Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Informationen für 2,5 Millionen Euro: Streit über Kauf von Steuersünder-Daten

Informationen für 2,5 Millionen Euro

Streit über Kauf von Steuersünder-Daten

    • |
    Analyse: Jagd auf Steuersünder
    Analyse: Jagd auf Steuersünder Foto: DPA

    Sie sollenMillionensummen auf Schweizer Konten geschleust haben. Spitzenpolitikerder Union und Datenschützer lehnten den Deal ab - man mache keineGeschäfte mit Kriminellen. SPD, Grüne und Linke erklärten, der Staatdürfe sich die Steuer-Millionen nicht durch die Lappen gehen lassen.Die Schweiz warnte die Bundesregierung, das gegenseitige Vertrauennicht zu erschüttern.

    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble(CDU) hat sich nach dpa- Informationen mit dem spektakulären Fall nochnicht befasst. Sein Haus wollte sich zu Details unter Verweis auf dasSteuergeheimnis nicht äußern. Verteidigungsminister Karl-Theodor zuGuttenberg (CSU) bezog klar Stellung gegen den Kauf der Datensammlung:"Ich persönlich habe ein Problem damit."

    AuchUnions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagt Nein: "Diebstahl bleibtDiebstahl. Mit Dieben sollte sich der Staat nicht gemein machen", sagteer der "Süddeutschen Zeitung" (Montag). SPD- Chef Sigmar Gabriel siehtes anders. "Es ist doch skandalös, dass hier jeder Parksünder verfolgtwird, aber nicht die Leute, die bis zu 200 Millionen Euro Steuernhinterziehen", sagte er dem "Hamburger Abendblatt" (Montag).

    Datenschutz hohes Gut

    DerDatenschutzbeauftragte Peter Schaar empfahl den Behörden, die Fingervon der Sache zu lassen: "Ich habe große Zweifel an der Rechtmäßigkeiteines solches Geschäfts", sagte er der dpa. Der Staat sei kein Hehler."Es wäre völlig inakzeptabel, wenn sich Rechtsstaaten untereinandereinen Wettlauf um illegale Daten liefern würden." Der erwarteteSteuersegen sei kein Argument: "Es kann nicht Datenschutz nachKassenlage betrieben werden", sagte Schaar.

    Der neue Fallerinnert an die Liechtenstein-Steueraffäre im Frühjahr 2008, über dieEx-Post-Chef Klaus Zumwinkel stolperte. Damals hatte Ex-FinanzministerPeer Steinbrück (SPD) dem Geheimdienst BND grünes Licht gegeben, fürbis zu fünf Millionen Euro Daten-DVDs deutscher Steuersünder imFürstentum aufzukaufen.

    "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ)und "Süddeutsche Zeitung" enthüllten jetzt, dass sich ein Informant beiden Steuerbehörden in Nordrhein-Westfalen gemeldet habe. Eine ersteStichprobe des Materials habe fünf Verdächtige überführt, die jeweilsetwa eine Million Euro Steuern nachzahlen müssten, berichtete die"FAZ". Insgesamt winke ein Steuersegen von etwa 100 Millionen Euro.

    Schweizer Regierung beunruhigt

    Aufdem Weltwirtschaftsforum in Davos wurde das Thema heiß diskutiert. DieSchweizer Wirtschaftsministerin Doris Leuthard sagte, es gebe imProzessrecht die Regel, dass man illegale Daten nicht verwende. Sonstgebe es bald den Beruf "Datenklauer". Der SchweizerVerteidigungsminister Ueli Maurer sagte, sollte Berlin "für geklauteDaten" bezahlen, sei das Vertrauen erschüttert. Guttenberg erklärte, ersei "guter Dinge, dass es nicht zu Verwerfungen (mit der Schweiz)kommt". Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte: "DieFreundschaft zwischen der Schweiz und Deutschland hält vieles aus."

    Nachdpa-Informationen prüfen die NRW-Finanzbehörden federführend dieRechtslage. Mache man Fehler, seien die Daten später vor Gericht nichtverwertbar. Auch müsse gesichert sein, dass keine Nieten in den Datenversteckt seien, hieß es. Die beim Liechtenstein-Komplex zuständigeBochumer Staatsanwaltschaft ist in den neuen Fall bisher nichteingebunden. Unklar ist, um welche Banken es geht. Laut SchweizerFernsehen sollen es mehrheitlich Daten der Großbank UBS sein. DasInstitut wies das zurück.

    Viele Trittbrettfahrer

    SchäublesMinisterium teilte mit, seit der Liechtenstein-Affäre würden denBehörden immer wieder Daten zur Verfügung gestellt. "Diese Daten werdenvon den zuständigen Landesfinanzbehörden geprüft. Davon hängt dasweitere Vorgehen ab." Das Ministerium rät allen Bürgern, die einschlechtes Gewissen haben, zur Selbstanzeige.

    Nach Angaben desChefs der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Dieter Ondracek, handelt essich bei der Daten-CD nicht um Hehlerware. "Das Informationshonorar inHöhe von 2,5 Millionen Euro halte ich für angemessen in Anbetracht derzu erwartenden Steuernachzahlungen von 100 Millionen Euro", sagte erder "Bild"-Zeitung (Montag). Der Vorsitzende der Gewerkschaft derPolizei (GdP), Konrad Freiberg, hat ebenfalls keine Bedenken:"Lockkäufe sind besonders im Drogengeschäft an der Tagesordnung, undauch Versicherungen bezahlen für gestohlene, aber unverkäuflicheKunstgegenstände, um sie zurückzubekommen."

    Die Affäre könnte dielaufenden Verhandlungen der Schweiz mit Deutschland über ein neuesDoppelbesteuerungsabkommen belasten. Ein Abkommen mit Frankreich warnach einem Streit mit Paris um gestohlene Bankdaten auf Eis gelegtworden.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden