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Kommentar: Ein Virus ist dabei, unsere Gesellschaft zu spalten

Kommentar

Ein Virus ist dabei, unsere Gesellschaft zu spalten

Christian Imminger
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    Ein Teilnehmer einer Demonstration von Gegnern der Corona-Maßnahmen steht auf dem Marktplatz und hält ein Mikrofon und einen schwarz-rot-goldenen Mundschutz in den Händen.
    Ein Teilnehmer einer Demonstration von Gegnern der Corona-Maßnahmen steht auf dem Marktplatz und hält ein Mikrofon und einen schwarz-rot-goldenen Mundschutz in den Händen. Foto: Robert Michael

    Krisen, so heißt es oft, können Gesellschaften zusammenbringen, Gemeinsinn stiften. Und am Anfang der Corona-Krise mag sich mancher wieder dieser Illusion hingegeben haben, als viel von Solidarität die Rede war und von #zusammenzuhause und so weiter. Leider ist aber eher das Gegenteil der Fall: Krisen spalten, lassen mindestens Risse innerhalb von Gesellschaften deutlich hervortreten – in sozialer, wirtschaftlicher, aber auch in weltanschaulicher und diskursiver Hinsicht.

    In dem Maße, in dem die Bilder aus Italien verblassten und die Fieberkurve der Fallzahlen flacher wurde, änderte sich jedenfalls auch hierzulande rasch wieder die Tonlage. Dass die drastischen Maßnahmen, welche die Politik angesichts der ungewissen Ausgangslage ergriffen hat, relativ schnell hinterfragt und diskutiert wurden, ist dabei für eine funktionierende Demokratie ebenso erfreulich normal wie überlebensnotwendig. Dass sich nun der Ton aber vernehmbar verschärft und ausgerechnet jene diese Demokratie zu verteidigen vorgeben, die mit ihr nicht viel am Aluhut haben, ist besorgniserregend.

    Ein Drittel der Demonstranten sind besorgte Bürger

    Eine gewisse „Staatsferne“ attestierte die Polizei den Demonstranten in Stuttgart, wo die bislang bundesweit größte Anti-Corona-Kundgebung stattfand. Der Teilnehmerkreis: ein Drittel Esoteriker und Verschwörungstheoretiker, ein Drittel Rechts- und Linksextreme sowie ein Drittel besorgte Bürger. Es ist dieser Mix, der beunruhigen muss. Denn wenn Menschen, die vielleicht schlicht Angst um ihre Existenz haben, neben Neonazis oder paranoiden Flachweltlern protestieren, schwappen die kruden Thesen über und breiten sich – wie in den sozialen Netzwerken – immer weiter Richtung heimischen Küchentisch und Mitte der Gesellschaft aus.

    Davon abgesehen, dass auf den meisten Kundgebungen das Mindestabstandsgebot ignoriert und damit ausgerechnet unter Berufung auf das Grundgesetz Grundrechte anderer missachtet wurden. Überhaupt scheinen da einige die Verfassung wieder für sich entdeckt zu haben, nur: Grundrechte sind kein persönlicher Wünsch-dir-was-Katalog, sondern müssen demokratisch gegeneinander abgewogen werden. Das passiert ständig, findet Ausdruck im Gesetz und wird im Alltag auch von den meisten akzeptiert. Und liegt der Gesetzgeber falsch, so wird er von Gerichten korrigiert – wie ja auch zuletzt angesichts einiger Verordnungen geschehen.

    Die Politik muss ihre Arbeit transparenter machen

    Grundsätzlich funktionieren diese Demokratie und die Gewaltenteilung also, auch wenn das derzeit wieder zunehmend bestritten wird, der Ton an den Flüchtlingsherbst 2015 erinnert und Virologen gar Morddrohungen erhalten. Doch was ist zu tun? Wenn jemand an Echsenmenschen, die große Weltverschwörung oder Adolf Hitler als Lichtgestalt glaubt, so ist dem wohl nicht mehr zu helfen. Dem Rest aber muss sich Politik besser erklären, und sie muss dabei der Versuchung widerstehen, es sich zu einfach zu machen und das Geschäft der Populisten zu betreiben. Wenn ein Armin Laschet sich etwa mokiert, dass Virologen alle paar Tage ihre „Meinungen“ ändern, so hat er nicht nur Wissenschaft nicht verstanden, sondern erhöht noch das Misstrauen und die Zweifel an denen „da oben“. Er und seine Amtskollegen müssten stattdessen transparenter machen, warum was geschieht. Denn ein Teil des Unmuts rührt ja daher, dass vielen gerade vieles inkonsistent vorkommt, etwa warum Freizeitparks wieder öffnen dürfen, während Kitas noch auf Notbetrieb sind, vom Fußball ganz zu schweigen.

    Ohne diese Transparenz aber werden noch mehr Menschen auf die Straßen gehen, wird die Polarisierung voranschreiten. Dabei sollte zuletzt doch eines klar geworden sein: Das Virus eindämmen, den Schaden begrenzen, das geht nur – halbwegs – gemeinsam.

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