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Internationale Pressestimmen: "Die Arroganz der Deutschen"

Internationale Pressestimmen

"Die Arroganz der Deutschen"

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    Christian Wulff.
    Christian Wulff. Foto: dpa

    "Dnes", Tschechien: "Angela Merkel und ihre Koalition aus Christdemokraten und Liberalen haben die Funktion des Präsidenten für Machtspiele missbraucht. Nun zeigt es sich, dass ein derart kaltblütiges politisches Kalkül letzten Endes kontraproduktiv ist. Über die derzeitige deutsche Kanzlerin heißt es, sie überlege ihre politischen Schritte wie ein Schachspieler analytisch über mehrere Züge im Voraus. Es muss ihr daher klar sein, dass von der Wahl eines neuen Staatsoberhaupts jetzt sowohl ihr eigenes als auch das Schicksal der Koalition abhängt. Sie muss auch im Interesse der Sache eine Persönlichkeit finden, zu der die Deutschen aufsehen können."

    "Corriere della Sera", Italien: "Unser Urteil in solchen Affären hängt letztlich von der Reputation eines Landes ab und dabei vor allem von dem Image, das es der Welt von sich geben will. Und deshalb erscheint uns der Fall des deutschen Bundespräsidenten schwerwiegender als die aufsehenerregenden Vorfälle in anderen Demokratien (...) Wir haben zwar Schlimmeres gesehen. Aber all dieses geschieht, während die Kanzlerin und ihre Minister Griechenland und anderen Ländern der Eurozone Lektionen in öffentlicher Moral erteilen. In der Art und Weise, wie die Deutschen in der Schuldenkrise gehandelt haben, hat es eine Arroganz gegeben, hinter der sich ein Gefühl der Überlegenheit verbarg. Ein "Bad der Bescheidenheit" zu nehmen, das würde die Lösung der griechischen Krise begünstigen und Europa mehr Luft zum Atmen geben."

    Wulff hatte ein ständiges Problem mit seinem Image

    "Nepszabadsag", Ungarn: "Wulff betont zwar beständig seine Unschuld, doch ist er sich im Klaren darüber, dass in bestimmten Situationen der Abtritt und der Amtsverzicht Teil der politischen Kultur sind. Wenn das allgemeine Vertrauen in einen Politiker erschüttert ist, wenn er unausgesetzt in Erklärungsnot ist, dann ist er nicht mehr glaubwürdig und auch nicht in der Lage, eine das ganze Land würdig repräsentierende "moralische Kompassnadel" zu sein. Doch genau das verlangen die Bürger mit Recht von einem Staatsoberhaupt."

    "Lidove Noviny", Tschechien: "Wulff hatte ein ständiges Problem mit seinem Image. Einerseits war an ihm beispielhaft die Faszination eines Manns aus einfachen Verhältnissen mit reichen Menschen zu erkennen, andererseits war er der geborene Berufspolitiker. Manch einer hat ihm nie verziehen, dass er anstelle des beliebten unparteiischen Pfarrers Joachim Gauck gewählt wurde. Als mit den Nachforschungen über das Privatleben des Präsidenten begonnen wurde, trug das alles zum insgesamt negativen und ungerechten Ton bei. Dass der Präsident eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter des Chefredakteurs der Zeitung "Bild" hinterließ, wurde zu einem Versuch, Journalisten einzuschüchtern, aufgebauscht. In Wirklichkeit dürfte Wulff den mächtigen Redakteur um ein wenig Erbarmen gebeten haben. Die Medien haben tatsächlich in mancher Hinsicht eine gewaltige Macht."

    "Sega", Bulgarien: "Wulffs Rücktritt ist ein schwerer Schlag für die Kanzlerin Angela Merkel und ihre Christlich Demokratische Union  (CDU), weil gerade

    Moralbuddhas der Medien urteilten über Wulff

    "Tages-Anzeiger", Schweiz: "Da wäre einmal ihre demonstrative Bescheidenheit. Sie braucht keine Ferien im 5-Stern-Hotel, sie relaxt nicht mit reichen Freunden, sondern wandert durch die Alpen oder macht es sich in ihrem ostdeutschen Wochenendhäuschen gemütlich. Die Message kommt an: Drei Viertel der Deutschen finden, Merkel sei rechtschaffen und nicht auf ihren eigenen Vorteil bedacht - ein Wert, von dem viele Politiker, inklusive Wulff, nur träumen können. Das zweite Geheimnis der Kanzlerin ist ihr wahrlich präsidialer Stil. Sie macht sich nicht die Finger schmutzig beim Berliner Gezänk, sie schwebt über den Dingen."

    "NRC Handelsblad", Niederlande: "Die große Frage ist, welche Lehre Bundeskanzlerin Merkel aus dem Fiasko der letzten zwei CDU-Bundespräsidenten zieht. Sie hatte Wulff mit Macht durchgedrückt, obwohl die SPD und die Grünen mit dem parteilosen Ostdeutschen Joachim Gauck eine ausgezeichnete Alternative boten. Aus parteipolitischen Gründen ging sie nicht darauf ein und Wulff begann mit einem Fehlstart. (...) Nun will sie mit

    "Neue Zürcher Zeitung": "Und vielleicht könnten jetzt die Moralbuddhas der Medien nach geschlagener Schlacht auch einmal mit ähnlichem Drang darlegen, wie sie sich selbst vom Lockstoff all der Verheißungen und Verführungen betören lassen, denen sie als Journalisten nur allzu oft unterliegen - von Einladungen der tollsten Sorte, Reisen und Rabatten in einem Ausmaß, das bei fast allen andern Erwerbszweigen die Schamröte hochtriebe. (...) Der Fall Wulff ist ein unrühmliches Kapitel politischer und medialer Auseinandersetzung in Deutschland. Ein Trost ist immerhin, dass die Selbstgerechtigkeit der Saubermänner bei der Bevölkerung mit sichtlicher Zurückhaltung quittiert wird."

    Rücktritt: Deutschland scheint politisch erwachsener zu sein als Österreich

    "Kurier": "Alles Verbrecher: "An Stammtischen wird man das jetzt noch häufiger hören. Trotz vorerst glimpflich überstandener Finanzkrise und trotz guter Wirtschaftsdaten befindet sich die Politik in einem heftigen Imagetief. Der deutsche Bundespräsident stolperte unter anderem über Urlaube, die befreundete Geschäftsleute zahlten. Aber hüten wir uns davor, die Politik pauschal als korrupt abzuqualifizieren. Nichts wäre gefährlicher. Spitzenpolitik ist ein knallharter Job mit wenig Privatleben und schlechter Nachrede. Wer soll sich das in Zukunft noch antun? Den aseptischen Mächtigen gibt es leider kaum - Deutschland bemüht sich gerade, einen solchen für das Amt des Bundespräsidenten zu (er)finden."

    "Wiener Zeitung": "Deutschland scheint - leider - politisch deutlich erwachsener zu sein als Österreich. In Österreich ist selbst eine erfolgte Aufhebung der Immunität kein Rücktrittsgrund. Warum ist der Unterschied in der politischen Kultur dermaßen groß? Eine Erklärung liegt sicher in der unterschiedlichen Größenordnung der beiden Länder. Ein anderer Punkt ist, dass die Politik in Österreich viel tiefer ins gesellschaftliche Geschehen eingreift als in Deutschland. Geld und Karriere hängen in Österreich nach wie vor stark an Deals und weniger an Leistung. Wie lange das noch geht, wird sich erst weisen. Unerträglich ist es längst." AZ/dpa

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