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Kommentar: Jetzt entscheidet sich, wie wir durch den Corona-Herbst kommen

Kommentar

Jetzt entscheidet sich, wie wir durch den Corona-Herbst kommen

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    "Ab hier Maskenpflicht" steht auf einem Schild in Salzgitter.
    "Ab hier Maskenpflicht" steht auf einem Schild in Salzgitter. Foto: Swen Pförtner, dpa (Symbolbild)

    Auch wenn es sich nicht danach anfühlt: Deutschland wird im Herbst von der vierten Corona-Welle ergriffen werden. Zumindest spricht mehr dafür als dagegen. Die Zahl der Neuansteckungen legt rapide zu, die Impfkampagne stockt und wenn es kühler wird, verlagert sich das Leben wieder nach drinnen.

    Dennoch ist die Situation heute anders als vor einem Jahr. Über die Hälfte der Bevölkerung ist zweifach geimpft, bei den besonders gefährdeten Über-60-Jährigen sind es 80 Prozent. Auch wenn das Impfen zuletzt merklich an Tempo eingebüßt hat, ist das ein Erfolg. Dieser Erfolg gibt den Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel mehr Freiraum bei der Bekämpfung der Pandemie. Denn die Belastung der Krankenhäuser wird dadurch deutlich vermindert.

    Das Coronavirus kann trotz hoher Impfquote heftig ausbrechen

    Die Lage in anderen Ländern wie Großbritannien und Israel zeigt, dass trotz hoher Impfquote das Virus noch einmal heftig ausbrechen kann, aber dennoch die Situation in den Kliniken beherrschbar bleibt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat es in den Worten zusammengefasst: „200 ist das neue 50.“ Er meinte damit den Inzidenzwert. In den zurückliegenden Monaten war 50 der Warnwert, ab dem das öffentliche und private Leben deutlich eingeschränkt wurde. Treffen in der Familie und im Freundeskreis wurden auf kleine Gruppen begrenzt, Kinos und Theater mussten negative Tests verlangen, die Kundenzahl in Geschäften war limitiert.

    Die Regeln galten nicht einheitlich in ganz Deutschland, weil die Landesregierungen eigene Akzente setzten. Wenn 200 das neue 50 ist, wird also das Toleranzband ausgeweitet, selbst wenn sich die vierte Welle auftürmt. Der Fokus auf die Neuinfektionen wird ergänzt werden um den Blick auf den Fortschritt beim Impfen und die Zahl der Corona-Patienten im Krankenhaus. Das Robert-Koch-Institut hat dazu einen neuen Indikator entwickelt. Auf diesen Dreiklang werden sich Merkel und die Ministerpräsidenten aller Wahrscheinlichkeit leicht verständigen können.

    Wirtschaft und Privatleben noch einmal derart einzuschränken ist beinahe undenkbar

    Die Frage ist auch, welche Corona-Maßnahmen mit dem neuen Indikator verknüpft werden. Wirtschaft und Privatleben noch einmal derart einzuschränken wie in den zurückliegenden Wintermonaten ist beinahe undenkbar. Nicht nur, weil der ökonomische Schaden enorm wäre, sondern weil auch das zentrale Versprechen „Impfen ist die Rückkehr zur Normalität“ gebrochen würde. Neben dem Impfen ist das Tragen von Masken ein effektives und vergleichsweise mildes Mittel, um die Ausbreitung des Erregers zu bremsen. Es dürfte daher und sollte auch bei der Maskenpflicht in Bussen und Bahnen, beim Einkaufen und für höhere Klassen im Unterricht bleiben.

    Die wichtigste Aufgabe wird aber sein, wieder mehr Menschen vom Sinn der Spritzen gegen das Virus zu überzeugen. Dafür müssen alle Register gezogen werden – Bier, Bratwurst, am Supermarkt, vor dem Zoo und am besten ohne Termin. Damit kann es gelingen, die Impfquote der vollständig Immunisierten auf 75 Prozent zu bringen.

    Ungeimpfte dürfen nicht per se ausgesperrt werden

    Wenn diese Marke im Herbst erreicht wird, könnte das zusammen mit den Millionen Genesenen ausreichen, die vierte Welle mit viel weniger Leid zu überstehen als die vorhergehenden. Wer eine Impfung ablehnt, von dem kann verlangt werden, dass er in der Öffentlichkeit einen Test vorzeigt, den Geimpfte nicht mehr benötigen. Es ist auch vertretbar, dass diese Tests dann bezahlt werden müssen. Ungeimpfte aber per se von Veranstaltungen auszuschließen wäre nicht mehr verhältnismäßig und zu hart. Bei den anstehenden Entscheidungen muss der Blick wieder stärker auf Freiheit denn auf Vorsicht gerichtet sein.

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