Vielleicht hilft ein Bild, weil es so viel mehr erklärt, was gerade hinter vielen Haustüren passiert. Im Verborgenen, nicht ersichtlich in Statistiken und auch nicht messbar, denn wie misst man Seelenwohl? Neulich also dies: Ein kleiner Junge, vier Jahre, hatte Geburtstag. Der Kindergeburtstag ist natürlich ausgefallen, wegen Corona. Ebenso das Geburtstagskroneaufsetzen im Kindergarten. Eigentlich hätte sein bester Freund laut Ausgangsbeschränkungen nicht einmal vorbeifahren und ein Ständchen vor dem Küchenfenster singen dürfen – denn Geburtstagsständchen auf Distanz zu überbringen, zählt nicht zu den triftigen Gründen, das Haus zu verlassen. Sportliche Betätigung schon: also ab aufs Fahrrad, singen und hoffen, dass kein Ordnungshüter dazwischen kommt, der trotz Abstandhaltens den Ausgangsgrund bemängelt. Wenn doch, sind die 150 Euro Bußgeld eben eine Investition in das Seelenwohl zweier Kinder.
Und dann das: Der Blick der beiden Jungen, die Freude, sich nach all den Wochen wiederzusehen, das Geburtstagskind brach kurz in Tränen aus, weil es so gerne seinen Freund, den es so vermisste, umarmen und mit ihm Playmobil spielen wollte.
Corona-Beschränkungen: Kinder leiden massiv unter den Einschränkungen
Wer solche Szenen beobachtet, wünscht sich höchstwahrscheinlich, Herrn Söder, Frau Merkel oder Herrn Spahn kurz herbeamen zu können, damit sie sehen und begreifen, was ein Lockdown, ein wochenlanges Freunde-nicht-Sehen mit Kindern macht. Und um diese Entscheider zu fragen, warum bei allen Maßnahmen, bei allen Lockerungen die Kleinsten bislang außen vor gelassen und nur als Gefährder gesehen werden?
Jene Mitglieder unserer Gesellschaft also, die zwar höchstwahrscheinlich am lautesten von uns allen schreien könnten, aber kein Gehör finden. Auch weil sie als ökonomisch unwichtig gelten, obwohl sie doch am längsten von uns allen mit den Corona-Folgen zu leben haben.
Die Kleinsten müssen mit den härtesten Einschränkungen leben
Es ist empörend, wie wenig die Politik bisher bei ihren Entscheidungen an die Kinder und deren Seelenwohl denkt. Keine Gesellschaftsgruppe muss derzeit mit solch harten Einschränkungen leben wie die Kleinsten. Für alle anderen hat es bereits Lockerungen gegeben.
Die Hilfeschreie der Wirtschaft wurden schnell gehört und Milliarden an Hilfsgeldern aufgetrieben. Geschäfte dürfen wieder öffnen, das ist gut und richtig. Aber es fehlen vergleichbare Pläne für die Jüngsten, bislang gibt es nur Stückwerk. Prüfungsklassen dürfen als erste zurück an die Schulen, jüngere aber müssen - anders als etwa in Dänemark - warten.
Gegen die Einsamkeit von Alleinstehenden gibt es nun bei uns die Haushalt-Plus-Eins-Regel, von der auch ältere Kinder profitieren. So dürfen sich etwa zwei Zehnjährige zum Spielen mit Abstand im Freien verabreden. Aber zwei Mütter mit zwei Kleinkindern, die sich auf Abstand treffen, tun weiterhin etwas Verbotenes.
Entwicklungspsychologen warnen vor seelischen Kollateralschäden
Das ist absurd. Jeder Supermarktbesuch ist aus Virologensicht risikoreicher. Die Seele, gerade die junge, braucht auch Nahrung. Wenn sie hungert und leidet, erholt sie sich nicht so schnell wie der Körper. Entwicklungspsychologen warnen bereits vor massiven seelischen Kollateralschäden bei unserem Nachwuchs. Immer mehr Eltern wollen daher nicht länger als Gefängniswärter agieren und begehen zivilen Ungehorsam, um ihren Kindern Sichtkontakt zu ihren Freunden und einen Hauch von Normalität zu ermöglichen.
Es ist höchste Zeit, dass die Politik endlich einen Kita-Fahrplan entwirft, Familien eine Perspektive gibt und kleinen Kindern mit Lockerungen hilft. Lasst die Kinder endlich raus! Kinder brauchen Kinder! Gerade zahlen sie einen zu hohen Preis.
Alle Entwicklung rund um den Coronavirus finden Sie in unserem Live-Blog.
Lesen Sie auch:
- Kirchensteuer bricht weg: Wie Corona die Kirche vor Finanzprobleme stellt
- Söder: Öffnung der Gastronomie ab Ende Mai denkbar
- Maskenpflicht, Shoppen, Schule: Das gilt ab heute in Bayern
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.