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Kirche: Was hat Papst Franziskus mit der katholischen Kirche vor?

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Was hat Papst Franziskus mit der katholischen Kirche vor?

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    Papst Franziskus bringt Bewegung in die katholische Kirche.
    Papst Franziskus bringt Bewegung in die katholische Kirche. Foto: Archivbild, Angelo Carconi (dpa)

    Was hat Papst Franziskus mit der katholischen Kirche vor? Die Erwartungen an die Weltbischofssynode, die am 4. Oktober in Rom beginnt, sind riesig. Während sich zahlreiche Katholiken von dem Treffen Reformen erhoffen, fürchten konservative Katholiken um die Reinheit der Lehre. Erst kürzlich wurde bekannt, dass der Widerstand gegen Papst Franziskus wächst: In einem Papier, das im Vatikan zirkuliert, wird er von hochrangigen Geistlichen für seine jüngsten Entscheidungen scharf kritisiert.

    Wir sprachen mit Jeremias Schröder, Abtpräses der Benediktinerkongregation von St. Ottilien im Landkreis Landsberg am Lech, darüber. Er ist einer von nur vier stimmberechtigten Synodenteilnehmern aus Deutschland – neben Erzbischof Reinhard Kardinal Marx, Bischof Franz-Josef Bode und Erzbischof Heiner Koch.

    Abt Jeremias, sind Sie bereit für den Kampf?

    Abt Jeremias: Ich hoffe sehr, dass die bevorstehende Weltbischofssynode keine Kampf-Synode wird, trotz der zurzeit sichtbaren Polarisierungen. Ich hoffe, dass wir gemeinsam an Lösungen arbeiten werden.

    Wenn man dieser Tage hört, wie sich einige katholische Amts- und Würdenträger im Vorfeld der dreiwöchigen Synode zum Thema Ehe und Familie äußern, dann muss man feststellen: Konservative und eher reformorientierte Kirchenvertreter ringen überaus heftig um den Kurs der Kirche.

    Jeremias: Ich frage mich momentan eher, ob Papst Franziskus auf der Ebene von Synoden etwas erreichen kann. Eine Synode, die lediglich wiederholt, was bereits gesagt wurde, gab es schließlich schon oft. Damit wäre nichts gewonnen, das wäre ein Stillstand. Und Papst Franziskus erwartet sich offensichtlich mehr von dieser Synode. Die spannende Frage ist also: Kommt es zum mutigen Schritt nach vorn oder wird Bekanntes wiederholt?

    Hätte Franziskus nichts ändern wollen, hätte er die Familiensynode nicht einberufen müssen.

    Jeremias: Ich glaube, es ist wichtig zu sehen, dass Franziskus die Synode als Instrument stärken wollte. Synoden gibt es seit langem, aber sie haben nicht wirklich Bahnbrechendes bewirkt in der Vergangenheit. Franziskus wollte der Weltkirche eine Stimme geben im Voranbewegen der Kirche – und das passiert jetzt. Für seine erste Synode hat er ein Thema gewählt, bei dem er offensichtlich Änderungsbedarf sieht.

    Es geht auch um den Umgang mit wiederverheirateten Katholiken

    Es geht um die Kirchenlehre zu Ehe und Familie, etwa um den Umgang mit wiederverheirateten Katholiken. Erleben wir gerade einen Wahlkampf um mehrheitsfähige Positionen?

    Jeremias: Vorfestlegungen halte ich für wenig hilfreich. Alle wichtigen Dinge müssen beispielsweise bei uns im Kloster von allen Mitbrüdern gemeinsam entschieden werden. Denn wir sind uns bewusst: Erst wenn alle zusammenkommen und ein Problem von allen Seiten beleuchten, lässt sich allmählich feststellen, wie eine Lösung aussehen könnte. Dieses Vorgehen erwarte ich mir auch von der Synode.

    Sie wissen also noch nicht, wie Sie bei der Synode über bestimmte Themenbereiche abstimmen werden?

    Jeremias: Ich halte es geradezu für meine Pflicht, offen in die Synode zu gehen.

    Was wollen Sie einbringen?

    Jeremias: Viele Fragen, um die es geht, sollte man regional entscheiden dürfen. Wir brauchen nicht für jedes Problem eine einheitliche, gesamtkirchliche Lösung, die in Rom erarbeitet wurde. Die Kirche muss sich vielleicht darauf verständigen, dass in unterschiedlichen Weltregionen und Kulturkreisen ein jeweils anderer Umgang mit dem komplexen Thema Familie ermöglicht wird. Ein Ordensmitglied aus dem Nahen Osten sagte mir jüngst: Eine Würdigung gleichgeschlechtlicher Lebensformen durch die Kirche wäre, rein hypothetisch, möglicherweise in Europa denkbar. Im islamischen Kontext wäre es das aber keinesfalls.

