Es war eine klare Kampfansage: Gegen den Willen des iranischen Präsidenten Hassan Ruhani trug das Parlament in Teheran den Behörden der Islamischen Republik kürzlich per Gesetz auf, die Uran-Anreicherung von etwa vier Prozent auf 20 Prozent hochzufahren. Ruhani wehrte sich, weil er wusste, dass dies seine Bemühungen um eine Erhaltung des internationalen Atomvertrages von 2015 erschweren, wenn nicht unmöglich machen würde. Doch Parlamentspräsident Mohammed Bagher Ghalibaf blieb hart. Das Gesetz sei nötig, um die Interessen des iranischen Volkes zu schützen, erklärte er. Ruhani musste sich beugen. Seit einigen Tagen läuft die höhere Uran-Anreicherung, die nach dem 2015er Vertrag strikt verboten ist – iranische Hardliner bringen sich für die Präsidentenwahl im Juni in Position.
Schnellboote der Revolutionsgarden kaperten südkoreanischen Tanker
Auch im Persischen Golf demonstrieren Ruhanis Gegner, dass sie die Politik des Präsidenten durchkreuzen wollen. Schnellboote der Revolutionsgarde kaperten einen südkoreanischen Tanker und seine 20 Besatzungsmitglieder – kurz vor dem Besuch des südkoreanischen Vize-Außenministers Choi Jong-kun in Teheran. Bei der Visite will Ruhanis Regierung die Koreaner dazu bewegen, sieben Milliarden Dollar an iranischem Vermögen freizugeben, die im Zuge amerikanischer Sanktionen eingefroren wurden. „Wir sind keine Geiselnehmer“, sagte der iranische Regierungssprecher Ali Rabiei, obwohl die Aktion der Revolutionsgarde sehr nach einer Geiselnahme aussah.
Ruhani schlägt sich schon lange mit erzkonservativen Kräften wie der Revolutionsgarde herum, die seine relativ gemäßigte Politik und eine Öffnung des Landes ablehnen. Doch in jüngster Zeit wird die Konfrontation schärfer. Zum Teil liegt das daran, dass Ruhani aus Sicht vieler Iraner versagt hat: Er hatte ihnen nach Abschluss des Atomvertrages mehr Wohlstand versprochen, denn im Gegenzug für strikte Begrenzungen des iranischen Atomprogramms sollte die Islamische Republik von einer Lockerung westlicher Sanktionen profitieren.
Vor zwei Jahren kündigte Trump den Atomvertrag
Doch das Vorhaben misslang. US-Präsident Donald Trump kündigte den Vertrag vor zwei Jahren auf und versucht seitdem, den Iran mit immer neuen Sanktionen und „maximalem Druck“ in die Knie zu zwingen. Die Wirtschaftsprobleme wegen der Sanktionen werden durch Korruption und Behördenversagen verschärft. Ein halbes Jahr vor der Präsidentenwahl am 18. Juni stehen Ruhanis Anhänger deshalb als Verlierer da. Schon bei der Parlamentswahl 2019 erlitten sie eine Niederlage; der neue Parlamentschef Ghalibaf ist ein Hardliner und früherer Revolutionsgardist, der selbst bereits drei Mal für das Präsidentenamt kandidierte. Ob er diesmal erneut bei der Präsidentenwahl antreten will, ist wegen Korruptionsvorwürfen gegen ihn ungewiss.
Auch andere pensionierte und aktive Militärs gelten als Aspiranten auf das Präsidentenamt. Genannt wird Verteidigungsminister Hossein Dehghan, ein enger Berater von Revolutionsführer Ali Khamenei. Noch nie in der Geschichte der Islamischen Republik seien so viele Mitglieder oder Ex-Offiziere der Revolutionsgarde im Rennen um das Präsidentenamt gewesen, kommentierte die israelische Denkfabrik Besa. Die Bewerber können nur mit Genehmigung des konservativen Wächterrats antreten, bei dem es reformorientierte und gemäßigte Kandidaten schwer haben. Andere Hardliner streben nach noch höheren Weihen. Ebrahim Raisi, der Chef der Justiz, gilt als möglicher Nachfolger von Revolutionsführer Khamenei, des mächtigsten Mannes im Land. Niemand weiß, wie lange der 81-Jährige das Amt noch ausüben kann. Raisi fällt zuletzt durch markige Worte auf. So warnte er am Jahrestag der Ermordung des hochrangigen Generals Qassem Soleimani am Wochenende, die Drahtzieher des tödlichen US-Drohnenangriffs seien nirgendwo auf der Erde vor der iranischen Rache sicher.
Irans Präsident Hassan Ruhani setzt auf Joe Biden
In der Endphase der Präsidentschaft von Ruhani, der nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten kann, hoffen die Hardliner also auf die Übernahme aller wichtigen Führungspositionen. Ruhani versucht dagegen, mit der neuen US-Regierung unter Joe Biden eine Entspannung zwischen dem Iran und den USA einzuleiten; Biden hat angekündigt, er werde die USA wieder ins Atomabkommen zurückführen, wenn sich die Iraner wieder an die Regeln halten sollten. Die höhere Uran-Anreicherung und die neuen Spannungen im Persischen Golf machen einen iranisch-amerikanischen Neuanfang jedoch schwierig. Die Störmanöver der Hardliner dürften zunehmen, je näher der iranische Wahltermin rückt.
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