Deutschland war brav, folgsam, schlau. Über die Ostertage hielten sich die Menschen bundesweit trotz besten Feiertagswetters an die strengen Corona-Regeln. Die Kontaktbeschränkungen wurden nur in ganz wenigen Fällen gebrochen, berichtete die Polizei. Das Land hat mehrheitlich verinnerlicht, dass der Kampf gegen das Virus nicht ohne eigene Anstrengungen zu führen ist. Das ist gleichzeitig eine solide Basis für die Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch, bei denen über mögliche Lockerungen diskutiert werden soll.
Corona-Krise: Massive Einschnitte in Grundrechte wurden nahezu klaglos hingenommen
Kanzlerin Angela Merkel, ihr Kabinett und die Ministerpräsidenten der Länder sind seit Ausbruch der Krise von den Wählerinnen und Wählern mit einem enormen Vertrauensvorschuss bedacht worden. Nahezu klaglos wurden massive Einschnitte in die Grundrechte hingenommen. So fanden Ostermärsche in diesem Jahr nicht statt, wie es überhaupt in den letzten Wochen keine Demonstrationen und Kundgebungen gab. Die Kirchen mussten leer bleiben, Ostergottesdienste wurden allenfalls virtuell übertragen.
Die Regierenden wissen, dass sie in ihrem Handeln zuvörderst dem Grundgesetz verpflichtet sind. Sie haben für ihr Treffen am Mittwoch im Kopf, dass der aktuelle, praktisch grundrechtsfreie Zustand nur einer auf Zeit sein kann und sein darf. Schon die aktuellen Beschränkungen sind vielfach fragwürdig, werden aber von der Mehrheit in der Einsicht mitgetragen, dass es anders gerade nicht geht. Wann aber soll Deutschland die strengen Corona-Regeln lockern?
Ein Indiz sind die nackten Zahlen. Die Verdopplungszahl soll aussagen, wie viele Tage es dauert, bis sich die Anzahl der Infizierten verdoppelt hat. Zweitens ist da die Reproduktionsrate, die Auskunft darüber gibt, wie viele Menschen ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt. Steigt die eine und sinkt die andere – und die Tendenz geht dahin -, sind Lockerungen wahrscheinlich.
Corona-Beschränkungen lockern: Umfragen können kein Maßstab sein
Darüber hinaus gibt es Fragen, die schwierig zu beantworten sind. Ist die freiheitliche demokratische Grundordnung ohne Risiko zu haben? Was ist uns die Freiheit wert, was die Gesundheit? Wie lange noch kann am Parlament vorbeiregiert werden?
Umfragen können der Politik kein Maßstab sein. Die Entscheidung über Lockerungen ist keine Mehrheitsentscheidung, sie muss die Situation aller Deutschen im Blick haben. Es spricht von einer gewissen elitären Ignoranz, wenn in einer Umfrage angeblich die meisten Menschen für eine Beibehaltung der Auflagen sind. Sie vergessen die Minderheit, die einsam Zuhause sitzt. Sie vergessen die Selbständigen, die vor dem Aus stehen. Auch Kurzarbeit ist nur für die länger hinnehmbar, die dank eines guten Gehalts die Kürzung verkraften können.
Der Ausweg wird wohl in schrittweisen Lockerungen der Beschränkungen bestehen
Bund und Länder müssen der Bevölkerung einen Ausweg zeigen. Er wird wohl in schrittweisen Lockerungen bestehen. Das machten am Wochenende jedenfalls Äußerungen verschiedener Ministerpräsidenten deutlich. Leider wurde dabei, beispielsweise an den unterschiedlichen Einschätzungen aus Nordrhein-Westfalen und Bayern, auch ersichtlich, dass die alten Verhaltensmuster wegen Corona nicht verschwunden sind. Streit über den richtigen Weg scheint nicht ausgeschlossen. Er würde aber vieles vom dem einreißen, was zuletzt an Vertrauen und Zusammenhalt aufgebaut wurde.
Die Bevölkerung hat in der Corona-Krise geliefert, sich zusammengerissen, sich brav, folgsam und schlau verhalten. Am Mittwoch muss die Politik zeigen, dass sie das auch kann.
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