Herr Röttgen, im Januar haben Sie den Grünen-Vorsitzenden Habeck kritisiert, weil er Donald Trump als Feind bezeichnet hatte. Sie sagten damals, Trump sei nicht der Feind, sondern der demokratisch gewählte Präsident des Landes, das das Rückgrat unserer eigenen Sicherheit bildet. Seitdem ist einiges passiert. Bleiben Sie bei Ihrer Aussage?
Norbert Röttgen: Den Präsidenten unseres wichtigsten Verbündeten außerhalb Europas zum Feind zu erklären, wie Habeck es getan hat, ist keine Basis, um das für uns so wichtige Verhältnis zu den USA wieder auf eine gute Grundlage zu stellen – bei allen Schwierigkeiten, die wir mit dem demokratisch gewählten Präsidenten Trump haben. Deshalb: Ja, dabei bleibe ich.
Aber wie ist dem US-Präsidenten denn überhaupt noch beizukommen?
Röttgen: Mit dem derzeitigen Präsidenten kommt es zum Teil zu gravierenden Meinungsverschiedenheiten in Stil, Form und auch bei einigen Inhalten. Zugleich dürfen wir Trump nicht mit der gesamten Politik in den USA oder gar mit den Vereinigten Staaten verwechseln. Wir müssen gerade jetzt in dieser schwierigen Zeit des Verhältnisses betonen, wie wichtig und bedeutsam unsere Beziehungen sind – zwischenmenschlich, emotional, wirtschaftlich, kulturell und politisch. Die USA ist und bleibt, unabhängig von ihrer Regierung, von entscheidender Bedeutung für uns.
Was bedeutet das für den Umgang der Bundesregierung mit Trump?
Röttgen: In Fällen, in denen die Meinungsunterschiede unser westliches Selbstverständnis berühren, muss Deutschland klare Worte finden und sich positionieren. Ein Beispiel dafür sind die G7 als Zusammenschluss der führenden westlichen Industrienationen. Aus dem früheren G8-Format wurde Russland ausgeschlossen als Reaktion auf die Krim-Annexion und weitere Verstöße gegen das Völkerrecht. Dies kann Trump nicht einseitig und ohne Konsultationen rückgängig machen, indem er Russland und weitere Staaten einlädt.
An welche Unterschiede denken Sie noch?
Röttgen: Erhebliche Unterschiede gibt es zum Beispiel beim Nuklearabkommen mit dem Iran, in der Israel-Palästina-Politik und auch in bestimmten Aspekten der China-Politik. Aber wir haben auch Grund zur Selbstkritik. Manche Erwartungen der Amerikaner an uns sind begründet und wurden auch schon von Obama geäußert. Dazu gehört beispielsweise unser sicherheitspolitischer Beitrag für die Nato. Die Stilveränderung jedoch, einseitig öffentlich zu kommunizieren, statt sich mit den Verbündeten zu konsultieren, geht allein von Trump aus.
Ist es vorstellbar, dass die vielen Menschen, die gerade in Amerika und Europa auf die Straße gehen, Trump zum Umdenken bewegen?
Röttgen: In seiner unmittelbaren Reaktion hat Trump diesbezüglich keinen Anlass zur Hoffnung gegeben. Man muss ja leider sagen, dass er noch Öl ins Feuer gegossen und weiter eskaliert hat.
Was mag ihn antreiben?
Röttgen: Der Präsident steht unter Druck, es sind nur noch rund fünf Monate bis zur Präsidentschaftswahl. Die Infektions- und Todeszahlen durch Corona in den USA sind hoch. Über 40 Millionen Menschen sind arbeitslos geworden. Aktuell kommen zudem die Unruhen nach der schrecklichen Tötung von George Floyd hinzu, auf die er weiter eskalierend reagiert hat. Es ist zu erwarten, dass die nächsten fünf Monate praktisch ausschließlich von Wahlkampf geprägt sein werden. Dabei folgt Trump seiner alten Taktik: die Mobilisierung seiner Anhänger durch Polarisierung.
Müssen wir uns also auf eine Verschärfung des Tons einstellen?
Röttgen: So ist es. Wir sollten genau darauf vorbereitet sein und das für unsere eigenen Antworten und Reaktionen im Kopf behalten, in welchem Kontext Trump handelt. Es ist davon auszugehen, dass es selbst bei außenpolitischen Themen nur um Wahlkampf gehen wird.
Bei seiner Eitelkeit kann man Trump nicht packen?