    Welchen Beitrag zur Familiensynode können Sie speziell als Ordensmann denn leisten?

    Jeremias: Wir Benediktiner gehen sehr versöhnt und annehmend miteinander um. Vielleicht kann das auch mit einfließen in die möglicherweise überhitzte Situation in Rom. Ich erhoffe mir, dass spürbar wird, dass die Kirche die Nöte, Ängste und Sorgen der Menschen ernst nimmt. Dass spürbar wird: Da ist Leben in der Kirche, da bewegt sich was. Da werden Chancen wahrgenommen.

    Ein frommer Wunsch?

    Jeremias: Die Synode ist ein Experiment, und ich wünsche mir, dass es glückt. Dass sich zeigt: Die Weltkirche kann bei derartigen Entscheidungen mitreden, sie müssen nicht nur der Römischen Kurie überlassen werden. Das wäre eine echte Veränderung in der Leitungskultur der katholischen Kirche. Wenn das klappt, wäre das ein großer Schritt vorwärts.

    Konservative und reformorientierte Kardinäle tragen seit Monaten ihre Auseinandersetzungen um Reformen öffentlich aus. Etwa indem sie ihre weit auseinanderliegenden Positionen in Interviews oder Büchern darlegen.

    Jeremias: Ich hoffe, dass das nicht die Ebene sein wird, auf der Entscheidungen zustande kommen. Es werden ja hoffentlich keine Bücher gewogen oder einfach nur Stimmen ausgezählt. Die Synodenteilnehmer müssen im Miteinander einen Konsens finden. Das ist das kirchliche Verfahren bei der Entwicklung von Positionen.

    Synode als Bühne für einen möglichen künftigen Papst?

    Kardinäle und Bischöfe vermitteln den Eindruck, dass sie zutiefst zerstritten sind. Ist das nicht ein verheerendes Bild, welches die Kirche da abgibt?

    Jeremias: Ich vermute, dass das vor Ort in Rom ganz anders sein wird. Das Prozedere der Synode wurde auch leicht verändert: Man will jetzt schon viel früher in Kleingruppen diskutieren. Das war ursprünglich erst für die zweite Hälfte der Synode geplant. Da merkt man: Die Synodenteilnehmer sollen ins Gespräch miteinander gebracht werden. Ich gehe ganz entspannt und optimistisch in die Synode hinein.

    Ist so eine Synode auch eine Bühne für einen möglichen künftigen Papst?

    Jeremias: Vorstellen kann ich mir das schon. Aber die Synode wählt ja nicht den Papst.

    Wie erklären Sie jemandem, der von hochrangigen Kirchenvertretern erwartet, Vorbild in Sachen Nächstenliebe zu sein, die gegenwärtigen Machtkämpfe?

    Jeremias: Die Schärfe der Auseinandersetzung hat sicher auch damit zu tun, dass es bei der Synode wirklich um etwas geht – etwas, das ganz viele Menschen bewegt. Das war bei den früheren Synoden nicht unbedingt immer der Fall. Wer erinnert sich denn an die Themen der letzten fünf Synoden? Man muss bestimmte Positionen nicht teilen. Aber man muss doch anerkennen, dass etwa ein Bischof mit seinem Gewissen hinter ihnen steht. Es wird spannend.

    Der Papst wollte eine offene Debatte über strittige Themen. Hat er sie bekommen? Oder hat er eher dafür gesorgt, dass sich die Lager einbetoniert haben?

    Jeremias: Er wollte eine offene Debatte, das heißt, dass Positionen freimütig geäußert werden konnten. Der Papst hat bekommen, was er wollte.

    ---Trennung _Hat sich die Kirche vom Alltag der Menschen entfernt?_ Trennung---

    "Ich erlebe den Papst als überraschend kreativ"

    Wie können die Synodenteilnehmer denn nun zueinanderfinden? Es wird Verlierer und Gewinner geben ...

    Jeremias: Es wird jetzt auch auf die Leitung der Synode ankommen, zunächst einen freien Austausch zu ermöglichen, dann aber auch Argumente zu bündeln und konsensfähige Positionen zu entwickeln. Das gelingt mit einer guten Moderation.

    Die Bischöfe werden keine Entscheidungen treffen, sondern dem Papst letztlich nur eine Empfehlung geben. Was glauben Sie: Wie wird Franziskus beim Thema wiederverheiratete Geschiedene, die ja von der Kommunion ausgeschlossen sind, entscheiden?

