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Kommentar: Nullzins-Politik: Wer das Sparen bestraft, treibt die Menschen ins Risiko

Kommentar

Nullzins-Politik: Wer das Sparen bestraft, treibt die Menschen ins Risiko

Stefan Stahl
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    Ein Ende des Zinstiefs im Euroraum ist nicht in Sicht.
    Ein Ende des Zinstiefs im Euroraum ist nicht in Sicht. Foto: Boris Roessler, dpa

    Im deutschen Sprachschatz finden sich auffällig viele Redewendungen zum Sinn des Sparens. Demnach ist Sparen die größere Kunst als erwerben. Auf Sparen folgt haben. Und wie heißt es doch: Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not. Es hat sich tief eingegraben, wie klug es ist, Geld für die Widrigkeiten des Lebens zurückzulegen, ob das Auto streikt, ein Umzug oder die Modernisierung des Gebisses ansteht.

    So wollte es ewig lange der ungeschriebene deutsche Gesellschaftsvertrag: Wer bei seiner Bank Geld parkt, bekommt dafür einen Zins, wie er

    Es ist weiter mit Strafzinsen zu rechnen

    Was dabei fatal ist: Die Abschaffung des Zinses, ja die Einführung von Strafzinsen für Banken, wird wohl noch lange andauern. Volkswirte glauben, der unhaltbare Zustand könnte bis zu zehn weitere Jahre währen. Das führt schon heute zu der absurden Situation, dass private Anleger, die ohne großes Risiko Geld bunkern wollen, oft schon ab 50.000 Euro und in manchen Fällen bereits bei 25000 Euro dafür von ihrer Bank mit einer Gebühr bestraft werden. Dazu werden die finanziell unter der Politik der EZB leidenden Institute verleitet. In Anlehnung an den Philosophen Nietzsche lässt sich von einer Umwertung aller Werte sprechen: Aus der Sparmoral wird eine Schulden- und Risikomoral.

    Wer den Wert seines Geldes erhalten will, muss es in Sachwerten anlegen. Dazu zählen Aktien. Dabei gerät in einer Ära scheinbar in die Ewigkeit wachsender Kursgewinne in Vergessenheit: Bei dem Spiel kann man sich auch die Finger verbrennen. Deswegen werden weniger risikofreudige Menschen von der EZB seit Jahren in den Immobilienkauf getrieben. Die sozialen Folgen der Entwicklung sind verheerend: Die Preise steigen immer weiter, was letztlich in Ballungsräumen zu Mieten führt, die sich viele kaum noch leisten können.

    Immobilienkäufer können immer noch günstige Kredite aufnehmen

    Das ist die Negativseite der EZB-Bilanz. Auf der positiven tauchen auch einige dicke Posten auf: Immobilienkäufer können immer noch – historisch betrachtet – günstig Kredite aufnehmen, die Job-Lage ist auch in Krisenzeiten stabil und eine neue europäische Schuldenkrise bleibt dank der bedenklich exzessiven Anleihekäufe (noch) aus.

    Die Europäische Zentralbank ist ein politischer Stützpfeiler. Das widerspricht indes ihrem Auftrag, schließlich soll sie nicht Staaten finanzieren, was sie de facto indirekt tut. Vielmehr wurde der EZB aufgebürdet, für Preisstabilität zu sorgen. Derzeit zieht aber gerade in Deutschland die Teuerung weiter kräftig an. Behält die Bundesbank recht, könnte sie gegen Jahresende bei fünf Prozent landen. Würde sich die Entwicklung auch im Euro-Raum 2022 zuspitzen, käme die Notenbank in Erklärungsnot, strebt sie doch eine Inflation von zwei Prozent an. Der Druck auf die Zentralbank könnte groß werden, den Null- und Negativ-Missstand zu beenden. Sparen würde langsam wieder die größere Kunst als erwerben.

    Preisauftrieb wird sich wohl 2022 beruhigen

    Soweit kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht. Auch die Bundesbank-Experten glauben, dass sich der Preisauftrieb 2022 beruhigt. Die EZB könnte weiter machen wie bisher. Der tapfere Bundesbank-Präsident Weidmann würde wie bislang ein ums andere Mal im EZB-Rat als Kritiker überstimmt. Doch die Abschaffung des Zinses für 15 Jahre wäre ein sehr hoher Preis für den an sich segensreichen Euro. EZB-Chefin Lagarde muss also noch in diesem Jahr klarstellen, dass der Zins in absehbarer Zeit von den Toten aufersteht.

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