Es ist das kleine Wörtchen „zielgenau“, das den Unterschied macht. Die Europäische Union hat an diesem Montag keine Sanktionen gegen China verhängt, sondern „zielgenau“ gegen vier Chinesen. Bei ihnen handelt es sich um die Hauptverantwortlichen, die die uigurische Minderheit in Umerziehungslagern einer Gehirnwäsche unterziehen und gegen eine Vielzahl von Menschenrechten verstoßen.
Natürlich steckt hinter dieser offiziellen Begründung der Versuch, die Vollstrecker der Politik der kommunistischen Parteikader zu packen und einen Keil zwischen sie und die höheren Befehlsebene zu treiben. Vor allem aber will Brüssel nicht die offiziellen Gesprächskanäle blockieren.
EU verhängt Sanktionen gegen einige Chinesen
Wie Peking auf diese Taktik reagiert, wurde deshalb mit Spannung erwartet. Denn man hat es schließlich mit jener EU zu tun, mit der man noch vor wenigen Wochen ein Abkommen über weitere Investitionen abgeschlossen und sich dabei sogar zur Abschaffung von Zwangsarbeit bereiterklärt hatte. Die uigurische Minderheit wurde dabei ausdrücklich erwähnt. Peking durfte also das ohnehin geringe Vertrauen in diese Zusicherung nicht riskieren und nicht mit brachialer Gegengewalt reagieren. Man hätte sich vor der Weltöffentlichkeit bloßgestellt und den Vertrag mit der EU faktisch selbst ad absurdum geführt.
Die Antwort aus Peking erscheint deshalb „gleichwertig“, zeigt aber auch, dass die Staatspartei nicht verstanden hat, um was es der Gemeinschaft geht. Der Chef der europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, wird das Einreiseverbot in das Reich der Mitte zwar ebenso verschmerzen wie die übrigen, die nun vom Bannstrahl der KP getroffen werden. Aber die chinesische Führung hat damit Politiker verprellt, die in Europa viel für die beiderseitige Freundschaft getan haben, ohne allerdings je die katastrophale Menschenrechtssituation zu verschweigen.
Chinesen verhängen Einreiseverbot gegen Reinhard Bütikofer
Die Antwort aus Peking ist ein Fehler. Und sie ist auch deshalb kurzsichtig, weil der Staatsapparat es der Europäischen Union nun leicht macht, sich letztlich doch mit den Vereinigten Staaten zu einem Bündnis gegen Peking zusammenzuschließen. Das hätte China verhindern können. Die Organe der Europäischen Union haben begonnen, das neue Instrument der Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen auf eine überaus interessante Weise zu nutzen. In immer mehr Fällen setzt man es nämlich gegen Staaten ein, mit denen man intensive wirtschaftliche Kooperationen pflegt.
Die waren bisher in vielen Fällen umstritten, weil die Kritiker der Gemeinschaft vorwerfen konnten, ökonomische Fragen hoher zu bewerten als moralische. Der Fall China zeigt, dass die Gemeinschaft ihre Beißhemmung verliert und beides zusammenbringen will. Auch ein wirtschaftlicher Partner muss damit rechnen, dass seine miserable Menschenrechtspolitik nicht mehr unbeachtet bleibt. Dazu war es nötig, dieses neue Instrument zuzuspitzen und „zielgenau“ gegen die zu richten, die vor Ort die Verantwortung tragen. Ob diese Rechnung aufgeht - also tatsächlich neue Realitäten bei den Menschenrechten schaffen kann - , ist noch nicht absehbar. Aber es bleibt einen Versuch wert, um sich als EU selbst nicht länger verleugnen zu müssen, wenn man zwar Freihandelsverträge schließt, aber die Opfer eines Regimes darin nicht vorkommen.
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