Der Mainzer Hersteller Biontech will mehr Corona-Impfstoff als bisher geplant an die Europäische Union liefern.
Das Unternehmen befinde sich "in fortgeschrittenen Diskussionen, ob und wie wir weitere Impfstoffdosen aus Europa für Europa in diesem Jahr zur Verfügung stellen können", teilte Unternehmenschef Ugur Sahin der Deutschen Presse-Agentur mit. Hintergrund sind Klagen über die Knappheit von Impfstoff in Deutschland und anderen EU-Staaten. Sowohl Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als auch die EU-Kommission müssen sich Kritik anhören.
Bisher hat nur der Biontech-Impfstoff eine europäische Zulassung. Die EU-Kommission hatte für alle 27 Staaten gemeinsam einen Rahmenvertrag über bis zu 300 Millionen Impfstoffdosen des Herstellers abgeschlossen - eine feste Bestellung von 200 Millionen Dosen und eine Option auf 100 Millionen weitere, die diese Woche auch gezogen wurde. Nun wird über zusätzliche Mengen verhandelt.
"Aufgrund der aktuell hohen Infektionszahlen ist eine zügige Impfstoffversorgung besonders wichtig", betonte Sahin. "Wir arbeiten mit der EU zusammen, um unsere Produktionskapazitäten weiter auszubauen und zusätzliche Impfstoffdosen bereitstellen zu können."
Wie schnell ein Vertrag über zusätzliche Lieferungen zustande kommen könnte und um welche Mengen es geht, wollte eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage noch nicht sagen. Die EU-Kommission bestätigte ebenfalls nur, dass es "fortgeschrittene Gespräche" über weitere Lieferungen 2021 gebe.
Sahin hatte dem "Spiegel" gesagt, man suche Kooperationspartner. "Aber es ist ja nicht so, als stünden überall in der Welt spezialisierte Fabriken ungenutzt herum, die von heute auf morgen Impfstoff in der nötigen Qualität herstellen könnten", sagte Sahin. "Ende Januar haben wir Klarheit, ob und wie viel wir mehr produzieren können."
Die EU-Kommission hat nicht nur bei Biontech, sondern auch bei fünf weiteren Firmen mit aussichtsreichen Impfstoffkandidaten bestellt, insgesamt zwei Milliarden Dosen für die rund 450 Millionen EU-Bürger. Doch sind die anderen Mittel noch nicht zugelassen.
Dazu sagte Sahin im "Spiegel": "Es gab die Annahme, dass noch viele andere Firmen mit Impfstoffen kommen. Offenbar herrschte der Eindruck: Wir kriegen genug, es wird alles nicht so schlimm, und wir haben das unter Kontrolle. Mich hat das gewundert." Gegenüber dpa stellte er klar: "Die Strategie der EU, sich verschiedene Impfstoffe zu sichern, ist nachvollziehbar und sinnvoll. Unser gemeinsames Interesse ist, Menschen, die es wünschen, mit Impfstoffen zu versorgen."
Bundesweit wurden bis Freitagmittag nach Angaben des Robert Koch-Instituts gut 165.000 Menschen mit dem Biontech-Impfstoff geimpft, darunter 71.590 Bewohner von Pflegeheimen. Allerdings hinken die Meldungen an das RKI der Zahl realer Impfungen teils hinterher.
Die SPD-Fraktion drängt Gesundheitsminister Spahn, sich stärker für mehr Impfstoff einsetzen. Ein Gipfel mit allen in Deutschland produzierenden Pharmaunternehmen müsse klären, "welche Produktionsstätten bestehen und kurzfristig nutzbar gemacht werden können", sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider der dpa.
Spahn müsse "das Chaos um die Lieferung und Verteilung des Impfstoffes" schnell beenden. "Wir haben in Deutschland auch durch die staatliche Unterstützung einen Impfstoff gegen das Virus entwickelt. Es ist nicht akzeptabel, dass dieser Impfstoff nach dem Impfbeginn nicht mal in der angekündigten Menge zur Verfügung steht."
Das Gesundheitsministerium bekräftigte jedoch auf Twitter, dass bis Anfang Februar 2,68 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs erwartet würden. Die nächste Lieferung an die Länder sei weiter für den 8. Januar geplant. Inklusive der Lieferungen aus dem alten Jahr wären es dann insgesamt 3,98 Millionen Dosen, so viel wie auch bisher schon angekündigt. Im Verlauf des Monats könnte weiterer Impfstoff vom Hersteller Moderna dazukommen. Das Ministeriums rechnet damit, dass dieser am 6. Januar in der EU zugelassen wird. Die genauen Lieferpläne würden dann zügig abgestimmt.
Diskutiert wird derzeit, ob man die nötige zweite Impfdosis später verabreichen sollte, um zunächst möglichst viele Menschen einmal mit den knappen Vorräten zu impfen. Die europäische Zulassungsbehörde EMA dämpfte nun die Erwartungen. Der Nachweis der Wirksamkeit basiere auf einer Studie, bei der die Dosen im Abstand von 19 bis 42 Tagen gegeben wurden, teilte die EMA der dpa mit. Wären es sechs Monate, stünde dies nicht im Einklang mit den Bestimmungen. Ähnlich hatte sich der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, am Mittwoch geäußert.
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