Seit 1957 nutzt Deutschland die Kernkraft. Warum gibt es bis heute kein Endlager für den Strahlenmüll?
Bereits Ende der 1970er Jahre legte sich die Politik auf den Salzstock Gorleben als Endlager für den strahlenden Müll aus den rund 110 jemals in der Bundesrepublik betriebenen Atomanlagen fest. Der Standort im ländlichen Niedersachsen schien vor allem wegen seiner Abgeschiedenheit geeignet. Für Erforschung und Vorbereitung wurden seither rund 1,6 Milliarden Euro ausgegeben. Doch eine breite Protestbewegung stemmte sich gegen das Vorhaben, das schließlich per Moratorium im Jahr 2000 faktisch gestoppt wurde.
Wie ging die Suche nach einem Endlager für den Atommüll weiter?
Eine Endlagerkommission, an der Vertreter von Bund, Ländern und Gesellschaft beteiligt waren, legte von 2014 bis 2016 die Kriterien für die Endlagersuche fest. Der Prozess wurde in einer Novelle des Standortauswahlgesetz beschrieben. Alle Bundesländer erklärten sich mit dem Verfahren einverstanden.
Nach welchem Prinzip wird das Endlager gesucht?
Zunächst galt das Prinzip der „weißen Landkarte“: Alle Regionen in Deutschland sollten auf ihre grundsätzliche Eignung überprüft werden. Entschieden werden soll am Ende nach wissenschaftlichen Kriterien. Der gesamte Prozess soll transparent und unter größtmöglicher Bürgerbeteiligung ablaufen.
In welche Phasen gliedert sich die Suche nach einem Endlager?
Seit September 2017 wird wieder offiziell ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle in Deutschland gesucht. Zu diesem Zweck wurde die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) gegründet. In einem ersten Schritt hat sie Vorschläge für Standorte erarbeitet und Kriterien für die Erkundungen festgelegt. Der jetzt vorgestellte Zwischenbericht nennt 90 grundsätzlich geeignete Teilgebiete. In einer zweiten Phase werden diese näher untersucht, auch auf Kriterien wie die Bevölkerungsdichte, Trinkwasserschutz oder Überschwemmungsgefahr. So werden zahlreiche mögliche Standorte ausscheiden. Im dritten Schritt werden die verbliebenen „Kandidaten“ auch durch Probebohrungen weiter untersucht.
Wie sieht der weitere Zeitplan für ein Atommüll-Endlager aus?
Bis zum Jahr 2031 soll die Entscheidung gefallen sein, es ist allerdings unklar, ob dieser Termin zu halten ist. Planung und Bau des Endlagers sollen bis 2050 dauern. Dann werden die Fässer mit dem hoch radioaktiven Müll in der Tiefe versenkt – wo sie, zumindest nach dem Anspruch der Wissenschaftler, für eine Million Jahre sicher lagern sollen.
Auf welcher Datengrundlage wurde der Zwischenbericht erstellt?
Für die jetzt vorgestellte Aufstellung wurde in den vergangenen drei Jahren eine Million Datensätze ausgewertet, vergilbte Karten ebenso wie digitale Untergrundkarten. Lücken, zu denen keine Daten verfügbar sind, gibt es nicht, ganz Deutschland ist abgedeckt. Doch ein Teil der Informationen ist von privaten Unternehmen, etwa Bergbaufirmen zur Verfügung gestellt worden, diese sind aus Gründen des Urheberrechts teils nicht öffentlich zugänglich.
Welche Gesteinsarten halten die Wissenschaftler für geeignet?
Als Wirtsgestein kommen grundsätzlich Salz, Ton, und kristallines Gestein wie Granit in Frage. Die BGE betont, dass eine Vorentscheidung zugunsten eines Materials nicht gefallen sei – es komme auf zahlreiche Faktoren an. So müssen sich die fraglichen Gesteinsschichten mindestens 300 und höchstens 1500 Meter unter der Erde befinden.
Welche Gegenden scheiden als Endlager-Standort aus?
Nicht weiter untersucht werden Regionen mit hoher vulkanischer Aktivität oder Erdbebenwahrscheinlichkeit. Der gesamte Alpenraum spielt bei der Suche keine Rolle – denn das Gebirge hebt sich langsam. Die Schwäbische Alb fällt heraus, weil dort immer wieder die Erde bebt. Aktuelle oder frühere Bergbauregionen gelten ebenfalls als unsicher und werden nicht weiter untersucht. Das gilt etwa für weite Teile von Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und das gesamte Saarland.
Wo befindet sich der Atommüll jetzt? Und warum kann er nicht einfach dort bleiben?
In Zwischenlagern, die sich meist an den Standorten aktiver oder stillgelegter Kernkraftwerke befinden. Die Brennelemente sind in so genannte Castor-Behälter gepackt, die aus Gusseisen und Graphit bestehen. Ihre Lebensdauer wird mit 100 Jahren veranschlagt, einige sind bereits mehrere Jahrzehnte alt. Und bei den Zwischenlagern handelt es sich in der Regel um gewöhnliche Lagerhallen – ohne besonderen Schutz etwa gegen Flugzeugabstürze.
Warum den Atommüll nicht einfach auf den Mond schießen?
Tatsächlich gab es bereits entsprechende Vorschläge, doch technisch ist das heute nicht zu vertretbaren Kosten möglich. Ein Export des Strahlenmülls ins Ausland oder eine Lagerung in der Antarktis wurde aus ethischen Gründen verworfen. Nach dem Atomunfall im japanischen Fukushima 2011 besiegelte die Bundesregierung den Endgültigen Atomausstieg bis 2022. Doch damit das Kapitel Kernenergie endgültig abgeschlossen werden kann, muss ein Endlager gefunden werden. Es soll den Strahlenmüll mindestens eine Million Jahre lang sicher bergen.
Um welche Mengen Atommüll handelt es sich?
In den Zwischenlagern in Deutschland stehen derzeit rund 1900 Castor-Behälter, ihr Volumen beträgt 27.000 Kubikmeter.
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