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Interview: CDU-Außenpolitiker Röttgen: Putin begeht Kriegsverbrechen

Interview

CDU-Außenpolitiker Röttgen: Putin begeht Kriegsverbrechen

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    CDU-Außenpolitik-Experte Norbert Röttgen: „Der Westen muss Druck auf Moskau ausüben, damit Putin sein Kriegstreiben einstellt.“
    CDU-Außenpolitik-Experte Norbert Röttgen: „Der Westen muss Druck auf Moskau ausüben, damit Putin sein Kriegstreiben einstellt.“ Foto: Gaertner, imago

    Herr Röttgen, die Flüchtlingssituation an der griechisch-türkischen Grenze spitzt sich zu. Was muss Deutschland jetzt tun?

    Norbert Röttgen: Auf die türkisch-griechische Grenze sind derzeit alle Kameras gerichtet, weil dort circa fünfzehntausend Flüchtlinge nach Europa drängen. Das bannt uns. Aber der Dreh- und Angelpunkt des Flüchtlingsdramas ist die syrisch-türkische Grenze. Dort sammelt sich eine Million Flüchtlinge. Diese Menschen wurden von Assad und Putin dorthin gebombt. Dort müssen wir ansetzen.

    Was treibt Erdogan zu seinem Verhalten, mit dem er offenbar die Europäische Union erpressen will?

    Röttgen: Erdogan steht enorm unter Druck: Er ist außenpolitisch in Syrien gescheitert und hat innenpolitisch mit der Flüchtlingskrise im eigenen Land zu tun. Diesen Druck verlagert er nun in Richtung türkisch-griechische Grenze. Für Europa bedeutet das dreierlei: Zum einen müssen wir humanitäre Hilfe leisten, das heißt, den Flüchtlingen vor Ort helfen. Andernfalls werden sie in ihrer Not Schutz in Europa suchen. Bei aller Kritik an Erdogan – das ist nur gemeinsam mit der Türkei möglich. Zum anderen müssen wir Griechenland unterstützen. Das Land schützt mit seinen Grenzen auch unsere gemeinsame EU-Außengrenze. Und: Wir müssen endlich Politik machen.

    Und wie soll der politische Teil der Strategie aussehen?

    Röttgen: Wir müssen ran an die Ursache der Krise: Putin bombardiert gezielt Zivilisten in Idlib und zwingt sie zur Flucht. Der Westen muss nun Druck auf Moskau ausüben, damit Putin sein Kriegstreiben einstellt und an den Verhandlungstisch kommt. Doch derzeit ist nicht einmal davon die Rede, auf Putin einzuwirken.

    Was kann Putin an den Verhandlungstisch bringen?

    Röttgen: Druck. Im Moment muss er für sein Vorgehen überhaupt keinen Preis bezahlen. Ein Machtpolitiker wie Putin verändert dann nicht seine Taktik. Darum sollte der Westen neue spürbare Sanktionen androhen, wenn es bei Kriegsverbrechen und Eroberungspolitik statt Verhandlungen bleibt.

    Welche konkreten Sanktionen könnten das sein?

    Röttgen: Zunächst einmal müssen wir beschreiben und benennen, was Putin in Syrien tut: Seine Militärtaktik besteht im gezielten Bombardement von Krankenhäusern, Schulen und Marktplätzen. Er zwingt die Menschen zur Flucht, um dann zu erobern. Das sind Kriegsverbrechen und wir nennen es noch nicht einmal so. Welche europäische Regierung nennt das denn ein Verbrechen? Billiger geht es ja für Putin nicht. Bevor wir darüber nachdenken, wie die Maßnahmen und Sanktionen genau ausschauen sollen, sollten wir dazu Klartext reden.

    Sie haben zu mehr Humanität gegenüber Flüchtlingen aufgerufen, während Ihr Mitbewerber um den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, eher auf dichte Grenzen setzt. Ist das in der derzeitigen Stimmungslage nicht eher Gift für Ihre Kandidatur?

    Röttgen: Meine Antwort ist ein doppeltes Nein. Erstens ist es kein Gift, weil die CDU weiß, dass sie eine christliche Partei ist. Zu ihren sozialethischen Werten gehört ganz zentral die Nächstenliebe. Das ist die kompromisslose Identität der CDU. Und der Grund für das zweite Nein lautet, dass es Fragen gibt, die sich nach meiner Überzeugung taktischen Kalkulationen entziehen.

    Heißt das, dass Deutschland die Flüchtlinge wieder hereinlassen muss, so wie 2015?

    Röttgen: Nein, wir müssen ihnen helfen. In der fraglichen Region leben drei Millionen Menschen, eine Million wurde jetzt an die syrisch-türkische Grenze hingebombt. Es ist keine realistische Option, wenn wir sagen, die holen wir alle nach Deutschland. Es geht darum, ihnen humanitär zu helfen. Und einen Raum zu schaffen, der nah an ihrer Heimat ist, in dem sie in Sicherheit sind. Deswegen halte ich die Einrichtung einer von der UN organisierten Schutzzone für notwendig. Aber auch die Schutzzone wäre an die Zustimmung Russlands – als UN-Mitglied, aber auch als Kriegspartei in Syrien – geknüpft. Aus diesem Grund ist eine europäische Strategie wichtig, die Putin an den Verhandlungstisch bringt.

    Der türkische Präsident Erdogan war diese Woche in Brüssel. Wie bewerten Sie die Ergebnisse, sind seine finanziellen Forderungen berechtigt?

    Röttgen: Die Gespräche waren enttäuschend. Von europäischer Seite ist bislang leider keine Strategie erkennbar. Das Flüchtlingsabkommen ist gescheitert, wenn man die Situation an der griechisch-türkischen Grenze sieht. Wir brauchen eine neue Form der Kooperation. Erdogan verhält sich inakzeptabel, indem er mit Flüchtlingen Druck auf die Europäer macht. Aber ich finde es genauso inakzeptabel, dass die Europäer die Lage an der syrisch-türkischen Grenze lange ignoriert und jetzt immer noch keine Politik haben, wie man damit umgeht.

    Haben Sie noch Hoffnung, dass es einen neuen Flüchtlingspakt zwischen Erdogan und Europa geben kann?

    Röttgen: Ja, weil es schlicht notwendig ist. Das bisherige Abkommen hat bewirkt, dass über die Türkei praktisch keine Flüchtlinge mehr nach Europa gekommen sind. Das kostet Europa sechs Milliarden Euro für vier Jahre. Dreieinhalb Milliarden sind bisher geflossen, in Form von direkter Hilfe für die Flüchtlinge. Wenn wir das mal vergleichen: Allein in Deutschland reden wir ungefähr von 20 Milliarden Euro im Jahr, die für die Versorgung von einer Million Flüchtlinge ausgegeben werden. Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache, dass das Abkommen nicht perfekt, aber wirksam war.

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