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Interview: Verdi-Pflegechefin Bühler: "Krankenpfleger erwarten mehr als ein Vergelt’s Gott"

Interview

Verdi-Pflegechefin Bühler: "Krankenpfleger erwarten mehr als ein Vergelt’s Gott"

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    Vor wenigen Tagen demonstrierten auch in Günzburg Pflegekräfte für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern.
    Vor wenigen Tagen demonstrierten auch in Günzburg Pflegekräfte für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern. Foto: Christian Kirstges

    Viele, die in der Krankenpflege arbeiten oder in Einrichtungen Behinderte pflegen, merken jetzt erst, dass der von der Koalition beschlossene Pflegebonus für sie gar nicht gilt, sondern nur in der Altenpflege. Verstehen Sie den Unmut und die Klage über ungerechte Behandlung?

    Sylvia Bühler: Erst einmal will ich sagen, dass ich mich für die Beschäftigten in der Altenpflege freue, dass sie eine materielle Anerkennung bekommen für die extremen Herausforderungen während der Corona-Pandemie. Ich denke nicht, dass irgendjemand ihnen diese Prämie nicht gönnt. Die Sonderzahlung geht zurück auf eine Tarifinitiative von ver.di und der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche. Allerdings darf es auch in der Altenpflege nicht bei einer einmaligen Prämie stehen bleiben. Es braucht grundsätzlich eine deutliche Lohn-Anhebung. In der Altenpflege ist die Vergütung durch den politisch gewollten wirtschaftlichen Wettbewerb besonders ins Rutschen gekommen. Völlig zu Recht erwarten aber auch die Beschäftigten in den anderen Feldern des Gesundheits- und Sozialwesen eine entsprechende Corona-Sonderzahlung.

    Sie stehen weiter hinter den Protesten?

    Bühler: Es ist gut, dass die Betroffenen ihre Kritik deutlich formulieren. Die Zeiten sind vorbei, in denen sich die Frauen und Männer, die mit und für Menschen arbeiten, mit freundlichen Worten abspeisen lassen. Immer mehr erkennen, dass weder bei den Arbeitgebern noch bei der Politik gute Argumente automatisch zu guten Arbeitsbedingungen und fairen Entgelten führen. Wie in allen anderen Branchen auch, müssen wir dies auch in der Pflege durchsetzen, auch in harten Tarifauseinandersetzungen.

    Haben die Minister Jens Spahn und Hubertus Heil einen falschen Eindruck vermittelt, indem sie immer allgemein von einer „Pflegeprämie“ sprachen?

    Bühler: Es ist ja nicht nur eine Frage einer womöglich unpräzisen Formulierung, dass die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen insgesamt eine Sonderzahlung erwarten. Sie haben in den letzten Wochen erlebt, dass sie mit ihrer wichtigen Arbeit endlich gesehen werden und das, was sie für die Menschen und die Gesellschaft insgesamt leisten, öffentlich anerkannt wird. Völlig zu Recht wird erwartet, dass es nicht bei einem „Vergelt’s Gott“ bleibt, sondern dass diese besondere Anstrengung und Leistung auch entsprechend honoriert wird.

    Wie bewerten Sie, dass Krankenkassen und Krankenhausbetreiber die Prämie nicht aus ihrer Kasse zahlen?

    Bühler: Die Krankenhäuser haben im Rahmen der Corona-Schutzgesetze zusätzliche finanzielle Spielräume durch den Gesetzgeber bekommen, die sie für die Prämie nutzen können. Und kommerzielle Krankenhauskonzerne könnten einen Teil ihres Gewinnes dafür nutzen. Der große Player Asklepios zum Beispiel verweigert dem Gros seiner Mitarbeiter den Schutz und die Bezahlung mit Tarifverträgen. Dabei bekommt er seine Kosten genauso wie kommunale Kliniken auf Grundlage des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst refinanziert.

    Auch unter den Bundesländern gibt es große Unterschiede bei der Auszahlung der Pflegeprämien. Bayern zahlt sie auch in der Krankenpflege…

    Bühler: Auch die Länder sind aufgefordert, flächendeckend ein Zeichen der Anerkennung zu setzen. Hier geht Schleswig-Holstein mit gutem Beispiel voran; nach allem, was bekannt ist, soll es hier eine Prämie für alle Beschäftigten geben, nicht nur für die Krankenpflege. Und das ist ja auch richtig, schließlich ist die Arbeit im Gesundheits- und Sozialwesen immer Teamarbeit.

    Wie soll nach Ihrer Vorstellung eine Lösung aussehen?

    Bühler: Verdi fordert eine Corona-Prämie für alle systemrelevanten Gruppen, unstrittig gehört hier das gesamte Gesundheits- und Sozialwesen dazu. Zum Beispiel sind die Beschäftigten im Rettungsdienst in dieser Krise stark gefordert. Auch in der Behindertenhilfe stehen alle in der Pandemie seit Wochen unter enormer Anspannung. Doch eines ist klar: Eine einmalige Corona-Prämie ist ein wichtiges Zeichen der Anerkennung. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Sie ersetzt aber keinesfalls eine dauerhafte gute Vergütung und gute Arbeitsbedingungen für diese verantwortungsvollen und belastenden Arbeiten. Bei den Beschäftigten setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass die Politik oder gar die Arbeitgeber aus eigenen Stücken keine grundlegenden Verbesserungen auf den Weg bringen. Sie müssen sich für ihre eigenen Interessen einsetzen und organisieren, damit sich etwas verbessert.

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