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Kommentar: Impfen ist die beste Öffnungsstrategie

Kommentar

Impfen ist die beste Öffnungsstrategie

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    Für einen Weg aus der Pandemie braucht es ein besseres Impfkonzept.
    Für einen Weg aus der Pandemie braucht es ein besseres Impfkonzept. Foto: María José López, dpa

    Wie nach der ersten Welle ertönt in der Politik ein schwer erträgliches Konzert aus lauten Rufen nach Lockerungen und eindringlichen Warnungen vor einer erneuten Eskalation der Pandemie. Schürten viele vor einem Jahr die „Corona-App“ als große Hoffnung, preisen nun fast die gleichen Vertreter Schnelltests als Allheilmittel.

    Doch zwei Dinge unterscheiden die Lockerungsdebatte der ersten und der zweiten Welle grundlegend. Auf der negativen Seite sind es die Virusmutationen. Sie drohen alle Lockerungsbemühungen schnell wieder zunichte zu machen.

    Zu große Erwartungen an Schnelltests sind riskant

    Die gefährlichen Virusvarianten tragen bislang nicht zufällig allesamt Namen von Nationen, die es mit der Pandemiebekämpfung lässig nahmen: Großbritannien, Brasilien, Südafrika. Ein Hinweis der Natur, dass Verdrängen und Selbstüberschätzung in der Pandemie alles andere als hilfreich ist.

    Der zweite Unterschied ist ein umso positiveres Zeichen der Hoffnung: Es gibt Impfstoff und Monat für Monat mehr davon. Die Erfahrung aus einem Jahr Pandemie zeigt, dass es für die Bundesrepublik keine bessere Strategie geben kann als Impfen: Zu große Erwartungen an Selbsttests zu knüpfen ist riskant: Im Vorreiterland Österreich drehen sich die Infektions- und Todeszahlenkurven langsam, aber deutlich Richtung dritte Welle.

    Großbritannien könnte beim Impfen Vorbild sein

    Wer ein internationales Vorbild sucht, schaut zwar gerne auf Israel. Doch das Land hat auf clevere Weise deutlich mehr Impfstoff bestellen können als andere. Als realistisches Vorbild taugt deshalb ausgerechnet Großbritannien. Es kämpft sowohl mit den Mutationen als auch mit knappem Impfstoff. Das Land setzt vor allem auf den hierzulande zu Unrecht in Verruf geratenen Impfstoff von AstraZeneca.

    Die Briten sind nicht nur stolz darauf, dass das Mittel dank langer Coronaviren-Forschung von ihrer Elite-Universität Oxford entwickelt wurde. Vor allem haben die Briten aber ihre Impfungen radikal beschleunigt. Sie legen die jeweilige zweite Dosis nicht im Kühlschrank zurück, sondern verimpfen in einer nationalen Kraftanstrengung fast Tag und Nacht, was geht, und vertrauen auf Nachschub. Zudem strecken sie die Zeit zwischen der Zweifachimpfung. Überraschend stieg damit die Wirksamkeit sogar. Großbritannien kann dank wachsenden Impfschutzes langsam, aber ohne jenes unberechenbare Risiko wie in Österreich Schritt für Schritt seinen harten Lockdown lockern.

    Deutschland machte bei AstraZeneca schwere Fehler

    Deutschland ist, wie bei fast allem, was in der Pandemie wichtig wäre, zu langsam, zu umständlich und auf Sonderwege fixiert. Die Ständige Impfkommission hat der Impfkampagne einen gefährlichen Bärendienst erwiesen, indem sie nicht der europäischen Empfehlung gefolgt ist, AstraZeneca auch für über 65-Jährige zuzulassen.

    Gesundheitsminister Jens Spahn versäumte es sträflich, sich darauf vorzubereiten, dass viele Deutsche den AstraZeneca als zweitklassig empfinden könnten, und ließ die Diskussion zunächst einfach laufen. Das Informationsdesaster droht sich in wenigen Wochen zu wiederholen, wenn der nächste Impfstoff von Johnson & Johnson zugelassen wird. Eine moderne Aufklärungs- und Impfkampagne, die diesen Namen verdient, schuldet der sonst um Selbstmarketing nie verlegene CDU-Minister bis heute. Der junge Politiker wird immer mehr von einem Teil der Lösung zum Teil des deutschen Problems.

    Dabei könnte auch Deutschland mit schnelleren Impfungen nach britischem Vorbild mit einer „Impfwelle“ vor die Infektionswelle kommen. Laut Medizinern sogar bereits zu Ostern. Auch wenn es unpopulär ist, sollte sich die Bund-Länder-Konferenz deshalb mehr über schnelleres Impfen als Lockerungen den Kopf zerbrechen.

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