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Europa: Kein Grund zum Feiern

Europa

Kein Grund zum Feiern

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    Der damalige ungarische Außenminister Horn (rechts) und sein österreichischer Amtskollege Mock durchtrennen den „Eisernen Vorhang“.
    Der damalige ungarische Außenminister Horn (rechts) und sein österreichischer Amtskollege Mock durchtrennen den „Eisernen Vorhang“. Foto: Robert Jäger, dpa

    Es waren historische Tage, in jenem Sommer 1989, Tage, die den Lauf der Welt verändern sollten: Am 27. Juni 1989 zerschnitten der österreichische Außenminister Alois Mock und sein ungarischer Amtskollege Gyula Horn vor Fernsehkameras aus aller Welt den Grenzstacheldraht zwischen ihren Ländern. Er trennte damals den freien, demokratischen Westen vom unfreien Osten. Am 19. August folgte an der Grenze das „paneuropäische Frühstück“ mit einer dreistündigen Grenzöffnung. Otto von Habsburgs Paneuropa-Union hatte es initiiert. Hunderte DDR-Bürger flüchteten nach Österreich. Das Ende des Eisernen Vorhangs war gekommen.

    So hell die Ereignisse von damals auch heute noch strahlen – Ungarns Regierung kann sie kaum glaubwürdig feiern. Denn dem rechtsnationalen Regierungschef Viktor Orbán wird vorgeworfen, die vor 30 Jahren erkämpfte Demokratie wieder zu zerstören und ein autoritäres Regime zu etablieren. Der jüngste Anlass: Die ungarische Akademie der Wissenschaften wird in ihrer Freiheit bedroht. Forschungsinstitute sollen ausgelagert und an regierungstreue Einrichtungen angebunden werden.

    Anders als die vom US-Milliardär George Soros mitgegründete Central European University (CEU) könne die Akademie der Wissenschaften als eine der ältesten Institutionen Ungarns „nicht nach Wien umziehen“, klagte der Präsident der Akademie Laszlo Lovasz. Die CEU lehrt ab September auch in Wien. George Soros, 88, erhielt dort jetzt den Joseph-Schumpeter-Preis für sein „Lebenswerk im Dienst der Freiheit“. In seiner Danksagung versicherte er, die CEU werde einen „wesentlichen Beitrag zum wissenschaftlichen und kulturellen Fortschritt des Landes beitragen“. Auf Druck der rechtsnationalen Regierung Viktor Orbáns musste die CEU diejenigen Studiengänge nach Wien verlegen, die amerikanische Abschlüsse anbieten. Soros, der den Holocaust in Ungarn überlebt und nach dem Krieg in den USA sein Vermögen gemacht hat, wurde in Ungarn zum erklärten Feindbild der regierenden Fidesz-Partei. Ein Grund ist, dass seine Stiftung Open Society die ungarische Zivilgesellschaft in ihrem Einsatz für die Demokratie unterstützt.

    CEU-Rektor Michael Ignatieff gab bei der Ehrung der EU-Strukturförderung Mitschuld an der politischen Entwicklung in Ungarn. Autoritäre Regime könnten sich „die Loyalität ihrer Wählerschaft mithilfe des Geldes anderer“ sichern, sagte er. „Die Europäische Integration hilft bei der Konsolidierung des Ein-Parteien-Staates.“ Ein Grund dafür liege in den Europäischen Verträgen. Sie seien zu sehr auf Wirtschaftsbeziehungen und nicht auf die akademische oder politische Freiheit ausgerichtet. Deshalb habe die EU keine wirksame rechtliche Handhabe gegen Viktor Orbáns autoritäre Politik. Die EU sei viel stärker „bei der Verteidigung ihrer Interessen als bei der Verteidigung ihrer Werte“.

    Derzeit steht Orbáns Fidesz-Partei wegen ihrer antidemokratischen Politik unter Beobachtung der Europäischen Volkspartei. Ihre Mitgliedschaft ruht. Orbán wehrt sich gegen die Kritik. Im Staatsrundfunk Kossuth sagte er: „Ich kann nicht akzeptieren, dass sie hierherkommen und uns wie auf einem Pferdemarkt die Zähne untersuchen.“

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