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Kommentar: Deutschland hat dramatische Lage in Griechenland mitverschuldet

Kommentar

Deutschland hat dramatische Lage in Griechenland mitverschuldet

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    An der türkisch-griechischen Grenzprovinz Edirne harren derzeit Tausende aus. Die Migranten sind verzweifelt, da sie nicht über die Grenze dürfen.
    An der türkisch-griechischen Grenzprovinz Edirne harren derzeit Tausende aus. Die Migranten sind verzweifelt, da sie nicht über die Grenze dürfen. Foto: Yasin Akgul, dpa

    Deutschland ist das mächtigste Land der Europäischen Union. Doch es nutzt diese Macht nicht. Berlin führt nicht, wo es führen müsste. Es ist ein zaudernder Zyklop. In den großen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik macht sich Deutschland klein. Damit gibt es anderen Staaten den längeren Hebel in die Hand. Russland und die Türkei nutzen diese Passivität aus.

    Russlands Präsident Putin dominiert die Politik in Osteuropa und in Syrien, Deutschland trägt die Folgen in Form von Flüchtlingen. Der türkische Präsident Erdogan träumt davon, sich zum neuen Sultan aufzuschwingen und den Nahen Osten zu seinem Einflussbereich zu machen. Gerade versucht er, Europa zu erpressen, indem er die Grenzen für Flüchtlinge öffnet. In der EU ist das Zähneklappern laut zu hören. Die Furcht ist groß, dass sich das Jahr 2015 wiederholen könnte. Es hat die EU beinahe gesprengt und bis heute ist die Spaltung zwischen den Europäern tief. Das politische Klima ist seit 2015 so rau wie zuletzt zur Zeit des RAF-Terrors.

    Die deutsche Syrienpolitik ist ein einziges Desaster

    Nun soll es Griechenland richten, die Festungsmauer des Kontinents zu verteidigen. Ausgerechnet das ausgemergelte Athen. Die Griechen haben den höchsten Preis der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise bezahlt, die vor über zehn Jahren die Welt erfasste. Es waren maßgeblich Kanzlerin Merkel und ihr Finanzminister Schäuble, die den harten Sparkurs durchdrückten. Dabei unterschätzten sie die ökonomischen Folgen ihrer Politik. Denn jeder beim Staat eingesparte Euro schlug viel stärker auf die Gesamtwirtschaft durch, als es Berlin angenommen hatte. Bei wirtschaftlichen Fragen setzte die Bundesregierung ihre enorme Machtfülle ein und die eigenen Überzeugungen einer sparsamen Haushaltspolitik durch. Griechenland stutzte seinen zugegeben aufgeblähten Staatssektor zurecht wie ein Gärtner sein Gehölz vor dem Winter.

    Nun schafft es dieser abgemagerte Apparat nicht, die Schutzsuchenden aufzunehmen und würdig zu versorgen. In den Lagern herrschen unmenschliche Zustände. Sie sind überfüllt und vermüllt, es gibt viel zu wenig Toiletten, Duschen und winterfeste Dächer. Die verbliebenen Beamten sind mit den Asylanträgen völlig überlastet. Seit Jahren warnen die Bürgermeister der Inseln vor dieser menschengemachten Katastrophe. Vergeblich. Der griechischen Regierung wurde von den Europäern immer wieder versichert, sie nicht im Stich zu lassen. Doch weder brachten die befreundeten Länder einen fairen Verteilungsschlüssel zustande noch entsandten sie genügend Polizisten als Grenzschützer auf den Balkan. Die EU hätte für Griechenland auch ein Sondervermögen für die Flüchtlingshilfe auflegen können, was sie aber nicht tat. Nun soll es Geld geben, aber nun ist es schon fast zu spät.

    Griechenland soll Flüchtlinge von Europa fernhalten

    Die Bundeskanzlerin hat den Flüchtlingsdeal mit Erdogan beschlossen, danach aber die eigentliche Arbeit eingestellt. Die deutsche Syrienpolitik ist ein einziges Desaster. In ihrer gesamten Amtszeit schaffte es Merkel nicht, die Bundeswehr so auszustatten, dass Deutschland gemeinsam mit Amerikanern, Engländern und Franzosen in dem vom Bürgerkrieg zerfressenen Land robust auftreten und zum Beispiel eine Flugverbotszone im Norden einrichten konnte. Nun lösen die Bomben der Kampfflugzeuge Putins und des Diktators Assad gerade die nächste Massenflucht aus.

    Griechenland soll sie von Europa fernhalten. Am Montag kommt der griechische Premier Mitsotakis nach Berlin. Er muss dieses Mal mehr bekommen als warme Worte. Und Deutschland muss endlich lernen, Außenpolitik zu betreiben, die ihren Namen verdient.

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