Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger warnte 1969: „Ich sage nur China, China, China“, raunte der CDU-Politiker. Das klang nach der rassistisch unterlegten diffusen Angst vor einer „gelben Gefahr“ aus dem 19. Jahrhundert. Es mag sein, dass solch dümmliche Stereotype bis heute nachwirken, doch die Sorgen angesichts der wachsenden Aggressivität der chinesischen Politik sind heute real und konkret.
Schon seit vielen Jahren reagiert China verärgert, wenn es aus dem Ausland für Menschenrechtsverletzungen, seine rabiate Politik in Hongkong oder Drohgebärden in Richtung Taiwans kritisiert wird. Neu ist der aggressive Ton gegenüber westlichen Demokratien, geprägt von auftrumpfender Herablassung und Verachtung. Die Wahrheit ist, dass gerade Europa dazu beigetragen hat, dass sich Peking zu nationalistischen Allmachtsfantasien versteigt. In schrillem Kontrast zu dem Engagement Brüssels und nicht zuletzt der Bundeskanzlerin Angela Merkel für das Investitionsabkommen mit China steht die Leisetreterei angesichts der Verbrechen des Regimes. Doch das Bild wandelt sich. Die EU kann die Lage in der Provinz Xinjiang nicht ignorieren: Hunderttausende Uiguren, eine muslimische Minderheit, werden in Lagern festgehalten. Zwangsarbeit und Zwangssterilisation sind dokumentiert. Das niederländische Parlament spricht von „Völkermord“, andere treffender von einem „kulturellen Genozid“, sprich von dem Versuch, die ethnische und religiöse Identität der Uiguren zu vernichten.
Die EU raffte sich zu Sanktionen auf – „Symbolpolitik“, wie Skeptiker sofort riefen. Doch Symbole sind wichtig, gerade in Asien. Die Antwort Chinas kam schnell und hart. Die Botschaft hinter den Gegensanktionen: Seht her, wir können die Eskalationsspirale jederzeit eine Umdrehung weiter hochschrauben. Bezeichnend ist, welche Wissenschaftler, Parlamentarier und Institutionen von Chinas Bannstrahl getroffen wurden. Es sind Personen und Einrichtungen, die sich wie das Mercator Institute for China Studies analytisch, also keinesfalls feindselig mit der atemberaubenden Entwicklung der jungen Weltmacht beschäftigen. Für die Machthaber in Peking ist schon Analyse Einmischung.
Joe Biden könnte für eine nachhaltige Eindämmungspolitik stehen
Auch der frühere US-Präsident Donald Trump galt als harter Gegner Chinas, doch er war nicht in der Lage, eine nachhaltige Strategie zu entwickeln. Joe Biden scheint entschlossen, dem Hegemonialstrebens Chinas zusammen mit den Verbündeten entgegenzutreten. Ein Handelsboykott wäre der falsche Weg. Damit würde der Westen den Schlüssel zur Begrenzung chinesischer Expansionsgelüste aus der Hand geben. Gleichzeitig muss streng darauf geachtet werden, ökonomische Abhängigkeiten zu vermeiden oder zumindest nicht zu verschärfen. Sensible Technologie-Bereiche wie der Aufbau von 5G-Netzen sollten nicht chinesischen Unternehmen überlassen werden. Die Exportnation Deutschland wird dafür einen Preis zahlen. Aber Berlin muss jetzt Farbe bekennen, anstatt selbstzufrieden im Windschatten der USA zu segeln.
Der Westen muss die freien Schifffahrtsrouten im Südchinesischen Meer sichern
Gleichzeitig muss der Westen verhindern, dass China das Südchinesische Meer schleichend okkupiert. Freie Schifffahrtsrouten müssen auch mit militärischer Präsenz gesichert werden. Befreundete Länder wie Australien oder Japan, die sich zuletzt entschiedener gegen die Politik der Einschüchterung durch China wehren, dürfen nicht im Stich gelassen werden.
Die Eindämmungspolitik des Westens gegenüber China sollte in Zukunft so ausdauernd sein wie Pekings Versuch, seine Macht auszubauen. Allerdings ohne Erpressung und Aggression.
Lesen Sie auch:
- Die ersten Sanktionen seit 30 Jahren: So legt sich die EU mit China an
- Alexander Graf Lambsdorff: "Chinas Vision ist Dominanz"
- Präsident Xi Jinping ruft Militär zur "Kampfbereitschaft" auf