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Griechenland: "Rachsüchtige Politik" - In den Medien sind die Deutschen schuld

Griechenland

"Rachsüchtige Politik" - In den Medien sind die Deutschen schuld

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    In griechischen Zeitungen gibt es seit Tagen kaum noch ein anderes Thema als die Schuldenkrise.
    In griechischen Zeitungen gibt es seit Tagen kaum noch ein anderes Thema als die Schuldenkrise.

    Liegt es an der Hitze, dass es in diesen Tagen einigen derart schwerfällt, einen kühlen Kopf zu bewahren? Dass überall Wörter wie Kanonenkugeln durch die Luft schwirren? „Gerechter Kampf“, „Bürgerkrieg“, „harte Schlacht“.

    Die tschechische Zeitung Pravo hat gestern festgestellt: „In Europa herrscht eine Atmosphäre, in der es immer schwieriger wird, vernünftige Kompromisse zu schließen. An die Stelle von Argumenten treten Emotionen.“ Es ist nun müßig, nach einzelnen Schuldigen zu suchen. Und doch trägt ein Politiker wie der zurückgetretene griechische Finanzminister Gianis Varoufakis erhebliche Mitschuld daran, dass sich der Ton auf unerträgliche Weise verschärft hat: Den Gläubigern seines hoch verschuldeten Landes warf er kürzlich in der spanischen Zeitung El Mundo „Terrorismus“ vor.

    Die internationale Presse hat den Schuldigen gefunden

    Gerade vor dem Eurogipfel am vergangenen Sonntag schaukelte sich die Debatte nochmals hoch. Aus Sicht der internationalen Presse ist die Schuldfrage häufig geklärt, und zwar eindeutig: Die Deutschen sind schuld am Griechen-Drama, insbesondere CDU-Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Er steht für ein Deutschland, das – wie Le Figaro aus Frankreich jetzt schrieb – „buchhalterisch“ und „kompromisslos“ sei. Der britische Guardian titelte gestern: „Europa rächt sich an Tsipras.“ Es ging um die „drakonische“ Sparpolitik, die vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel vertrete. „Was für ein Spiel spielt

    Griechenlands Presse überbietet sich vor allem in den vergangenen Tagen mit Beleidigungen. I Efimerida schrieb von einer „rachsüchtigen Politik“ Schäubles gegenüber der griechischen Regierung, Ta Nea von „wucherischen Forderungen“. Am Montag lauteten Schlagzeilen auch: „Griechenland in Auschwitz – Schäuble strebt einen Holocaust in Europa an“ (Dimokratia). Oder: „Schäuble befiehlt: Versenkt dieses Land!“ (Efsyn). Schäuble ist seit langem, neben Merkel, Ziel übelster Kritik in Griechenland: So wurde er in der Parteizeitung der Syriza von Premier Alexis Tsipras bereits als KZ-Aufseher karikiert. Er gilt als der „hässliche“ Deutsche.

    Und in Deutschland? Da zeigte die Bild-Zeitung Kanzlerin Merkel mit einer preußischen Pickelhaube und rief nach einer „Eisernen Kanzlerin“. Da illustrierte der Spiegel sein Titelthema „Unsere Griechen – Annäherung an ein seltsames Volk“ so, dass es als „hetzerisch“ empfunden wurde und Internetnutzer tobten. Zu sehen sind auf dem Titel ein klischeehaft gezeichneter Deutscher und ein Grieche, die am Abgrund tanzen. Während der Grieche in Feierlaune ist, umklammert der Deutsche seinen Geldbeutel. Am schärfsten reagierte darauf das Satire-Magazin Titanic, indem es aus dem Griechen einen Juden machte: „Unsere Juden – Warum sie immer wieder aufmucken“.

    Spiegel: "In Krisenzeiten Humor haben"

    Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer rechtfertigte sich: „Liebe Leserinnen und Leser, darf man in Krisenzeiten dennoch Humor haben? Karikaturen drucken? Auf einem Titelbild? Ja, natürlich.“ Viele Deutsche verstünden Griechenland und seine Handlungen nicht, und dies liege vielleicht an den Griechen, der griechischen Regierung, „aber auch an den Deutschen oder jedenfalls daran, dass es in Deutschland ein schiefes Griechenland-Bild gibt“.

    Und dann gibt es dieses Video, in dem die Fernseh-Moderatoren Klaas Heufer-Umlauf und Jan Böhmermann miteinander telefonieren. Sie reden über „die ganze Griechen-Nummer“, zunehmend wütend. Das Satire-Video wurde seit Freitag über eine Million Mal auf der Internet-Plattform Youtube abgerufen.

    Das Gespräch der beiden besteht fast ausschließlich aus Zitaten, vor allem aus der Bild: „Die Schummel-Griechen machen unseren Euro kaputt“; „Keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen“. Gegen Ende werden die Sätze eingeblendet: „In diesem Sommer haben wir Deutschen eine historische Chance. Die Chance, uns ausnahmsweise mal nicht wie Arschlöcher zu benehmen.“ Kritik in Zeiten von Youtube – gegen eine angebliche Anti-Griechenland-Kampagne deutscher Medien. Der Ton wird schärfer, auf allen Seiten.

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