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Kommentar: Ein trauriger Tag für Deutschland

Kommentar

Ein trauriger Tag für Deutschland

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    Mario Draghi hat bestätigt, dass er als Chef der Europäischen Zentralbank bereit ist, unbegrenzt Staatsanleihen von Schuldenländern zu kaufen
    Mario Draghi hat bestätigt, dass er als Chef der Europäischen Zentralbank bereit ist, unbegrenzt Staatsanleihen von Schuldenländern zu kaufen Foto: dpa

    Mario Draghi bestätigte endgültig, dass er als Chef der Europäischen Zentralbank bereit ist, unbegrenzt Staatsanleihen von Schuldenländern zu kaufen. Deutsche Tränen werden auch dadurch nicht getrocknet, dass sich die in den Genuss des EZB-Wellnesspaketes kommenden Nationen strikten Kontrollen des Rettungsfonds unterwerfen sollen.

    Der Italiener hat eine Art Kapitulationserklärung dahingehend abgegeben, dass mit den Mitteln klassischer Geldpolitik der Finanzkrise nicht mehr beizukommen ist. Was brächte es Draghi auch, den Leitzins von der Discountrate von 0,75 Prozent weiter zu senken? Die Banken haben schon heute die Möglichkeit, sich zu historisch niedrigen Konditionen mit Zentralbankgeld einzudecken. Nur was nutzt es?

    Das ist nicht das zentrale Problem Europas. Schwerer wiegt, dass es der EZB trotz einer Politik lockeren Geldes nicht gelungen ist, die Finanzierungsbedingungen für klamme Staaten nachhaltig zu verbessern. Und dies, obwohl die Notenbank bereits Staatsanleihen von Schuldenländern in Höhe von 209 Milliarden Euro gekauft hat. Der erste Teil des Sündenfalls ist geschehen. Gestern folgte der zweite und schwerer wiegende Streich der traurigen Geschichte, die für Deutschland sündteuer werden kann.

    Aus Haftungen können schnell Forderungen werden, falls Staaten wie Griechenland nicht auf die Beine kommen, für das vieles spricht. Der Präsident des Ifo-Institutes, Hans-Werner Sinn, hat die Gefahren wortreich beschrieben. Mit seinen kalt, überspitzt und rational vorgetragenen, in der Sache dennoch fundierten Analysen erreicht er nicht das Herz der Kanzlerin. Angela Merkel fordert mehr Mitgefühl mit Ländern wie

    Nicht nur die Entwicklungshelfer wissen, dass Hilfe zu Selbsthilfe mit überwachten Projekten wie dem Bau eines Brunnens wirkungsvoller ist, als die Gießkanne auszuschütten. Exakt letzteren Kardinalfehler begeht Draghi, indem er sein Herz weit für die Bedürfnisse der Schuldenländer öffnet und sie ohne Limit unterstützen will.

    Die Europäische Zentralbank

    Die Europäische Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt ist die Notenbank für die gemeinsame europäische Währung, den Euro.

    Sie soll vor allem Preisstabilität im gemeinsamen Währungsgebiet der 17 Eurostaaten wahren.

    Zudem soll sie auch die Wirtschaftspolitik unterstützen, soweit das Ziel der Preisstabilität nicht beeinträchtigt wird.

    Um die Inflation im Zaum zu halten, legt die EZB Leitzinsen fest. Über die Zinsen entscheidet der Zentralbankrat.

    Ihm gehören neben den sechs Direktoriumsmitgliedern der EZB auch die Präsidenten der 17 nationalen Zentralbanken an.

    EZB-Präsident ist seit November 2011 der Italiener Mario Draghi. dpa

    Eine derart überschwängliche Barmherzigkeit fordert den Missbrauch geradezu heraus. Wer unbegrenzt Kredit bekommt, hält immer wieder die Hand auf. Der Druck, den Schuldenschlendrian zu bekämpfen, sinkt. In der Wissenschaft wird das Phänomen „Moral Hazard“, eben „sittliche Gefährdung“ genannt. Nach dem mildtätigen Auftritt Draghis wissen Griechen und Spanier, dass die Zentralbank zu ihnen steht, wie auch immer sie sich benehmen. Diese Super-Draghi-Versicherung ist fatal: Regierungen verhalten sich nicht anders als Autobesitzer, die erwiesenermaßen leichtsinniger fahren, wenn sie gut versichert sind.

    Das alles verstößt fundamental gegen die Euro-Verträge, aus denen hervorgeht, dass die Europäische Union nicht für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten haftet. Draghi und Merkel gehen über die Nichtbeistands-Klausel hinweg. Das ist der eigentliche Skandal.

    Das Bundesverfassungsgericht könnte am 12. September die Tränen vieler Deutscher etwas trocknen, wenn es dem Sittenverfall den Appell an die Bundesregierung entgegensetzt, die Euro-Politik demokratisch besser zu legitimieren und die Interessen heimischer Steuerzahler entschiedener zu wahren.

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