-Auto leisten können oder sich eine Solaranlage aufs Dach schrauben, sondern im Zweifel dem Vermieter ausgeliefert sind, der die Kosten direkt weiterreicht. Damit wird Klimaschutz auch zu einer enormen Herausforderung für die Demokratie.

    So euphorisch Biden jetzt dafür trommelt, so eindrucksvoll hat sein Land bewiesen, wie anfällig Menschen sind für Anführer, die vermeintlich bequeme Lösungen präsentieren. Daher ist es gut, dass das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat: Wer regiert, muss über den nächsten Tag hinausblicken, Verantwortung übernehmen für die Zukunft kommender Generationen. Dadurch wird Klimaschutz zum zentralen Bestandteil der Politik.

    Ohne Deutschland funktioniert die Klimawende nicht

    Natürlich: Der Klimawandel wird sich kaum von Deutschland alleine aufhalten lassen. China, Russland, Indien – viele Supermächte lassen es an Ehrgeiz vermissen. Und doch gilt umgekehrt auch: Ohne Deutschland wird sich der Klimawandel nicht aufhalten lassen. Eine hoch entwickelte Volkswirtschaft hat die Pflicht voranzuschreiten.

    Fortschritt lebt von Mut. Der könnte sich nach der Wahl etwa in einem eigenen Klimaministerium manifestieren – ein Zeichen, dass die Politik das Thema ernst nimmt und wir so etwas wie einen Kipp-Punkt erreicht haben: Einen Punkt, hinter den wir nicht mehr zurückfallen dürfen. Vieles deutet darauf hin, dass sich zumindest in der Gesellschaft dieses Gefühl verfestigt hat.

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