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Kommentar: Für die schwarze Null ist es noch zu früh

Kommentar

Für die schwarze Null ist es noch zu früh

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    Er stand als Finanzminister jahrelang für die Politik der schwarzen Null: Wolfgang Schäuble.
    Er stand als Finanzminister jahrelang für die Politik der schwarzen Null: Wolfgang Schäuble. Foto: Jörg Carstense,/dpa

    Ausgerechnet im Moment des Abschieds beweist sich ihr Wert. Die Politik ohne neue Schulden hat Deutschland in harter Not in den Stand versetzt, voll gegenhalten zu können. Wegen ihrer soliden Finanzen kann die Bundesrepublik wie wenige Länder sonst spielend Kredite aufnehmen, um die Schäden des Konjunktureinbruchs durch Staatsgeld abzufedern. Weltweit wird Deutschland dafür beneidet, während es in den Jahren zuvor deutliche Kritik an der germanischen Knausrigkeit gab. Die ist inzwischen verstummt.

    Dagegen erhoben sich im Inland Forderungen, schon möglichst im übernächsten Jahr wieder ein ausgeglichenes Budget anzustreben. Diese Forderungen gehen völlig in die falsche Richtung. Die dringlichste Aufgabe der Bundesregierung ist es gegenwärtig in der Wirtschaftspolitik, den scharfen Angebots- und Nachfrageknick zu glätten. Bisher ist es ihr gelungen, eine Depression bei Haushalten und Unternehmen zu vermeiden. Es gibt erste Anzeichen, dass das Vertrauen zurückkehrt.

    2021 deutlich weniger Schulden im Bundeshaushalt geplant als im Corona-Jahr

    Ein Blick auf die Zahlen zeigt auch, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz auf den Pfad der Tugend zurückkehrt. Während der Bund in diesem Jahr noch nie da gewesene 219 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten aufnehmen will, plant der SPD-Politiker für 2021 mit einer Neuverschuldung von 96 Milliarden. Das ist immer noch ein hoher Wert, aber er ist um über die Hälfte kleiner als im laufenden Jahr, da die Ausbreitung der Seuche akut bekämpft werden muss.

    Dass Scholz in der Tradition seines Vorgängers Wolfgang Schäuble steht, beweist er durch die mittelfristige Finanzplanung. Ab 2022 soll die Schuldenbremse wieder greifen. Sie begrenzt das staatliche Schuldenmachen in Krisenjahren auf ein enges Kontingent. Übernächstes Jahr ist nur noch eine Nettokreditaufnahme von 10,5 Milliarden Euro vorgesehen, 2023 von 6,7 Milliarden und 2024 von 5,2 Milliarden. Niemand vermag heute zu sagen, ob dieser Plan zu halten sein wird angesichts der globalen Unsicherheit, wie der Erreger in Schach gehalten werden kann und wann ein Impfstoff verfügbar ist. Im Vergleich zur Wirtschaftsleistung sind die angepeilten Werte aber tatsächlich Peanuts. Wenn die Möglichkeit besteht, sollte Deutschland ab Mitte des Jahrzehnts wieder zur Politik der schwarzen Null zurückkehren.

    Wahlkampf-Versprechen führten in Italien zu gefährlich hohen Schulden

    Sie bindet die Regierung an die zu häufig vernachlässigte zweite Regel des großen Ökonomen Keynes, nämlich in guten Zeiten die Verschuldung zu reduzieren. Volkswirtschaftlich macht es keinen Unterschied, ob der Bund einen Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben schafft oder ein leichtes Defizit fährt. Das Problem sind die Begehrlichkeiten, dass der Staat die Sozialausgaben erhöht, weil es in Wahlkämpfen versprochen wurde. Dieser Klientelismus hat in Italien dazu geführt, dass die Verschuldung gefährliche Höhen erreicht hat.

    Bedenklich ist auch die neue Theorie aus Amerika, die ein Schuldenmachen ohne Grenzen verspricht, solange das Wachstum über dem Zinssatz bleibt. Dahinter versteckt sich magisches Denken, das spätestens in einer schweren Krise auf die harte Wirklichkeit stößt. Dann nämlich, wenn die Wachstumsraten nach unten rauschen und plötzlich die Frage der Schuldentragfähigkeit im Raum steht. Genau das ist in Italien passiert. Die Lage der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone ist auch der Grund, warum in der EU erstmals Krisenhilfen nicht als Kredite, sondern als Zuschüsse gewährt werden sollen. Die Politik der soliden Budgets hat sich bewährt. Sie sollte nicht dogmatisch verfolgt, sondern flexibel an die jeweilige Lage angepasst werden, sie muss aber immer das Ziel bleiben.

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