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Kommentar: Schäuble gegen Steinmeier: Wer wird nächster Bundespräsident?

Kommentar

Schäuble gegen Steinmeier: Wer wird nächster Bundespräsident?

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    Wolfgang Schäuble (CDU, links) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) sollen die Favoriten ihrer Parteien als Kandidat für die Wahl zum Bundespräsidenten sein.
    Wolfgang Schäuble (CDU, links) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) sollen die Favoriten ihrer Parteien als Kandidat für die Wahl zum Bundespräsidenten sein. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Allmählich läuft Angela Merkel die Zeit davon. Bis zur Wahl des neuen Bundespräsidenten sind es noch gut drei Monate – mit jedem Tag jedoch, der verstreicht, wird die Lage verworrener. Offenbar gelingt es der Kanzlerin nicht, die Nachfolge von Joachim Gauck möglichst einvernehmlich mit den Sozialdemokraten und im Idealfall auch noch mit den Grünen zu regeln. In der SPD jedenfalls ist der Frust inzwischen so groß, dass Parteichef Sigmar Gabriel der Union in der P-Frage faktisch die Gefolgschaft aufgekündigt und mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier seinen eigenen Kandidaten auf den Schild gehoben hat.

    Der 60-Jährige wäre der Präsident, den sich die Deutschen wünschen – sie schätzen ihn für seine ruhige Art und seine unaufdringliche Präsenz. Dass auch er an den Brandherden der Weltpolitik nicht viel erreicht hat und sein Schmusekurs dem Iran gegenüber die Mullahs nur noch stärker macht, schadet seiner Popularität nicht. Außenminister sind in Deutschland, Guido Westerwelle ausgenommen, seit jeher die Lieblinge des Publikums, weil sie keine schmerzhaften Reformen erfinden und sich auch sonst aus der Tagespolitik heraushalten. Würde der Bundespräsident bei uns wie in Österreich direkt gewählt: Steinmeier wäre vermutlich gesetzt.

    Vor einer Woche wollte Sigmar Gabriel noch Margot Käßmann zur Wahl stellen

    So aber hat nicht nur die Kanzlerin ein Problem – auch Gabriel hat sich und seiner Partei mit seinem temperamentvollen Vorstoß für Steinmeier keinen Gefallen getan. Der SPD-Chef ist ja nicht nur ein bekanntermaßen ungeduldiger Charakter, er ist auch ein ungeschickter Taktierer, der vor einer Woche noch die frühere Bischöfin Margot Käßmann zur ersten Frau im Staate machen wollte und nun wie auf Knopfdruck plötzlich auf eine parteipolitische Lösung umschaltet. Um den Außenminister jedoch sicher ins Schloss Bellevue zu bringen, hätte Gabriel dessen Kandidatur diskreter vorbereiten müssen und nicht mit dem Vorschlaghammer.

    Das hieße: Die Union für ihn zu gewinnen, was schwierig bis unmöglich ist, oder neben den Grünen auch die Linken mit ins Boot zu holen, die in Steinmeier in erster Linie eines sehen: den Architekten von Gerhard Schröders umstrittenen Sozialreformen. Rein rechnerisch hätte ein rot-rot-grüner Kandidat im dritten Wahlgang eine Mehrheit – diese Mehrheit aber will auch organisiert werden.

    Trotzdem hat Gabriel den Druck auf Angela Merkel enorm erhöht. Sie muss nun möglichst rasch einen Kandidaten finden, den (oder die) sie auch der SPD vermitteln kann – oder sie muss sich mit Horst Seehofer auf einen gemeinsamen Bewerber der Union verständigen, der dann gegen Steinmeier antritt. Nüchtern betrachtet können das nur Bundestagspräsident Norbert Lammert oder Finanzminister Wolfgang Schäuble sein, wobei Lammert schon abgewunken haben soll.

    Eine Kampfkandidatur ist gelebte Demokratie

    Ob einer der beiden sich in einem offenen Rennen gegen den Außenminister durchsetzen könnte: Ungewiss, aber nicht unmöglich. Einen Versuch zumindest wäre es wert, nicht nur aus dramaturgischen Gründen. Warum sollen die großen Volksparteien nicht ihre jeweils Besten in eine solche Wahl schicken? Eine Kampfkandidatur ist kein politischer Betriebsunfall, sondern gelebte Demokratie.

    Dass sie bei Bedarf auch überraschende Lösungen im Angebot hat, hat Angela Merkel 2004 mit der Nominierung von Horst Köhler bewiesen. Diesmal allerdings, so scheint es, hagelt es nur Absagen, was nicht nur ein schlechtes Licht auf die Verhandlungsführer wirft, sondern auch auf einige der Angesprochenen selbst. Die Präsidentschaft gleich zweimal auszuschlagen, wie es Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle offenbar getan hat: Dazu gehört schon ein besonderes Maß an Chuzpe.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    

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