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Kandidatur: Steinbrück sorgt für gute Stimmung in der SPD

Kandidatur

Steinbrück sorgt für gute Stimmung in der SPD

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    Peer Steinbrück (links) und Sigmar Gabriel haben bei der Haushaltsdebatte am vergangenen Mittwoch ganz offensichtlich ihren Spaß.
    Peer Steinbrück (links) und Sigmar Gabriel haben bei der Haushaltsdebatte am vergangenen Mittwoch ganz offensichtlich ihren Spaß. Foto: dpa

    Manchmal ist ein kleiner Zwischenruf wirkungsvoller als eine große Rede. Eine halbe Stunde lang hat Oppositionschef Frank-Walter Steinmeier vor dem Bundestag die Politik der Kanzlerin auseinandergenommen – für den eigentlichen Aha-Effekt in der Haushaltsdebatte der vergangenen Woche aber sorgt ein einfacher Abgeordneter der SPD aus dem rheinischen Mettmann. „Argumentieren Sie doch nicht so einseitig“, unterbricht Peer Steinbrück den Finanzminister, als der dem Parlament gerade seinen Etat erläutert. Wolfgang Schäuble aber kontert zur Freude aller Fernsehsender mit beißendem Spott: „Herr Kollege, wenn Sie Kanzlerkandidat werden wollen, müssen Sie sich noch ein bisschen bessere Manieren zulegen; sonst wird das nichts.“

    Das ist sie wieder, die K-Frage, über die Steinbrück eigentlich nicht mehr reden will, die ihn aber so zuverlässig begleitet wie einst seine Leibwächter. An diesem Abend steht der 64-Jährige in der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin und erzählt vom Euro, von der Schuldenkrise und der Notwendigkeit, den Griechen einen Teil ihrer Verbindlichkeiten zu erlassen. Es ist ein etwas unwirklicher Auftritt, weil sein Publikum nicht aus den üblichen Gästen, aus Abgeordneten, Fraktionsmenschen oder Lobbyisten besteht, sondern zu mindestens zwei Dritteln aus Journalisten, die sich weniger für seine finanzpolitische Expertise interessieren als für die sozialdemokratische Gefechtslage. Steinbrück jedoch genießt diese Aufmerksamkeit und kokettiert gewohnt schnoddrig mit ihr. Er müsse alle enttäuschen, frotzelt er gleich zu Beginn, die nun jeden seiner Sätze auf versteckte Signale hin decodieren wollten. Diese Form des beredten Schweigens ist in der Politik eine Kunstform für sich: Etwas nicht zu sagen, heißt ja noch nicht, es nicht zu wollen…

    Altkanzler Helmut Schmidt und Steinbrück in einer Art Dialog

    In den Umfragen liegt der gefühlte Kanzlerkandidat der SPD gleichauf mit Angela Merkel und teilweise sogar schon deutlich vor ihr. Auch sonst spielt er nur noch in der allerersten Liga: Einladungen in Talkshows, in denen er neben all den Gysis und Künasts, den Lindners und Dobrindts sitzen und sich im politischen Klein-Klein verlieren müsste, schlägt Steinbrück regelmäßig aus. Wozu sich unter Wert verkaufen, wo es doch andere, standesgemäßere Formate gibt? Mit Helmut Schmidt bei Günther Jauch oder Reinhold Beckmann zum Beispiel. Die Gelegenheit dafür ist günstig: Im Oktober erscheint ein neues Buch, in dem der Altkanzler und sein politischer Enkel Steinbrück eine Art Dialog über die Probleme der Welt im Allgemeinen und die deutschen im Besonderen führen. Der Einband zeigt sie bei einer Partie Schach.

    Es gibt Genossen, die behaupten, dass Steinbrück so geschickt seine Kanzlerkandidatur vorbereite, Zug um Zug gewissermaßen, und dass der Hype um ihn bald einen Punkt erreichen wird, an dem die SPD gar nicht mehr anders könne. Parteichef Sigmar Gabriel dagegen will das Rennen möglichst lange offen halten. Ob am Ende Steinbrück, Steinmeier oder gar er selbst die Kanzlerin herausfordern, soll sich erst Anfang 2013 entscheiden. Spitzenkandidat werde der, sagt Gabriel knapp, der die besten Chancen habe.

    Im Moment ist das eindeutig der frühere Finanzminister, der immer so kompetent klingt und auch die kompliziertesten Zusammenhänge noch für jeden verständlich erklären kann. „Wir sollten uns eingestehen“, verlangt er an diesem Abend, „dass Griechenland bankrott ist. Die sind pleite.“ Bei geschätzten 45 Milliarden Euro, die die Europäische Zentralbank schon für griechische Anleihen ausgegeben habe, solle die deutsche Politik sich also nichts mehr vormachen: „Wir haben längst eine Haftungsgemeinschaft.“

    Die Verwandlung eines angehenden Ruheständlers zum potenziellen Kanzler

    Die große Krise ist sein großes Thema und auch eine Art Katalysator für das allmähliche Kandidatwerden des Peer Steinbrück. Das europäische Schuldendebakel hat in der SPD einen Prozess beschleunigt, der in einer anderen Versuchsanordnung kaum gelänge: die Verwandlung eines angehenden Ruheständlers zum potenziellen Kanzler.

    Parallel dazu tut Steinbrück allerdings auch das Seine, um der Partei etwas von ihrer Skepsis zu nehmen. In der SPD, deren Funktionäre er schon mal als „Heulsusen“ verhöhnt hat, stand er auch als stellvertretender Vorsitzender noch unter latentem Neoliberalismusverdacht. Heute gehört er „nach einer langen Lernkurve“, wie er sagt, zu den Befürwortern eines gesetzlichen Mindestlohns, er hat nichts mehr gegen einen höheren Spitzensteuersatz einzuwenden und sieht auch die Steuersätze für Kapitalerträge, die er als Minister kräftig gesenkt hat, inzwischen in einem anderen, sozialdemokratischeren Licht: „Da habe ich einen Fehler gemacht.“

    So selbstkritisch hat die SPD ihren Peer bisher selten erlebt. Der Kanzlerkandidat der Partei, sagt ein einflussreicher Genosse, müsse 2013 entweder die eigenen Anhänger wie keiner vor ihm mobilisieren können oder bis weit ins gegnerische Lager hinein Stimmen fischen können. Bei Steinbrück kann man sich mittlerweile beides vorstellen.

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