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Kommentar: „Extra 3“-Satire: Warum wir Erdogan Grenzen setzen müssen

Kommentar

„Extra 3“-Satire: Warum wir Erdogan Grenzen setzen müssen

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    Michael Stifter, Leiter unserer Politikredaktion, schreibt, warum wir Erdogan Grenzen setzen müssen.
    Michael Stifter, Leiter unserer Politikredaktion, schreibt, warum wir Erdogan Grenzen setzen müssen. Foto: Adem Altan, afp

    Ach was? Recep Tayyip Erdogan nimmt es mit der Meinungsfreiheit nicht so genau? Das ist nun wirklich nichts Neues. Warum also regen wir uns so über sein anmaßendes Verhalten auf? Weil sich der türkische Präsident in einer Zeit zum Herrscher über deutsche Medien aufschwingt, in der uns ohnehin schon mulmig ist. Europa bekommt die Flüchtlingskrise nicht in den Griff, und der mächtige Türke bietet eine vermeintlich bequeme Lösung an. Wir bezahlen ihn dafür, dass er das tut, was wir nicht wollen oder können: die EU-Außengrenze dichtmachen. Erdogan hat

    Die Satire-Sendung „Extra 3“ hat das zweifelhafte Verhältnis des türkischen Präsidenten zu einer freien Gesellschaft in ironischer Form aufgegriffen. Wenn dieser darüber dermaßen zornig ist, dass er sogar den deutschen Botschafter einbestellt, zeigt das vor allem eines: Die Humoristen haben einen wunden Punkt getroffen.

    Erdogan-Satire: So funktioniert Meinungsfreiheit

    So funktioniert Satire. So funktioniert Meinungsfreiheit. Das ist nicht immer lustig und erst recht nicht leicht zu ertragen. Wenn griechische Zeitungen Angela Merkel oder Wolfgang Schäuble in Nazi-Uniform zeigen, müssen wir das aushalten. Und wenn wir von Muslimen Toleranz für Mohammed-Karikaturen verlangen, dürfen wir nicht beleidigt sein, wenn sich jemand über unseren Gott lustig macht. Mögen wir es auch noch so unerträglich finden: Meinungsfreiheit endet eben nicht an dem Punkt, an dem wir selbst uns angegriffen fühlen. Genau das will Erdogan nicht akzeptieren.

    Dass er nun versucht, deutschen Journalisten den Mund zu verbieten, ist unverschämt. Und es lässt erahnen, wie weit die türkische Demokratie in Wahrheit von europäischen Werten entfernt ist. Nur: Wie soll man mit diesem Affront umgehen? Die Bundesregierung lässt Erdogan ins Leere laufen. Unsere Pressefreiheit ist so stark, dass manche Deutsche dessen absurde Anmaßung eher belustigt zur Kenntnis nehmen. Die Kanzlerin und der Außenminister lassen sich nicht dazu herab, die hanebüchenen Attacken zu kommentieren. Lediglich eine Regierungssprecherin stellte gestern kurz und knapp klar: Die Presse- und Meinungsfreiheit ist nicht verhandelbar. Im Prinzip ist das die richtige, die angemessene Reaktion. In normalen Zeiten ist es ein Zeichen von Stärke und Souveränität, sich nicht provozieren zu lassen. Doch die Zeiten sind eben nicht normal.

    Erdogan testet unsere Schmerzgrenzen aus

    Es ist doch offensichtlich, dass der neue „Türsteher“ Europas seine Unverzichtbarkeit in der Flüchtlingskrise schamlos auszunutzen versucht. Erdogan testet unsere Schmerzgrenzen aus. Und so kann man die Zurückhaltung der Bundesregierung auch als Schwäche deuten. Denn sie lässt Raum für Fragen: Müssen wir künftig jedem Streit mit Ankara aus dem Weg gehen? Müssen wir in Sachen Demokratie und Meinungsfreiheit öfter mal ein Auge zudrücken, weil wir die Türkei ja so dringend brauchen? Nein! Das wäre ein völlig falsches, ein fatales Signal.

    Mag sein, dass ein harmloses Satire-Video keinen diplomatischen Eklat wert ist. Aber Erdogans Reaktion darauf zeigt auf verstörende Weise, wie er das Wort „Partnerschaft“ interpretiert: Ich helfe euch mit den Flüchtlingen und ihr unterlasst dafür jegliche Kritik an meinem Land und meiner Art, es zu führen. Auf dieses schmutzige Geschäft darf sich Europa nicht einlassen. Wer Männern wie Recep Tayyip Erdogan keine Grenzen setzt, muss sich nicht wundern, wenn er zu weit geht.

    Die Macher von „Extra 3“ haben im Übrigen schon die passende Antwort gegeben und den türkischen Präsidenten zum „Mitarbeiter des Monats“ gekürt.

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