    Jeremias: Ich erlebe den Papst als überraschend kreativ. Was da am vergangenen Dienstag passiert ist, hat vielen die Kinnladen hinunterklappen lassen.

    Franziskus hat die Annullierung von Ehen erleichtert und damit konservative Kirchenvertreter gegen sich aufgebracht. Sie fürchten, dass das Dogma der Unauflöslichkeit der Ehe durch derartige Entscheidungen infrage gestellt wird.

    Jeremias: Wir haben ein sehr kraftvolles Jesus-Wort zur Unauflöslichkeit der Ehe. Das steht kernig, aber auch sperrig im Raum. Dem kann sich die Kirche nicht einfach entziehen. Gleichzeitig hat die Kirche bereits im 4. Jahrhundert Wege gefunden, mit dem Scheitern von Menschen umzugehen. Es war eine im Konzil von Nicäa gefasste Position, dass in der kirchlichen Gemeinschaft angenommen werden muss, wer in einer zweiten Ehe zusammenlebt.

    Gilt eine erste Ehe vonseiten der Kirche als nicht existent, steht einer neuen Heirat und der Wiederzulassung zur Kommunion nichts mehr im Wege. Für die Vielzahl der Katholiken wird dies jedoch kein gangbarer Weg sein.

    Jeremias: In Deutschland wäre das wohl nicht akzeptiert, das stimmt. Es würde als ein nicht ehrlicher Umgang mit der Vergangenheit empfunden, denn es gab ja eine Ehe, da war ja etwas – und nicht nichts. In China wird die Möglichkeit, eine Ehe leichter annullieren zu können, sicher begrüßt. Und in den USA zum Beispiel wird die Ehe-Annullierung schon bisher viel häufiger angewandt als bei uns.

    Die Entscheidung des Papstes wurde im Vatikan als Alleingang aufgefasst: Im Falle der Ehe-Annullierung gebe es nun nichts mehr zu diskutieren.

    Jeremias: Ich glaube, dass dieser Punkt erst einmal erledigt ist, ja.

    Wandel sei nicht per se gut oder schlecht

    Die Familienumfragen des Vatikans und eine Studie dreier deutscher Studenten haben ergeben, dass eine tiefe Kluft zwischen Teilen der Kirchenlehre und dem Alltag der Menschen herrscht.

    Jeremias: Das stimmt mich natürlich nachdenklich, weil wir erleben, wie sich Wertvorstellungen verändern. Ich bin aber auch Historiker und weiß: Wir halten heute oft ein Familienbild hoch, das so gar nicht verbreitet oder in der Gesellschaft verankert war.

    Mit dem traditionellen Familienbild ist die Vater-Mutter-Kind-Familie gemeint. Und die Ehe wurde in der Kirche und vor Gott geschlossen.

    Jeremias: Im 19. Jahrhundert lebte gerade im ländlichen Raum nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung in der sakramental festgefügten Ehe. Die Ehe war vielen aus sozialen Gründen überhaupt nicht möglich: Knechte oder Mägde konnten nicht heiraten, „ledige Kinder“, wie man damals sagte, waren an der Tagesordnung. Es gab früher also keine Bilderbuchwelt, die sich jetzt verändert. Die Dinge wandeln sich fortwährend.

    Und das ist schlecht?

    Jeremias: Es ist nicht per se gut oder schlecht. Man muss allerdings sehen, wie man das Menschliche in diesem Wandel stärken und retten kann. Ich glaube nicht, dass viel damit gewonnen ist, wenn man Rückzugsgefechte führt und jede einzelne soziale Änderung kritisieren will. Wir als Kirche müssen das konstruktiv angehen und uns fragen: Wie können wir die Menschen in bestimmten Lebenssituationen aus dem Evangelium heraus stärken?

    Was spricht dann eigentlich gegen den Vorschlag des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, gleichgeschlechtliche Partnerschaften kirchlich zu segnen? Einen Segen kann man ja als Bestärkung dafür auffassen, sich in einer Partnerschaft treu zu bleiben.

    Jeremias: In dieser Frage hat mir Kardinal Rainer Maria Woelki die Augen geöffnet: Er hat darauf hingewiesen, welche Werte, etwa Treue, auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gelebt werden. Einen Segen für sie schließt das nicht aus, aber dann müsste die Kirche dafür vielleicht auch neue Formen finden. Ich fände es jedenfalls fatal, wenn eine Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften verwechselt würde mit dem Sakrament der Ehe von Mann und Frau, die auf die Zeugung von Leben hin gegründet ist.

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