Drei Dinge braucht es, um eine Wahl zu gewinnen: Eine kluge Strategie, authentische Köpfe und ein knackiges Programm. CDU und CSU erfüllen knapp sechs Monate vor der Bundestagswahl keine dieser Anforderungen.
Zur Strategie: Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die Masken-Affäre und das Debakel um den Oster-Lockdown haben der zuletzt so selbstgefälligen Union den Boden unter den Füßen weggezogen. Die Gewissheit, auf jeden Fall den nächsten Bundeskanzler zu stellen, ist mit einem Mal dahin. Der Plan, die Nominierung des Kanzlerkandidaten solange hinauszuzögern, bis sich erste Erfolge in der Bekämpfung der Pandemie zeigen, ist gescheitert. Die Union wird keinen strahlenden Krisenmanager als Kandidat für die Merkel-Nachfolge präsentieren können. Sie hat es nicht einmal geschafft, sich in den eigenen Reihen auf einen klaren Kurs in der Krise zu verständigen. Das ist ein Versäumnis, das ihren Markenkern in Zweifel zieht – in schwierigen Situationen für Stabilität und Ordnung zu sorgen.
Die Vorteile der politischen Konkurrenz sind offensichtlich
Zu den Köpfen: Die beiden Parteivorsitzenden und potenziellen Spitzenkandidaten, Armin Laschet und Markus Söder, die sich in den Grundlinien ihrer Politik unter Normalbedingungen bestenfalls in Nuancen unterscheiden, erscheinen in der Corona-Politik als Gegenpole. Diese Uneinigkeit verwirrt bürgerlich-konservative Wähler. Noch schwerer aber wiegt, dass hinter den beiden Herren gähnende Leere herrscht. Die Union hat kein sichtbares Team, in dem die Zukunftsthemen von profilierten Personen besetzt sind. Wer in der Union soll sich um die Wirtschaft kümmern, wer um Innovationen und Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Klimawandel?
Zum Programm: Antworten, wie es nach der Pandemie weitergehen soll, welche politischen Schwerpunkte gesetzt und welche Ziele verfolgt werden, sind von CDU und CSU noch nicht einmal in Ansätzen formuliert. Mit dem Verweis darauf, dass man in der Vergangenheit erfolgreich regiert hat, ist kein Blumentopf zu gewinnen.
Der Einwand, dass auch andere Parteien mit Strategie, Köpfen und Programm nicht unbedingt überzeugen, hilft der Union nicht weiter. Die Vorteile der politischen Konkurrenz sind offensichtlich. Das gilt für den bisherigen Regierungspartner: Der Spitzenkandidat der SPD, Bundesfinanzminister Olaf Scholz, präsentiert sich in der Regierung unaufgeregt und tut mit zähneknirschender Billigung der Union so, als ließe sich mit mehr Schulden alles regeln.
Die politischen Gegner der Union können sich zunächst darauf beschränken, die Regierungspolitik zu kritisieren
Das gilt aber noch mehr für die Oppositionsparteien: Die Grünen können zwar ihren beliebtesten Kopf, den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, nicht ins Rennen schicken, haben aber programmatisch das schärfste Profil. Linke und AfD scheinen sich auf eine stabile Stammwählerschaft stützen zu können. Und der eloquente FDP-Chef Christian Lindner wildert ungeniert und mit einigem Erfolg im wachsenden Lager der unzufriedenen Unionswähler.
Die politischen Gegner der Union können sich zunächst darauf beschränken, die Regierungspolitik zu kritisieren und eine Wechselstimmung zu befördern. CDU und CSU dagegen müssen alles daran setzen, die Wähler aufs Neue von sich zu überzeugen. Wenn sie nicht alle Chancen verspielen wollen, sollten sie schnell Klarheit in der Frage der Kanzlerkandidatur schaffen, sich auf eindeutige Ziele verständigen und ihrem Kandidaten Männer und Frauen zur Seite stellen, die für diese Ziele stehen. Viel Zeit bleibt den Unionsparteien dafür nicht. Der aktuelle Trend spricht gegen sie.
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