Alle US-Präsidenten der vergangenen Jahrzehnte fühlten sich berufen, den Konflikt um die Existenz des Staates Israel im Nahen Osten zu befrieden. Bisher ist es keinem gelungen. Bill Clinton kam dem Ziel am nächsten: 1993 vermittelte er den historischen Händedruck zwischen dem israelischen Premierminister Jitzchak Rabin und Palästinenserchef Jassir Arafat. Aber eine Zwei-Staaten-Lösung, die ihren Namen verdient, kam dennoch nicht zustande. Jetzt versuchen sich Donald Trump und sein Vize Mike Pence als Makler – mit einer eigenwilligen Methode: Sie schlagen sich auf die Seite Israels – und ermuntern gleichzeitig beide Seiten, einen „Deal“ zu machen. Kann eine solche Politik mit Schlagseite zum Erfolg führen?
Über langfristige Effekte zu spekulieren, wäre gewagt. Da haben sich bei dieser „Mutter aller Konflikte“ in den vergangenen 70 Jahren schon viele geirrt. Kurzfristig steht jedenfalls fest: Die palästinensische Seite spricht offiziell nicht mehr mit den Amerikanern. Vizepräsident Mike Pence sind auf seiner Nahost-Reise alle geplanten Termine mit Palästinenserführern geplatzt. Als er gestern zum Abschluss in Jerusalem die Klagemauer besuchte, hatten viele arabische Händler ihre Läden aus Protest zugesperrt. In mehreren Städten des Westjordanlandes wurde demonstriert, es flogen Steine. Sprachlosigkeit und Protest anstatt eines „Deals“ – Trump hat die Beziehungen verschärft und nicht entspannt. Die USA, die sich bisher als Vermittler im Nahen Osten verstanden, sind Partei geworden.
Ein privater Besuch der Klagemauer ohne israelische Regierungsvertreter
Immerhin besuchte Pence, ein evangelikaler Christ, die religiöse Stätte des Judentums nicht in Begleitung israelischer Regierungsvertreter – seine Visite blieb also privat. So hatte es sein Chef Trump im Mai vergangenen Jahres auch gehalten. Mit dieser Zurückhaltung haben die Amerikaner immerhin die höchste Stufe der Provokation vermieden. Die Klagemauer, wie auch die Altstadt, gehören nämlich zu Ostjerusalem, zu den Gebieten also, die Israel im Sechs-Tage-Krieg 1967 erobert hat und seither besetzt hält – unter Nichtbeachtung von Resolutionen des Weltsicherheitsrats. Das größtenteils von Arabern bewohnte Ostjerusalem wird jedoch von den Palästinensern als Hauptstadt ihres künftigen Staates reklamiert.
Trump hat sich als erster US-Präsident einseitig auf „Jerusalem als Hauptstadt Israels“ festgelegt – und Pence kündigte jetzt zur Freude der israelischen Regierung den nächsten Schritt an: Die US-Botschaft soll noch „vor dem Ende des Jahres 2019“ von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt werden. Dabei geht es nur um eine Entfernung von wenigen Kilometern, aber politisch um Welten. Auch wenn Israels Regierung und Parlament längst in Jerusalem arbeiten, so verbindet sich mit dem Botschaftssitz wichtiger ausländischer Staaten doch eine Aussage. Der Standort Tel Aviv bedeutet: Die Hauptstadtfrage ist offen. Der Standort Jerusalem bedeutet: Die israelische Position wird anerkannt.
Juden und Muslime erheben Ansprüche auf dasselbe Land
Diese Frage sollte nach bisherigem Verständnis aber erst am Ende eines Friedensprozesses beantwortet werden – nachdem Israel und der Staat Palästina sich gegenseitig anerkannt, ihre Gebietsansprüche geklärt und eine Lösung für die (Nachfahren der) arabischen Vertriebenen und Flüchtlinge gefunden haben, die heute noch von einem eigenen UN-Hilfswerk unterstützt werden.
Vielleicht wären die Fragen leichter lösbar, wenn der Konflikt nicht auch noch eine religiöse Dimension hätte. Im „Heiligen Land“, in dem alle drei großen monotheistischen Religionen – Judentum, Christentum und Islam – ihre Wurzeln haben, erheben Juden und Muslime gegeneinander Ansprüche auf dasselbe Land. Der Konflikt eskaliert häufig an religiösen Stätten. In Jerusalem am Tempelberg (arabisch Al-Haram al-Scharif/Das edle Heiligtum) wird dies in voller Schärfe sichtbar. Auf dem Hochplateau befinden sich die Al-Aksa-Moschee und der ebenfalls islamische Felsendom, am westlichen Rand des Hügels steht jedoch die Klagemauer, das letzte sichtbare Relikt des zweiten Jerusalemer Tempels der Juden. Immer wieder kommt es dort zu Reibereien und Gewalttaten. Dort nahm bereits eine Intifada, ein Palästinenseraufstand, ihren Anfang. Besuche amerikanischer Politiker am jüdischen Heiligtum tragen bestimmt nicht zur Entspannung bei.
Warum Frieden für Israel so wichtig wäre
Eine neue Intifada ist derzeit dennoch nicht zu erwarten. Nach sieben Jahrzehnten wächst bei vielen Palästinensern die Einsicht, dass Gewalt die Probleme nicht löst – auch wenn vor allem vom Gazastreifen aus weiter radikale Gruppen Terrorakte gegen Israel verüben. Gerade deswegen wäre Frieden auch für Israel so wichtig. Dass ein „Deal“ in Trump’scher Manier dazu führen könnte, ist jedoch nicht zu erwarten.
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