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Kommentar: Eine Corona-Impfpflicht ist möglich, aber nicht nötig

Kommentar

Eine Corona-Impfpflicht ist möglich, aber nicht nötig

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    Schon im Dezember sollen die ersten Menschen gegen Corona geimpft werden.
    Schon im Dezember sollen die ersten Menschen gegen Corona geimpft werden. Foto: Jens Kalaene, dpa

    Kaum ist die Hoffnung da, dass neu entwickelte Impfstoffe der furchtbaren Corona-Pandemie bald den Schrecken nehmen, wird eine neue Gefahr beschworen: Dass es einen Zwang geben könnte, sich der Immunisierung zu unterziehen. Wenn schon nicht per Gesetz, dann werde die Impfpflicht eben durch die Hintertür kommen, wird spekuliert. Dass der Bundesgesundheitsminister dies im Bundestag ausgeschlossen hat, verstärkt in den Reihen der Corona-Leugner die Ängste eher noch.

    Das neue Infektionsschutzgesetz bietet tatsächlich Möglichkeiten für eine Impfpflicht in bestimmten Risikogruppen. Doch aller Voraussicht nach wird Jens Spahn sein Versprechen halten können, weil eine Impfpflicht gar nicht nötig sein wird. Dass es in der ersten Phase einer wohl bevorstehenden weltweiten Impfaktion aber viele ethische Konflikte geben wird, steht auf einem ganz anderen Blatt.

    Konzerte, Fußballspiele oder Chorproben können fast nur mit Impfung wieder stattfinden

    Die australische Airline Qantas hat etwa als erste Fluggesellschaft angekündigt, künftig nur geimpfte Passagiere in ihre Maschinen zu lassen. Auch ins Konzert, Fußballstadion oder in den Ferienclub könnten in nächster Zeit nur Geimpfte eingelassen werden, weil sonst schlicht keine Rückkehr zum Normalbetrieb möglich ist.

    Vereine werden sich entscheiden müssen, ob sie eine Impfung für kontaktintensive Sportarten vorschreiben, genau wie Kirchen und Chöre zu klären haben, wer rein darf und dann mitsingen kann. Darüber wird es lange Sitzungen geben, Streit und möglicherweise Klagen vor Gericht. Überall dort, wo eine Art privates Hausrecht gilt, kann der Hausherr in letzter Konsequenz entscheiden, wen er reinlässt. So wie es theoretisch auch Tante Käthe künftig freisteht, Nichte Hildegard nicht zum Kaffeekränzchen einzuladen, wenn die keinen Impfnachweis bringt.

    In einigen Ländern gibt es seit Jahren eine Impfpflicht für Touristen

    Wie andere Länder in der Seuchenbekämpfung vorgehen, entzieht sich endgültig der Verantwortung deutscher Politik. Seit Jahrzehnten etwa muss, wer in bestimmte afrikanische oder südamerikanische Länder einreisen will, eine Gelbfieberimpfung nachweisen. Dass manche Staaten künftig auf einen Corona-Impfnachweis bestehen, ist alles andere als unwahrscheinlich und deren gutes Recht.

    In Deutschland machen überzeugte Impfgegner nur einen kleinen einstelligen Prozentsatz der Bevölkerung aus. Sie würden sich allenfalls durch massiven staatlichen Zwang zur Immunisierung bewegen lassen, von der sie glauben, dass sie krank macht oder ihrem Glauben widerspricht. Eine weitere Radikalisierung der Corona-Leugner-Szene wäre fast zwangsläufig die Folge. Für andere Menschen mag eine Impfung aus gesundheitlichen Gründen nicht infrage kommen. Wieder andere werden bei so rasch wie nie entwickelten Impfstoffen, über deren Verträglichkeit noch wenig bekannt ist, zurückhaltend sein. Ihre Skepsis dürfte schwinden, je mehr geimpfte Nachbarn putzmunter ins Konzert oder Theater gehen.

    Mit Impfverweigerern muss die Gesellschaft leben

    Wahrscheinlich ist, dass es zunächst einmal eine Weile dauert, bis alle geimpft sind, die sich das wünschen. Irgendwann ist dann die Herdenimmunität erreicht. Das heißt, dass die Gefahr einer unkontrollierten Ausbreitung des Virus gebannt ist, obwohl noch längst nicht alle Mitglieder einer Gruppe geimpft sind. Der Impfverweigerer fährt auf dem Trittbrett derer, die der staatlichen Empfehlung folgen. Ein moralischer Widerspruch, sicher. Aber den muss eine vielschichtige Gesellschaft aushalten. Nach dem monatelangen Pandemiefrust überwiegt ziemlich sicher die Zahl derer, die es gar nicht erwarten können, endlich den Piks und damit Sicherheit und Normalität zu bekommen, die Zahl der Skeptiker bei weitem.

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