Hermann Otto Solms hat schon viele politische Ämter bekleidet. Der 76-jährige Liberale war Fraktionsvize und von 1991 bis 1998 Chef der FDP-Bundestagsfraktion, danach von 1998 bis 2013 Bundestagsvizepräsident, zudem ist er zum dritten Mal Schatzmeister der Freien Demokraten.
FDP-Abgeordneter Solms wird Alterspräsident
Am Dienstag kommt ein weiteres Amt hinzu – als Alterspräsident wird er die konstituierende Sitzung des 19. Deutschen Bundestags mit einer Ansprache eröffnen und bis zur Wahl eines neuen Bundestagspräsidenten leiten. Einziger Kandidat für dieses Amt, das protokollarisch hinter dem des Bundespräsidenten an zweiter Stelle steht, ist der bisherige Finanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU. Er löst seinen Parteifreund Norbert Lammert ab, der zwölf Jahre lang an der Spitze des Parlaments stand und bei der Wahl am 24. September nicht mehr kandidierte.
Die Kandidatur Schäubles ist denn auch der Grund dafür, warum Hermann Otto Solms völlig überraschend Alterspräsident wird. Ist er doch weder der an Lebensjahren älteste Abgeordnete – das ist der Neuling Wilhelm von Gottberg von der AfD, der acht Monate älter ist als Solms – noch der Abgeordnete mit der längsten Zugehörigkeit zum Bundestag – das ist Wolfgang Schäuble mit 45 Jahren. Solms kommt "nur" auf 33 Jahre. Doch weil nach einer Änderung der Geschäftsordnung nicht mehr der älteste, sondern der dienstälteste Abgeordnete die Konstituierung leiten sollte, Schäuble aber auf das Amt verzichtete, da er sich nicht selber als Präsident vorschlagen wollte und nach seiner Wahl ohnehin die Gelegenheit hat, eine Ansprache zu halten, war der Weg für den Abgeordneten mit der zweitlängsten Amtszeit frei – Hermann Otto Solms von den Liberalen.
Das alles wäre reine Routine – hätte nicht die AfD am Montag nach einer Fraktionssitzung angekündigt, Schäuble wegen seiner Euro-Rettungspolitik nicht wählen zu wollen. Der Chef der Unionsfraktion, Volker Kauder, nannte diesen Vorgang "besonders bemerkenswert", zumal die AfD für sich selbst beanspruche, dass ihr Kandidat für einen Vizeposten "natürlich zu wählen" sei.
Wolfgang Kubicki will Bundestagsvizepräsident werden
Damit spricht alles dafür, dass es zu einem Eklat bei der Wahl der Stellvertreter Schäubles kommen wird. Nach der Geschäftsordnung steht jeder Fraktion ein Vize-Posten zu. Die CDU/CSU-Fraktion nominierte den früheren Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU aus Hof, die Grünen und die Linke schicken die bisherigen Vizepräsidentinnen Claudia Roth (Augsburg) und Petra Pau aus Berlin ins Rennen, für die FDP kandidiert der Schleswig-Holsteiner Wolfgang Kubicki. In der SPD setzte sich bei einer Sitzung der Fraktion am Montagabend Ex-Fraktionschef Thomas Oppermann durch, nachdem sowohl die amtierende Vizepräsidentin und frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt als auch die bisherige Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht ihre Kandidatur zurückgezogen hatten – ein Punktsieg für die neue Fraktionschefin Andrea Nahles. Diese Kandidaten sind unumstritten und dürften problemlos gewählt werden.
Dagegen gibt es massive Widerstände gegen den Kandidaten der AfD, den früheren Stadtkämmerer von Frankfurt/Main, Albrecht Glaser. Dieser hatte gesagt, der Islam sei keine Religion, sondern eine Ideologie, zudem forderte er, den Muslimen das im Grundgesetz verankerte Recht auf Religionsfreiheit zu entziehen. SPD, Grüne, FDP und Linke kündigten bereits vor Längerem an, Glaser wegen seiner Einstellung zum Islam nicht wählen zu wollen, die Union hat es ihren Abgeordneten freigestellt, wie sie abstimmen, es gilt als sicher, dass er keine Mehrheit bekommt.
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland bekräftigte, in jedem Fall an der Nominierung Glasers festzuhalten, notfalls werde der Kandidat auch mehrfach antreten. Doch dies ist ein stumpfes Schwert – jeder Kandidat benötigt in den beiden ersten Wahlgängen die Mehrheit aller Abgeordneten, im dritten Wahlgang mehr Ja- als Neinstimmen. Und es gibt einen Präzedenzfall: 2005 fiel der damalige Kandidat der Linkspartei, Lothar Bisky, insgesamt viermal durch. Ein halbes Jahr später nominierte die Partei Petra Pau. Sie ist seitdem Vizepräsidentin.