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Kommentar: Pkw-Maut: Teuer erkaufte Gerechtigkeit

Kommentar

Pkw-Maut: Teuer erkaufte Gerechtigkeit

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    Verkehrsminister Dobrindts Maut-Pläne sind umstritten. Symbolbild
    Verkehrsminister Dobrindts Maut-Pläne sind umstritten. Symbolbild Foto: Stefan Sauer/ dpa

    In der Sprache der Politik gibt es eine Formel, die gerne verwendet wird, wenn die Argumente knapp werden: „Wir schließen damit eine Gerechtigkeitslücke.“ Das klingt positiv, ist aber mindestens genauso ultimativ wie die berühmten Kanzler-Machtwort-Formeln „basta“ oder „alternativlos“.

    Dass ausländische Pkw-Fahrer deutsche Autobahnen bisher kostenlos nutzen dürfen, während deutsche Autofahrer in vielen anderen europäischen Ländern längst Maut bezahlen, hat die CSU als eine solche Gerechtigkeitslücke erkannt. Die „Pkw-Maut für Ausländer“ wurde geboren. Im gleichen Atemzug hieß es, kein deutscher Autofahrer solle finanziell zusätzlich belastet werden. Mit diesem konkreten Thema ließ sich im vergangenen Jahr sehr plakativ Wahlkampf machen.

    Aber: Eine einfache politische Botschaft zu haben, bedeutet noch lange nicht, dass sie auch so einfach umsetzbar ist. Im Wahlkampf noch CSU-Lautsprecher, der auch mal über das Ziel hinausschießen darf, muss Alexander Dobrindt als Bundesverkehrsminister nun ausgewogene Gesetzentwürfe erarbeiten, die sowohl seinem Wahlversprechen als auch den übergeordneten Prinzipien der Europäischen Union gerecht werden. Nichts wäre peinlicher, als wenn die neue deutsche Maut als diskriminierend, also ungerecht eingestuft und dann von Gerichten gestoppt würde.

    Bürokratiekosten gewaltig und verschwendet

    Im Prinzip ist gegen eine Infrastrukturabgabe nichts einzuwenden. Warum sollen Autofahrer für die Benutzung von Straßen nicht ebenso bezahlen wie beispielsweise für das Telefonieren oder den Besuch eines Hallenbades? Die Maut ist eine Möglichkeit, das bezahlte Geld gezielt in die Verkehrsinfrastruktur zu lenken. Für Lastwagen – auch die ausländischen – gibt es sie längst. Der große Unterschied zu Dobrindts Pkw-Maut-Plänen: Die Lkw-Gebühr gilt nur für Autobahnen und ausgewählte vierspurige Bundesstraßen. Außerdem werden nur tatsächlich gefahrene Kilometer abgerechnet, was das System effektiver und gerechter macht. Wer fährt, der zahlt; wer viel fährt, der zahlt auch viel.

    Mautkosten in Europa

    Autofahrer werden in vielen europäischen Ländern auf Autobahnen zur Kasse gebeten. Die Systeme sind unterschiedlich. Einige Beispiele:

    FRANKREICH: Die Autobahnen sind von einigen Ausnahmen abgesehen gebührenpflichtig. Der Tarif hängt von der gefahrenen Strecke ab. So fällt beispielsweise für die 465 Kilometer von Paris nach Lyon für Autos eine Maut von etwa 33 Euro an.

    ITALIEN: Fast alle Autobahnen sind mautpflichtig. Auch hier richtet sich der Preis nach der Entfernung. Die 450 Kilometer lange Strecke von Rom nach Bari kostet etwa 33 Euro.

    ÖSTERREICH: Eine Jahresvignette kostet für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen rund 83 Euro, zwei Monate schlagen mit etwa 25 Euro zu Buche, zehn Tage kosten 8,50 Euro.

    SCHWEIZ: Für die Jahresvignette für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen werden 33 Euro fällig.

    SLOWAKEI: Für zehn Tage kostet die Vignette für Autos 10 Euro, für einen Monat 14 und ein Jahr 50 Euro.

    SLOWENIEN: Eine Sieben-Tage-Vignette ist für 15 Euro erhältlich, für einen Monat kostet sie 30 und für ein Jahr 110 Euro.

    DEUTSCHLAND: Im März 2015 hat der Bundestag die Pkw-Maut für deutsche Autobahnen und Bundesstraßen beschlossen. Ausländer können entweder eine Zehn-Tages-Vignette oder eine Zwei-Monats-Vignette erwerben. Die Preise liegen - je nach Gültigkeitsdauer und Motorgröße sowie Schadstoffausstoß - zwischen fünf und 30 Euro. Für in Deutschland registrierte Fahrzeuge wird ein jährlicher Betrag erhoben, der sich auf maximal 130 Euro beläuft.

    Aber gibt es überhaupt eine Gerechtigkeit im Verkehr? Allzu leicht wird vergessen, dass die Autofahrer auch dafür Milliarden bezahlen, dass die Fahrbahnen die immense Dauerbelastung durch Lkw ertragen. Die beziffert sich bei einem 40-Tonner annähernd mit dem 100 000-fachen eines Durchschnitt-Pkw, sagen Straßenbauingenieure. Genauso macht das bisherige Kfz-Steuersystem, das nun durch die pauschale Pkw-Maut gesplittet wird, keinen Unterschied zwischen Viel- und Wenigfahrern, was ebenso eine politisch hingenommene Form der Ungerechtigkeit ist.

    Dobrindts Systemwechsel verfolgt das Ziel, Ausländer zur Kasse bitten zu können. Den erwarteten zusätzlichen Einnahmen von jährlich 860 Millionen Euro stehen aber Bürokratiekosten von 260 Millionen Euro gegenüber. Das ist eine gewaltige, unproduktiv verschwendete Summe für eine von Auto zu

    Ein zukunftsweisendes Modell ist diese neue Verkehrsabgabe noch nicht. Sie ist viel zu kompliziert und löst nicht das Grundproblem. Die Autofahrer zahlen bereits zig Milliarden Euro an Kfz- und Mineralölsteuer. Trotzdem fehlt Geld für den Bau und die Reparatur von Straßen und Brücken. Aber das ist eine andere Gerechtigkeitslücke, die wohl nie geschlossen wird.

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