Das Coronavirus spielt nicht nach unseren Regeln, sondern nach ganz eigenen, die die Forscher noch immer nicht zur Gänze enträtselt haben. So hat der Lockdown über Weihnachten und Silvester noch nicht annähernd die Wirkung erzielt, die Wissenschaft und Politik erwartet haben. Infektions- und Todeszahlen sind weiter auf hohem Niveau. Die Gesellschaft ist müde von der harten, hässlichen und langwierigen Zeit der Pandemie, die körperlich und seelisch viele Abwehrkräfte gekostet hat.
Dass mit Beginn des neuen Jahres Besserung eintreten würde, hat sich als trügerische Hoffnung erwiesen. Wie lange es dauert, bis die holprig gestartete Impfaktion wirklich Wirkung zeigt, ist völlig offen. In Sicherheit wiegen darf sich niemand. Bund und Länder werden an diesem Dienstag entscheiden müssen, wie es weitergeht. Die Tendenz ist klar: Fast alles spricht für eine Verlängerung der Maßnahmen, die die weitere Ausbreitung des Erregers eindämmen sollen, aber eben auch Wirtschaft, Kultur und Sozialleben lähmen. Das Leben, wie wir es kennen, wird noch eine Weile pausieren müssen.
Markus Söder mahnt zu größerer Vorsicht
Doch schon wenn es um die Dauer der Verlängerung geht, zeichnet sich wieder Streit ab. Soll der Lockdown nun bis Ende Januar dauern, schon früher enden oder noch deutlich länger gehen? Wie immer sind die Länder mit hohen Fallzahlen anderer Meinung als diejenigen, in denen es etwas besser aussieht. Besonders hitzig könnte um die Öffnung von Schulen und Kindergärten gezankt werden. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder etwa mahnt zu größter Vorsicht und nennt eine vorschnelle Rückkehr der Kinder in die Einrichtungen verantwortungslos. Dagegen gibt es unter den Kultusministern von Bund und Ländern, die sich schon am Montag beraten, starke Stimmen, die auf eine rasche Wiederöffnung drängen.
Recht haben beide Seiten. Die noch vor kurzem von Experten vertretene Einschätzung, dass das Infektionsgeschehen an Schulen keine wichtige Rolle spielt, hat sich im Winter als wohl zu optimistisch erwiesen. Kinder erkranken meist selbst nicht schwer an Corona, doch es sind viele Fälle bekannt, in denen sie Eltern oder Großeltern mit Corona angesteckt haben. Gleichzeitig zeigt sich heute mehr denn je, wie wichtig ein geregelter Schulunterricht für Kinder, Familien und die ganze Gesellschaft ist. Die vergangenen Monate aber haben viele beschämende Defizite ans Licht gebracht. Auch nach einem Jahr ist die Bildungslandschaft nicht annähernd pandemiefest.
Das Virus ist auf ein Bildungssystem getroffen, das in vielen Bereichen ohnehin finanziell schlecht ausgestattet und reformbedürftig ist. So folgte vielerorts schnell der Kollaps. Dabei hat sich auch gezeigt, dass es durchaus Strategien gibt, wie Bildung und Betreuung im Ausnahmezustand gelingen können. Durch Präsenzunterricht mit sinnvollen, durchgehenden Schutzmaßnahmen, durch digitale Angebote, die freilich eine solide Infrastruktur erfordern, oder sinnvollen Kombinationen aus alledem.
Der Staat muss den Kindern Bildung ermöglichen
Schulpflicht bedeutet nicht nur, dass alle Kinder die Schule besuchen müssen. Sondern auch, dass der Staat allen Kindern ermöglichen muss, die Schule auch in Krisenzeiten besuchen zu können. Im Moment hängt der Bildungserfolg vielfach davon ab, wie sehr die Eltern ihre Kinder unterstützen können. Kurzum: Bei diesem Bund-Länder-Gipfel muss es darum gehen, dass Kinder und Jugendliche nicht bei der Bildung auf der Strecke bleiben, dass Familien besser unterstützt werden. Das ist eine Herkulesaufgabe, der sich die Politik mit der gleichen Vehemenz und Finanzkraft widmen müssen, wie der Rettung der Wirtschaft. Und zwar am besten einig und ohne Blick auf persönliche Beliebtheitswerte.
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