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Kommentar: Jens Spahn hat in der Corona-Pandemie die Orientierung verloren

Kommentar

Jens Spahn hat in der Corona-Pandemie die Orientierung verloren

Stefan Lange
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    Wo geht es lang in der Corona-Krise? Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat da gerade etwas die Orientierung verloren.
    Wo geht es lang in der Corona-Krise? Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat da gerade etwas die Orientierung verloren. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Wenn Jens Spahn öffentlich auftritt, pflügt er förmlich durchs Publikum. Der CDU-Politiker und Gesundheitsminister betritt den Raum, orientiert sich kurz und stürmt schnellen Schrittes zu seinem Platz. Schien diese Zielstrebigkeit in den ersten Monaten der Corona-Pandemie noch angemessen, so wirkt sie seit einigen Wochen zunehmend aufgesetzt. Spahn hat offenbar die Orientierung verloren. Was schlimm ist für einen Minister, der im Kampf gegen das Virus eines der wichtigsten Ressorts im Bundeskabinett verantwortet.

    Zu Anfang lief es gut im Corona-Kampf

    Zu Anfang lief es im Kampf gegen Corona ganz gut in Deutschland, da war Spahn der Publikumsliebling. Gerade läuft es schlecht, Impfstoffe und Schnelltests etwa kommen nur zögerlich ins Land, und Spahn ist der Buhmann. Die Bild-Zeitung hatte ihn vor zwei Monate in einer Umfrage als beliebtesten Politiker auf dem Zettel. Am Sonntag meldete das Blatt unter Berufung auf ein anderes Umfrageinstitut „Spahns Absturz“.

    Demnach sind 56 Prozent der Deutschen mit seiner Arbeit „eher unzufrieden“, nur 28 Prozent sind „eher zufrieden“. Der Trend deckt sich mit Zahlen des letzten ZDF-Politbarometers. Da rutschte Spahn auf der Skala der beliebtesten Politiker von 1,3 Punkten im Januar auf jetzt 0,8 Punkte ab. Es greift aber zu kurz, diese Entwicklung nur auf das Corona-Thema zu schieben.

    Gesundheitsminister ist ein guter Job? Geh' mir bloß weg, scheint Amtsinhaber Jens Spahn hier zu zeigen. In der Tat war der Posten noch nie leicht.
    Gesundheitsminister ist ein guter Job? Geh' mir bloß weg, scheint Amtsinhaber Jens Spahn hier zu zeigen. In der Tat war der Posten noch nie leicht. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Gesundheitsminister zu sein, war in Deutschland schon immer ein undankbarer Job. Spahns Vorgänger Hermann Gröhe (CDU) kann davon ebenso ein Lied singen wie etwa Horst Seehofer (CSU) oder Ulla Schmidt (SPD). Sie wurden ständig kritisiert, schließlich geht das Thema Gesundheit alle an, der Markt ist milliardenschwer und von vielerlei Interessen beeinflusst. Doch mit Ausnahme des komplett glücklos agierenden Philipp Rösler (FDP) reagierten die meisten Minister mit fokussierter Arbeit auf die Vorwürfe und bekamen so die Kurve. Spahn hingegen geht Essen.

    Spahn geht lieber zum Dinner

    Wer wie Spahn am Morgen die Einhaltung der Corona-Maßnahmen anmahnt und sich am Abend mit Unternehmern zum Essen trifft, handelt maximal ungeschickt. Die Grenzen zur Arroganz sind schnell überschritten, wenn privilegierte Politiker Ausnahmen von den Regeln für sich in Anspruch nehmen, die sie anderen auferlegen. So etwas passiert, wenn man sich seiner zu sicher ist und eine Politik-Karriere absolviert, die mit dem Alltag normaler Menschen kaum Berührungspunkte hat. Dann kauft man eben auch eine Villa für viele Millionen Euro, während gleichzeitig Menschen an den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie verzweifeln.

    Als Spahn im März 2018 Gesundheitsminister wurde, versammelte er ein handverlesenes Team um sich, das mit ihm das Kanzleramt stürmen sollte. Zunächst sah es gut aus, dann kamen die Einschläge. Zuletzt pfiff ihn beim Thema Schnelltests gar Kanzlerin Angela Merkel öffentlich zurück. Es ist vielleicht kein Zufall, dass sich Pleiten, Pech und Pannen häuften, nachdem Spahns langjähriger Mitarbeiter Marc Degen dem anstrengenden Politikbetrieb im Dezember den Rücken kehrte. Degen, ein fein ziselierter, intelligenter und bestens vernetzter Mann, hatte dem CDU-Politiker viele Jahre den Weg durch den Politik-Dschungel freigeschlagen.

    Spahn hat es in der Hand

    Spahn, in ruhigen Minuten ein angenehmer, zugewandter Gesprächspartner, setzte in seiner Amtszeit das Terminvergabegesetz durch, er will die Notfallversorgung reformieren, seine Pflegereform könnte sein Meisterstück werden. Die Bilanz als Gesundheitsminister ist so schlecht nicht. Er muss es nun selbst in die Hand nehmen und den Job zu einem guten Ende bringen. Sein Satz „Wir werden einander viel verzeihen müssen“ könnte dann auch auf ihn selber Anwendung finden.

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