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Italien: Ex-EZB-Chef Mario Draghi soll Italien aus der Krise führen

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Ex-EZB-Chef Mario Draghi soll Italien aus der Krise führen

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    Nach dem Bruch der Regierungskoalition in Italien hat Staatspräsident Mattarella dem früheren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, das Mandat zur Bildung eines Expertenkabinetts erteilt.  	„Die Pandemie überwinden, die Impfkampagne zu Ende bringen, Antworten auf die täglichen Probleme der Bürger geben, das Land wieder fit machen.“
    Nach dem Bruch der Regierungskoalition in Italien hat Staatspräsident Mattarella dem früheren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, das Mandat zur Bildung eines Expertenkabinetts erteilt. „Die Pandemie überwinden, die Impfkampagne zu Ende bringen, Antworten auf die täglichen Probleme der Bürger geben, das Land wieder fit machen.“ Foto: Alessandra Tarantino, dpa

    Der scheinbar ideale Kandidat für die Nachfolge von Ministerpräsident Giuseppe Conte ist gefunden. Nach dem Bruch der Regierungskoalition in Italien hat Staatspräsident Sergio Mattarella dem früheren Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, das Mandat zur Bildung eines Expertenkabinetts erteilt. „Ich danke dem Präsidenten für das Vertrauen“, sagte der 73 Jahre alte Ökonom in Rom nach einem Treffen mit Mattarella. Draghi will nun weitere Verhandlungen führen. Doch ob eine künftige Regierung unter Draghi auch die notwendige Unterstützung im Parlament bekommen wird, ist keineswegs ausgemacht. Schon die Parteien der bisherigen Regierung unter Conte hatten sich nicht auf eine Neuauflage ihrer Koalition einigen können. Das Mitte-Links-Bündnis war im Streit über die Verwendung von Hilfsgeldern aus dem EU-Wiederaufbaufonds auseinandergebrochen. Italien muss in einigen Wochen einen Investitionsplan bei der EU-Kommission in Brüssel vorlegen, um die Mittel zu bekommen.

    Draghi hatte den Staatspräsidenten auf dessen Einladung hin am Mittwoch an dessen Amtssitz im Quirinalspalast aufgesucht. Der römische Wirtschafts- und Finanzfachmann soll eine auf breite parlamentarische Basis gestellte Expertenregierung bilden, ein wenig wie der frühere Notenbankchef Carlo Azeglio Ciampi nach dem Korruptionsskandal „Mani pulite“ im Jahr 1993 oder der Wirtschaftsprofessor Mario Monti nach dem Sturz Silvio Berlusconis 2011. Die Finanzmärkte reagierten begeistert auf die Nominierung des Ex-EZB-Chefs. Der Leitindex der Mailänder Börse stieg am Mittwoch um 2,6 Prozent. Der „Spread“, der Zinsaufschlag auf zehnjährige italienische Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen Papieren, sank um zwölf Punkte auf 105, den Tiefstand seit einem Jahr.

    Mario Draghis Spruch war: "Whatever it takes" - Was immer nötig ist

    Als Präsident der EZB hatte Draghi von November 2011 bis Ende Oktober 2019 in Frankfurt am Main die Geschicke der europäischen Geldpolitik gelenkt. Der gebürtige Römer führte die Notenbank in dieser Zeit durch eine der schwersten Krisen der Eurozone. „Die EZB wird alles tun, um den Euro zu retten“, hatte er 2012 auf einer Konferenz gesagt. Sein englisches „Whatever it takes“ (Was immer nötig ist), galt danach als zentrale Äußerung Draghis in dieser Krise.

    „Es ist ein schwieriger Moment“, sagte Draghi nach seiner Begegnung mit Mattarella. „Die Pandemie überwinden, die Impfkampagne zu Ende bringen, Antworten auf die täglichen Probleme der Bürger geben, das Land wieder fit machen“, nannte der 73-Jährige als Herausforderungen. „Wir haben die Möglichkeit, viel für unser Land zu machen, mit einem sorgsamen Blick auf die Zukunft der kommenden Generationen und auf die Stärkung des sozialen Zusammenhalts“, fügte er hinzu. Der ehemalige Gouverneur der italienischen Notenbank kündigte an, sich mit den Parteien und den Gewerkschaften zu beraten, um so die Möglichkeit einer Regierungsbildung auszuloten.

    Die italienischen Parteien sind bislang zurückhaltend

    Die italienische Parteienlandschaft zeigte sich nach der Nominierung Draghis durch den Staatspräsidenten desorientiert. Unbedingte Unterstützung sicherten am Mittwoch nur Italia viva von Ex-Premier Matteo Renzi und andere Kleinparteien zu. Renzi hatte vor zwei Wochen die Regierung Conte zu Fall gebracht und auch Verhandlungen zu einer Neuauflage am Dienstag platzen lassen. Offenbar hatte der 46-Jährige auf die Bildung einer Expertenregierung spekuliert, um sich so der politischen Konkurrenz Contes zu entledigen und die Allianz zwischen den Sozialdemokraten des Partito Democratico und der systemkritischen Fünf-Sterne-Bewegung zu spalten.

    Vor allem die vom Komiker Beppe Grillo gegründete Bewegung steht nun vor einer Zerreißprobe. Einige Parteisprecher kündigten an, die Sterne würden eine Regierung Draghi nicht unterstützen. Draghi sei Ausdruck des „Establishments“, protestierte Sterne-Politiker Alessandro Di Battista. In der Bewegung ist diese Linie umstritten. Die Sterne waren Sieger bei der Parlamentswahl 2018 und stellen in Abgeordnetenhaus und Senat mit Abstand die meisten Parlamentarier. Der Chef des zweitstärksten sozialdemokratischen PD, Nicola Zingaretti, signalisierte Bereitschaft zur Kooperation. „Wir sind bereit, mit unseren Ideen bei dieser Herausforderung mitzuarbeiten“, erklärte er. Fraglich ist nun insbesondere, wie sich die Parteien des konservativen Spektrums positionieren, die bislang als Allianz auftraten.

    Staatspräsident Sergio Mattarella musste sich nach Contes Rücktritt darum kümmern, dass Italien eine neue Regierung bekommt.
    Staatspräsident Sergio Mattarella musste sich nach Contes Rücktritt darum kümmern, dass Italien eine neue Regierung bekommt. Foto: Alessandro Di Meo, dpa

    Ablehnung signalisierte die antieuropäische Rechtspartei Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni. Von Silvio Berlusconis Forza Italia ist bekannt, dass eine Experten-Regierung unter Draghi befürwortet wird, eine klare Stellungnahme gab die Partei zunächst nicht ab. Zögerlich zeigte sich auch die rechtspopulistische Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini. „Das Beste sind Neuwahlen“, sagte Salvini. Die Aussichten auf ein rasches Ende der Krise sind damit gering.

    Lesen Sie hierzu auch den Kommentar von Julius Müller-Meiningen: Mario Draghi ist der richtige Mann für Italien

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