Deutschland gilt in Europa als das Land mit den günstigen Lebensmittelpreisen. Das hat mehrere Gründe, einer davon: Die Deutschen sind Sparfüchse. Danach befragt, warum sie wo einkaufen gehen, antworten Kunden immer wieder: Der Preis ist entscheidend. Also setzt der Handel auf Lockangebote – oder wie Kritiker sagen: Dumpingpreise. Die ärgern aber die Landwirte. Und deshalb soll am Montag ein Gipfeltreffen zwischen Kanzlerin Angela Merkel, Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (beide CDU) und den Spitzen von Aldi Nord und Süd, der Schwarz-Gruppe (Lidl und Kaufland), Edeka und Rewe stattfinden. Nach Angaben des Landwirtschaftministeriums kontrollieren diese vier Ketten etwa 85 Prozent Marktes. Merkel und Klöckner wollen mit den Supermarkt-Chefs über deren Einkaufspolitik sprechen. Und die Erwartungen sind hoch.
So sagt der Grünen-Chef Robert Habeck unserer Redaktion: „Es ist unethisch, Lebensmittel zu Dumpingpreisen zu verkaufen.“ Er wisse, wie viel Arbeit Landwirte in ihre Produkte steckten. „Und dann werden die wertvollen Lebensmittel im Laden verramscht, mit Werbesprüchen á la Essen habe den niedrigsten Preis verdient. Das verhöhnt alles – den Wert der Arbeit, den Wert von Tieren als Lebewesen, den Wert von Ressourcen.“
Habeck: Der Verkauf von Lebensmitteln unter Erzeugerpreis sollte verboten werden
Der Grünen-Politiker fordert deshalb: „Der Verkauf von Lebensmitteln unter dem Erzeugerpreis sollte untersagt werden. Die Bundesregierung muss Wege aufzeigen, um das Dumping zu unterbinden.“ Der Gipfel dürfe nicht nur in Apellen enden. Ähnlich sieht es Jan Plagge. Er ist Präsident des Erzeugerverbandes Bioland. Und kann berichten, dass die Zusammenarbeit mit den Handelsunternehmen – sogar mit Discountern – funktionieren kann.
Seit etwas mehr als einem Jahr arbeiten Bioland und Lidl zusammen – Dumpingpreise auf Bioland-Ware hatte der Discounter zu Beginn der Kooperation ausgeschlossen. Und bisher kann Plagge nur Gutes berichten. Er weiß aber auch, wie es zu der schlechten Stimmung zwischen Handeln und Bauern kommen konnte: „Die Welt des Einkaufs in Supermarktketten und die Realität der Bauern haben sich voneinander entkoppelt“, sagt Plagge. „Der Einkäufer ist davon getrieben, seine Zielmenge zum günstigsten Preis zu erwerben. Diese Fixierung auf den Preis schafft eine Distanz zu den negativen Folgen, die dieses Verhalten auf die Landwirtschaft hat.“
Was er mit den negativen Folgen meint? „Wachsen und Weichen. Mehr Tiere müssen auf engerem Platz leben, es wird billigstes Futter verwendet, die Familienmitglieder arbeiten umsonst.“
Tierwohl: In deutschen Supermärkten gibt es kaum Fleisch aus besserer Tierhaltung zu kaufen
Das Thema Tierwohl schwingt bei dieser Aussage schon mit. Es ist ein besonders großer Streitpunkt, wenn es um (zu) billige Lebensmittel geht. Gerade Fleisch wird immer wieder zu günstigsten Preisen angeboten, um Kunden in den Laden zu locken. Unlängst ergab eine Studie der Umweltschutzorganisation Greenpeace, dass die meisten Supermärkte nur Fleisch aus den unteren beiden Stufen des Tierwohlsiegels verkaufen. Biofleisch oder Fleisch, bei dem die Tiere mehr Platz und mehr Beschäftigungsmöglichkeiten haben, gibt es fast nirgends zu kaufen.
Woran das liegt? „Der Grund ist der Preis. Biofleisch kostet in der Regel mindestens 100 Prozent mehr als Fleisch, das den gesetzlichen Mindeststandard erfüllt“, sagt Patrick Klein, Sprecher der Initiative Tierwohl. Wieder einmal geht es also ums Geld und damit um den Verbraucher.
Diese Sichtweise greift Martin Rücker, Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch zu kurz. Er sagt: „Viele Menschen wollen faire Preise bezahlen – aber sie wollen nicht an der Supermarktkasse drauflegen, nur damit die Lebensmittelindustrie oder Handelskonzerne größere Profite einstreichen können.“ Günstige Preise im Supermarkt seien ein Symptom einer fehlgeleiteten Politik, meint Rücker.
Die könnte sich bei dem Gipfel am Montag nun ja ändern. Doch zumindest der Bioland-Präsident Jan Plagge hat nicht allzu hohe Hoffnungen: „Aus der Erfahrung der vergangenen Gipfel befürchte ich, dass es am Ende nur wieder viele Apelle geben wird. Dabei brauchen wir eine mutige und wirksame Politik doch so dringend.“
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