Natürlich werden wir über vieles aus dieser denkwürdigen Woche noch reden (müssen). Erst die unzähligen Verwundungen und Verwünschungen zwischen CDU und CSU, befeuert von fast hysterisch anmutendem Trommelwirbel in den sozialen und nicht so sozialen Netzwerken. Schließlich die dramatische Nachtsitzung des CDU-Bundesvorstands, darin die verzweifelte Aussage des Urgesteins Wolfgang Schäuble („Alles geht schief“), die Sorge von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, man müsse sich darauf einstellen, dass die Entscheidung des Vorstands von der Basis nicht akzeptiert werde - und mit technischen Pannen, die offenbarten, dass das Internet bei der CDU immer noch Neuland zu sein scheint nach 16 Jahren CDU-Kanzlerschaft.
Auch das Bild, das stolze Anhänger von Armin Laschet schließlich freudig mitten in der Nacht zum Dienstag verschickten - von einem verprügelten Boxer „Rocky“, der aber eben im harten Kampf durchgehalten habe und am Ende siegte - war gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig.
Machtkampf in der Union: Söder zeigt mehr Größe als sein großes Vorbild
Doch am Ende des Kampfes steht das nackte Ergebnis: eine doch klare Mehrheit für Laschet, übrigens schon zum zweiten Mal binnen einer Woche in diesem CDU-Spitzengremium, nun mehr als zwei Drittel, in geheimer Abstimmung. Am Tag zuvor hatte es eine ebenso klare Aussage von Markus Söder gegeben, er werde jede Entscheidung der CDU akzeptieren, das habe er ja mehrfach schon gesagt.
Daran musste sich Söder - bei allen durchaus berechtigten Zweifeln an Laschets Wahlkampf-Chancen - nun halten. Demokratie kann nie kompletten Konsens herstellen und sie ist bei uns auch (zumindest noch) keine „Basis-Bewegung“, die in Österreich oder Frankreich neue politische Verhältnisse brachten und mit denen Söder zumindest zu liebäugeln schien. Eine Stimme Mehrheit reicht im Notfall, zwei Drittel Mehrheit reichen ganz sicher. Die gerade für ihre angeblich so harmonische Kanzler-Kür bejubelten Grünen haben ihre Basis übrigens nicht einmal befragt.
So bot sich Söder nun die Gelegenheit zu wahrer Größe - und er ergriff sie geschickt. Der CSU-Chef konnte sich nach einer Woche voller Verletzungen als ein Versöhner geben, der sein Wort hält - und Laschet als Kanzlerkandidaten akzeptierte. Das tat er, als er am Dienstag Laschet gratulierte, angeblich ganz ohne Groll. Ob davon wirklich keiner bleibt, ist erstens schwer zu glauben und dürfte sich zweitens erst im Laufe des spannenden Wahlkampfes zeigen. Natürlich wird Söder sich das Recht vorbehalten, bei einer Wahlniederlage Laschets genüsslich darauf hinzuweisen, er habe ja als Kandidat bereit gestanden, doch ihn habe die CDU ja leider nicht gewollt. Markus Blumes Satz vom „Kandidaten der Herzen“ bereitet dafür das Feld.
Markus Söders Rückzug macht aus Armin Laschet noch keinen guten Kanzlerkandidaten
Dennoch: Söder bewies an diesem Dienstag politische Größe, vielleicht gar mehr als einst sein großes politisches Vorbild Franz-Josef Strauß. Der hatte es nach seiner Kandidatur-Niederlage gegen Helmut Kohl nicht lassen können, noch nachzutreten, etwa durch den legendären Kreuther Beschluss 1976, die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag aufzulösen (den er bald kleinlaut kassieren musste).
Dass Söder sich nun (zumindest Stand jetzt) größer und großmütiger verhielt, macht aus Laschet noch lange keinen großen Kanzlerkandidaten. Er ist im Umfragenkeller gefangen ist und kann in seinen bisherigen Auftritte vor allem kommunikativ nicht überzeugen. Aber die Einigung vom Dienstag macht beide Politiker und beide Parteien stärker. Denn beide wissen: Will die Union aus CDU und CSU wirklich eine grüne Bundeskanzlerin verhindern, schaffen Laschet und Söder das nur gemeinsam.
Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast mit Markus Söder an, den wir im Dezember 2020 aufgezeichnet haben:
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