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Italien: Berlusconi wieder an die Macht? Das müssen Sie über die Italien-Wahl wissen

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Berlusconi wieder an die Macht? Das müssen Sie über die Italien-Wahl wissen

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    Der Politiker, Lebemann und Medienmogul Silvio Berlusconi liegt in den Umfragen vor den Wahlen in Italien zurück, aber er holt deutlich auf.
    Der Politiker, Lebemann und Medienmogul Silvio Berlusconi liegt in den Umfragen vor den Wahlen in Italien zurück, aber er holt deutlich auf. Foto: Guido Montani/Archiv dpa

    Italien vor der Wahl: Mitten in einer tiefen Rezession mit schmerzhaft hoher Jugendarbeitslosigkeit und massiver Verschuldung wählt die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ein neues Parlament. Was sie zur Wahl wissen müssen - hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

    Warum wird in Italien schon wieder gewählt?

    Weil Italiens Regierungschef Mario Monti im Dezember 2012 nach nur 13 Monaten Amtszeit zurückgetreten war. Der renommierte Wirtschaftsprofessor und Ex-EU-Kommissar war im November 2011 in tiefster italienischer Wirtschaftskrise zu Hilfe gerufen worden, um die öffentlichen Finanzen zu sanieren und nach Jahren der Stagnation unter einem Berlusconi-Kabinett moderne Reformen einzuleiten. Provoziert wurde der vorzeitige Monti-Rücktritt schließlich durch den Vertrauensentzug von Berlusconis Partei PdL. Ihm folgte die Ankündigung des Medienunternehmers und Milliardärs, bei den Wahlen selbst erneut als Spitzenkandidat antreten zu wollen.

    Wer steht jetzt in Italien zur Wahl?

    Die Parteienlandschaft in Italien ist traditionell zersplittert und in ständigem Fluss. Eine Vielzahl von Mini-Parteien führte früher zu oft wechselnden und schwer regierbaren Bündnissen. Dieses Mal kämpfen die folgenden vier großen Bündnisse und Bewegungen um die Stimmen der Wähler:

    • Das Mitte-Links-Bündnis um den Spitzenkandidaten Pier Luigi Bersani liegt den letzten Umfragen zufolge vorn. Stärkste Kraft ist die Partito Democratico (PD), die demokratische Partei, deren Vorsitzender Bersani ist. Dazu kommt Bersanis linker Bündnispartner, die Sinistra ecologia e libert" (Linke Ökologie und Freiheit) mit ihrem Chef Nichi Vendola.
    • Der Zentrumsblock des scheidenden Ministerpräsidenten Mario Montiist nach den letzten Umfragen an die vierte Stelle abgerutscht. Das Bündnis der Mitte um den Wirtschaftsprofessor besteht aus Montis Scelta Civica - Con Monti per l'Italia (Bürgerliche Wahl - Mit Monti für Italien) und der Unione di Centro (Zentrumsunion) des Pier Ferdinando Casini. Dazu kommen einige kleinere Parteien der Mitte.
    • Das Mitte-Rechts-Bündnis wird angeführt von dem ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und seiner Partei Popolo della Libert" (PdL, Volk der Freiheit). Dazu kommt die insbesondere in Norditalien stark vertretene Lega Nord mit ihrem Chef Roberto Maroni. Das konservative Lager Berlusconis holte den Umfragen zufolge gegenüber der Linken deutlich auf. Auch das Mitte-Rechts-Bündnis wird von mehreren kleineren Parteien unterstützt.
    • Die populistische Internet-Protestbewegung "Movimento 5 Stelle" (Bewegung fünf Sterne) des Komikers und Internetaktivisten Beppe Grillo hat in den vergangenen Wochen kräftig aufgeholt. Sie kam zuletzt auf bis zu 18 Prozent der Stimmen und könnte damit als drittstärkste Kraft ins Parlament einziehen. Grillo wettert vor allem gegen die traditionellen Parteien und fordert Italiens Austritt aus der Eurozone.

    Welche Chancen hat Berlusconi?

    Das ist Silvio Berlusconi

    Silvio Berlusconi wird 1936 in Mailand geboren. Nach der Schulausbildung studiert er Jura. Während seines Studiums jobbt Silvio Berlusconi als Staubsaugervertreter und als Sänger auf Kreuzfahrtschiffen sowie in diversen Nachtclubs.

    Silvio Berlusconi ist zweimal geschieden. Aus den Ehen mit Carla Elvira Lucia Dall’Oglio und der der Schauspielerin Veronica Lario gehen fünf Kinder hervor. Im Dezember 2012 verkündet Berlusconi seine Verlobung mit dem Showgirl Francesca Pascale.

    Im Jahr 1993 gründet Silvio Berlusoni die Partei Forza Italia, die 2009 in der Partei Popolo della Libertà aufgeht. Viermal ist er Ministerpräsident von Italien: 1994 bis 1995, 2001 bis 2005, 2005 bis 2006 und 2008 bis 2011. In die Parlamentswahlen 2013 führt Berlusconi ein Mitte-Rechts-Bündnis.

    Laut Forbes ist Silvio Berlusconi mit einem Vermögen von 7,8 Milliarden US-Dollar einer der reichsten Italiener. Er ist Inhaber des Konzerns Fininvest; Unternehmensleiterin ist seine Tochter Marina Berlusconi.

