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Kommentar: Organspende funktioniert besser ohne Zwang

Kommentar

Organspende funktioniert besser ohne Zwang

Rudi Wais
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    In Deutschland ist es nach wie vor so: Wer Organspender werden will, braucht einen Ausweis dafür.
    In Deutschland ist es nach wie vor so: Wer Organspender werden will, braucht einen Ausweis dafür. Foto: Franziska Gabbert, dpa

    Fragen von Leben und Tod beantwortet der Mensch selten rational. Etwa 80 Prozent der Deutschen halten eine Organspende für eine vernünftige Sache – aber nicht einmal die Hälfte von ihnen hat auch einen Spenderausweis. Wie wichtig es ist, diese Lücke zwischen prinzipieller und tatsächlicher Bereitschaft zu schließen, zeigt schon die schiere Zahl von 10000 Menschen, die in Deutschland auf eine Niere, ein Herz oder eine Leber warten. Aber darf der Staat seine Bürger deshalb sanft dazu zwingen, zu

    Die sogenannte Widerspruchslösung, mit der Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der SPD-Mann Karl Lauterbach mehr Organspender gewinnen wollen, bewegt sich in einem ethischen Grenzbereich. Jeder Mensch, der einer Organspende zuvor nicht explizit widersprochen hat, wäre nach seinem Tod ein potenzieller Spender. Faktisch würde der Staat damit eine Art Organabgabepflicht einführen: Wer sein Leben lang zu bequem war, sich mit dem Thema zu beschäftigen, oder sich vielleicht noch kein abschließendes Urteil gebildet hat, würde nach seinem Tod automatisch zur Ressource für verwertbare Organe. Bisher muss jeder

    Organspende: Wenn Ärzte zu tricksen beginnen...

    Abgesehen davon, dass der Staat sich in Angelegenheiten von Leben und Tod möglichst heraushalten sollte, hat die Widerspruchslösung auch noch einen anderen Nachteil: Nur jeder dritte Deutsche steht hinter ihr – was nicht alleine an der Lösung selbst liegt, sondern auch an großen Wissenslücken. Wann und wie wird der Hirntod eigentlich festgestellt, der Voraussetzung für eine Organspende ist? Kann es sein, dass er möglicherweise zu früh oder falsch diagnostiziert wird? Und wie werde ich, ganz praktisch, überhaupt zum Spender? Jeder zweite Bundesbürger fühlt sich nach einer neuen Umfrage beim Thema Organspende bisher schlecht informiert. Dazu kommt ein generelles Misstrauen nach den Transplantationsskandalen der vergangenen Jahre, als Ärzte Akten fälschten, um ihre Patienten auf den Wartelisten zu vorderen Plätzen zu verhelfen.

    Das diffuse Unbehagen, das viele Menschen heute beim Thema Organspende verspüren, wird ihnen die Politik sicher nicht mit einem weitreichenden Eingriff in einen der intimsten Lebensbereiche überhaupt nehmen. Die Widerspruchslösung missachtet unser Recht, über uns selbst bestimmen zu können – und zwar über unseren Tod hinaus. Wie es auch gehen kann, zeigt eine ungewöhnliche Koalition, die von der Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und dem CSU-Abgeordneten Stephan Pilsinger angeführt wird. In ihrem Modell fragt der Staat seine Bürger immer dann nach ihrer Bereitschaft zur Organspende, wenn sie sich einen neuen Pass oder Personalausweis ausstellen lassen. Er bietet Informationen an, eine telefonische Beratung – und die Freiheit, am Ende nicht nur mit Ja oder Nein zu antworten, sondern sich die Entscheidung weiter offenzuhalten.

    Spanien zeigt bei der Organspende, wie es geht

    In Spanien, dem Musterland der Organspende, gibt es zwar auf dem Papier eine Lösung, wie Spahn sie plant, Organe aber werden nur Menschen entnommen, die zu Lebzeiten auch ihr Einverständnis signalisiert haben. Trotzdem steigen die Spenderzahlen – weil Ärzte aktiv um Spender werben, die Kliniken gut organisiert sind und die Bürger Vertrauen in das System haben.

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