Röttgen: Es hat ja durchaus unterschiedliche Versuche gegeben, auf seine Persönlichkeit einzugehen. Die Bundeskanzlerin und der französische Präsident beispielsweise haben es in unterschiedlichen Ansätzen versucht, eine persönliche Ebene herzustellen. Ich würde sagen, es haben sich alle sehr bemüht.
In Deutschland war die Innenpolitik in den letzten Wochen Corona-Politik. Sie haben, wie die anderen Bewerber um den CDU-Vorsitz auch, bewusst zurückhaltend agiert. Das Land kehrt langsam zu einer neuen Normalität zurück. Bedeutet das für Sie, dass Sie jetzt auf Angriff schalten und Wahlkampf machen?
Röttgen: Richtigerweise hat rund zwei Monate lang ein Thema die Politik dominiert. Seit zwei, drei Wochen verbreitert sich das Themenspektrum wieder. Ich würde aber nicht von einem „Wahlkampf“ sprechen.
Worum geht es denn dann?
Röttgen: Es geht aus meiner Sicht darum, dass wir diesen ganz normalen Wettbewerb um eine Position mit notwendigen Ideen für die Zukunft der Partei und übrigens auch für die Zukunft des Landes und Europas verbinden. Mit der Verbreiterung der Themen ist auch der Zeitpunkt da, an dem sich zeigt, wer welche Vorschläge macht und worin sie sich unterscheiden. Wir können unterschiedliche Akzentsetzungen bei den Kandidaten sehen. Aber ich würde es trotzdem nicht Wahlkampf nennen.
Sie haben bei der Bekanntgabe Ihrer Kandidatur einen Deutschlanddialog angekündigt. Kommt der trotz Corona?
Röttgen: Diesen Vorstoß für einen Dialog habe ich deshalb unternommen, weil wir 30 Jahre nach der Einheit eine Störung im Verhältnis zwischen Ost und West feststellen müssen wie auch eine zunehmende Auseinanderentwicklung. Die Kommunikation ist nicht gut oder findet gar nicht erst statt. Das muss uns alle zu denken geben, vor allem der CDU in unserem Selbstverständnis als Partei der Deutschen Einheit. Dieser Deutschlanddialog ist deshalb für die innere Einheit unseres Landes wirklich notwendig. Auf Augenhöhe, nicht belehrend, respektvoll, aber den Problemen nicht ausweichend. Es ist allerdings aktuell schwierig, ihn zu organisieren, denn Sie können so etwas nicht als Videokonferenz machen.
Markus Söder kann zwar nicht CDU-Vorsitzender werden, aber angesichts hoher Umfragewerte für seine Person und seine Partei wird er vielfach schon als nächster Kanzlerkandidat gesehen. Ist Söder neben Armin Laschet und Friedrich Merz ein weiterer Konkurrent, den Sie im Blick haben müssen?
Röttgen: Markus Söder hat sich in der Krise bewährt, und das ist nun mit seiner Person positiv verbunden, worüber ich mich freue. Sie haben recht, es geht um den CDU-Vorsitz, aber natürlich auch um den Kanzlerkandidaten. Das ist eine Frage, bei der sich CDU und CSU immer geeinigt haben und auch wieder einigen werden.
Herr Söder hat gesagt, dass sein Platz in Bayern ist. Welchen Wert haben solche Aussagen in der Politik? Die Zeiten ändern sich ja auch manchmal schnell.
Röttgen: Markus Söder und ich kennen uns lange und gut. Wir waren gleichzeitig Landesvorsitzende der Jungen Union. Er in Bayern und ich in Nordrhein-Westfalen. Wir waren auch gleichzeitig Umweltminister. Zu den Eigenschaften und Fähigkeiten von Markus Söder zählt Flexibilität, und darum glaube ich, wird er sich bis Jahresende die Zeit nehmen, das für sich zu entscheiden.
Wäre die CDU denn tatsächlich mal wieder bereit, der CSU den Vortritt zu lassen?
Röttgen: Die zwei CDU-Kanzler mit den längsten Regierungszeiten – Helmut Kohl und Angela Merkel – haben jeweils beide Erfahrungen gemacht: als CDU-Vorsitzende Kanzler zu werden, aber auch als Parteivorsitzende eben nicht Kanzlerkandidat zu werden. Der neue CDU-Vorsitzende muss ebenso beides können und zu beidem bereit sein. Ich habe eine klare Präferenz für einen Kanzlerkandidaten der CDU, aber CDU und CSU gehören zusammen.
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