    Fininvest hat Beteiligungen an großen Unternehmen wie Mediolanum (Versicherung und Bankwesen), Medusa Film (Italiens größtes Filmproduktionsunternehmen), Mondadori (Italiens größtes Verlagshaus), und Mediaset, dem aktuell größten privaten Fernsehunternehmen Italiens.

    Silvio Berlusconi ist seit 1986 Besitzer des AC Mailand. Von 1986 bis 2004 sowie von 2006 bis 2008 ist er zudem Präsident des Fußball-Clubs.

    Immer wieder säumen größere und kleinere Skandale die Karriere Berlusconis. Größtes Aufsehen erregt 2009 die sogenannten "Bunga Bunga"-Affäre, in der es um Verhältnisse und Sex-Partys mit teils minderjährigen Prostituierten geht.

    Im August 2013 wird Berlusconi wegen Steuerbetrugs zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt. Aufgrund seines Alters musste er allerdings nicht ins Gefängnis.

    Ende November 2013 wird er aus dem italienischen Senat ausgeschlossen und verliert seine parlamentarische Immunität.

    Berlusconi holte in den Umfragen zuletzt auf. Viele Italiener lieben den Politiker und seine populistischen Versprechungen. Die hinter ihm stehenden Mitte-Rechts-Parteien lagen nur noch zwischen 2,5 und 4,5  Prozentpunkten hinter dem Mitte-Links-Bündnis des  sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Pier Luigi Bersani. Als  wahrscheinlichsten Wahlausgang sehen Beobachter jedoch ein Bündnis  Bersanis mit Monti, eventuell mit dem früheren EU-Kommissar als  Finanzminister.

    Welche Risiken sehen Experten bei einer Wiederwahl Berlusconis?

    Besonders drastisch drückt es Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer aus: Eine Wiederwahl Berlusconis "wäre für die Anleger ein Horror-Szenario, die Staatsschuldenkrise würde wieder hochkochen". Die Renditen für italienische Staatsanleihen dürften wieder in die Höhe schnellen, der mühsame Reformprozess in dem Land könnte abrupt beendet sein. "Italien hat mit Berlusconi bereits viele verlorene Jahre hinter sich, eine Neuauflage würde diese Agonie verlängern", urteilt Dekabank-Chefvolkswirt auch Ulrich Kater.

    Würde möglicherweise die EZB eingreifen?

    Sollte das hoch verschuldete Italien für frisches Geld an den Kapitalmärkten dramatisch höhere Zinsen zahlen müssen, könnte die Europäische Zentralbank (EZB) mit dem Italiener Mario Draghi an der Spitze zumindest in die unangenehme Lage geraten, entscheiden zu müssen, ob sie dem Land zur Seite springt. Die Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Gertrud Traud, spricht von einer "wahren Bewährungsprobe für Draghi". Die EZB könnte mit dem Kauf von Staatsanleihen für Entlastung sorgen, doch die Währungshüter haben die Latte dafür selbst hoch gelegt: Erst wenn ein Land einen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsfonds ESM stellt und somit politische Reformauflagen akzeptiert, wäre die EZB prinzipiell bereit zum Kauf von Anleihen des betreffenden Staates.

    Könnte das Sorgenkind Italien unter den Rettungsschirm schlüpfen?

    Der Rettungsschirm ESM kann Eurostaaten bis zu 500 Milliarden Euro an Krediten geben, im Gegenzug müssen sie strenge Spar- und Reformauflagen erfüllen. Sollte Rom - wie von Berlusconi im Wahlkampf versprochen - Steuern senken, ohne die Ausfälle mit Einsparungen zu kompensieren, könnte die Situation in Europa unangenehm werden, meint Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding: "Ein Italien, das die Regeln bricht, wäre kein Kandidat für Unterstützung durch den ESM oder die EZB".

    Wie wahrscheinlich ist das Worst-Case-Szenario?

    "Die Wahl Berlusconis ist nicht mein Hauptszenario", erklärt Commerzbank-Ökonom Krämer. Stefan Bielmeier von der DZ Bank erwartet, dass das Mitte-Links-Bündnis Bersanis seinen Vorsprung aus den letzten Umfragen halten kann und die neue Regierung in Italien ohne Berlusconi gebildet wird. Auch die Fondsgesellschaft Fidelity hält einen Sieg Bersanis für wahrscheinlich. Die Erleichterung darüber werde zu einer Kursrallye an den europäischen Aktienmärkten führen: Und "selbst wenn die Wahl überraschend eine Regierung unter Berlusconi hervorbringen sollte, ..., werden die Märkte die Rückkehr zum Sparkurs durch Abstrafen sehr schnell erzwingen".

    Welche Folgen hätte eine Pattsituation?

    Denkbar ist, dass Bersani die Mehrheit im Abgeordnetenhaus erringt, aber die nötige regierungsfähige Mehrheit im Senat verpasst. Mögliche Folgen: Hängepartie um die Regierungsbildung, Reformstillstand und Unruhe an die Finanzmärkten. Die Reaktionen wären allerdings weniger heftig als bei einer Wahl Berlusconis, meint Ökonom Krämer: "Unsicherheit ist Gift für die Märkte. Aber solange Berlusconi nicht wieder Premierminister wird, sollte die EZB die Lage stabil halten können, ohne tatsächlich italienische Staatsanleihen zu kaufen."  AZ, dpa, afp

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